Die Hexen sind los
Diese Zahlen nennt der Verband União Wicca do Brasil (UWB). Im Bundesstaat São Paulo gibt es 20.000 Hexerinnen und Hexer. Die Wicca-Anhänger betonen, dass sie niemanden bekehren wollen. Es handele sich um keine Religion der Massen, sondern um eine der Priester. Heidnische Religionen sind generell nicht daran interessiert, ihren Glauben missionarisch zu verbreiten. UWB-Präsident Og Sperle betont, Wicca kenne keine Geheimnisse, man habe nichts zu verbergen. Ein wichtiges Anliegen sei es, mit Vorurteilen aufzuräumen - umso bemerkenswerter, als die Wahl des rechtsextremen Jair Bolsonaro zum Präsidenten Brasiliens am 28. Oktober droht.
Öffentlichkeit wird nicht gemieden
Die Wicca-Anhänger verschanzen sich nicht, sondern beteiligen sich zum Beispiel in Debatten an Schulen, die von Menschenrechtsorganisationen und solchen zur Förderung der religiösen Freiheit veranstaltet werden. Das Wort Hexerei löst bei vielen Menschen Beklemmung aus, da sie es mit Kulten zur Anrufung des Bösen in Verbindung bringen. Folgerichtig tauchen Fragen auf wie jene, ob die Wicca-Anhänger den Teufel anbeten, oder ob Opfer dargebracht werden. Solche Zweifel werden zerstreut, wenn es zur Begegnung mit der Öffentlichkeit kommt.
Die brasilianische Zeitung "O Globo" zitiert die 23-jährige Kathleen Karolina, sie studiert Krankenpflege. Ihre evangelikale Familie habe sich nicht mit ihrer Entscheidung abgefunden, im Alter von 18 Jahren dem Wicca-Glauben zu folgen. Diesen könne sie erst frei ausüben, seit sie geheiratet habe. Bis dahin habe sie ihren Altar in einem Schrank eingeschlossen gehabt. Hexe zu sein bedeute für sie, die Natur zu achten - und weder Tiere noch Kinder zu opfern. Kürzlich kursierte über WhatsApp die Beschuldigung seitens einer Frau, dass Wicca-Anhänger Kinder entführten und in satanischen Ritualen opferten.
Verehrung der Kräfte der Natur
In der Stadt Meriti gibt es neben einem Wicca-Tempel eine Schule für Magie mit 20 Schülern. Die Wicca-Anhänger bringen ihren Gottheiten Obst, Käse und Blumen dar und feiern den Übergang der vier Jahreszeiten. Die Wicca-Religion verehrt die Kräfte der Natur. Trotz ihrer Friedfertigkeit sehen sich die Wicca-Gläubigen häufig Angriffen ausgesetzt, ob in den sozialen Netzwerken oder in der Realität. Im Bundesstaat Rio de Janeiro ist die Zahl registrierter Fälle von religiöser Intoleranz im ersten Halbjahr 2018 um 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen.
Wicca-Anhänger tragen gerne schwarze Kleidung, um sich gegen negative Energien zu schützen, sie pflegen eine gewisse Folklore. Eine wichtige Rolle spielen der Tanz und das Schlagen der Trommel, um Verbindung mit dem Göttlichen aufzunehmen. Von der modernen Öffentlichkeit wahrgenommen wurde Wicca erst in den 1950er Jahren, die Wurzeln sollen aber über 20.000 Jahre zurückreichen. Gepriesen werden unter anderem keltische und griechische Götter. Der Besen ist übrigens kein Hexen-Klischee: Mit ihm werden negative Energien entfernt. Am stärksten verbreitet ist Wicca im angloamerikanischen Raum. (bs)