Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Guatemala |

Der "Schlächter der Indios" stirbt unbestraft

"Mörder gesucht" ist am Graffiti von Ríos Montt zu lesen. Foto (Zuschnitt): Surizar, CC BY-SA 2.0.
"Mörder gesucht" ist am Graffiti von Ríos Montt zu lesen. Foto (Zuschnitt): Surizar, CC BY-SA 2.0.

"Den Freunden alles, den Feinden das Gesetz." Der Leitsatz der Diktaturen Lateinamerikas wirkt bis heute nach. So darf Guatemalas größter Mörder ohne Strafe in die Grube fahren. Auch sein Bruder konnte ihn nicht belangen.

Der "Schlächter der Indios" ist tot. Tausende Ermordete gehen auf sein Konto. Weil aber Guatemalas Justiz über Jahrzehnte versagte, starb Ex-Diktator Efrain Rios Montt (1982-1983) am Ostersonntag, ohne belangt worden zu sein; 91-jährig, angeblich dement und prozessunfähig.

2017 war das Verfahren gegen Rios Montt wiederaufgenommen worden, ein letztes von unzähligen Malen. Doch dank ärztlicher Bescheinigungen musste der Angeklagte nicht mehr vor Gericht erscheinen. Rios Montt, Kind eines Großgrundbesitzers und lebenslang Militär, kam 1982 durch einen Putsch an die Macht. Seine 15-monatige Diktatur war eine Schreckensherrschaft. Laut UN-Angaben machten seine Schergen 448 Dörfer dem Erdboden gleich.

2013 wurde Rios Montt zwar wegen Völkermords und Verbrechens gegen die Menschlichkeit zu 80 Jahren Haft verurteilt; unter anderem soll er für den Mord an 1.771 Indios verantwortlich gewesen sein. Doch das Verfassungsgericht hob das Urteil wegen angeblicher Verfahrensfehler auf.

Völkermord

Guatemalas Bürgerkrieg zählt zu den brutalsten Konflikten in der Geschichte Lateinamerikas. Er dauerte 36 Jahre und endete am 29. Dezember 1996 mit einem Friedensvertrag zwischen rechtsgerichteter Regierung und Rebellenvereinigung URNG. Schätzungen zufolge wurden mehr als 200.000 Menschen getötet, 83 Prozent davon Angehörige der indigenen Maya-Bevölkerung. Geschätzt 1,7 Millionen Menschen flohen.

Hintergrund des Konflikts waren Versuche einer Landreform in den 50er Jahren, die nach 1954 durch das US-gestützte Regime in Guatemala unterdrückt wurde. Damit blieben die Interessen des US-Konzerns United Fruit Company gewahrt, der in Guatemala 162.000 Hektar Land zum Anbau von Chiquita-Bananen besaß. Spätestens ab 1975 richtete sich die Staatsmacht planvoll vor allem gegen die ländlichen Maya-Regionen - unter dem Vorwand, die Guerilla finde dort Unterstützung.

Die meisten starben in den Jahren der "violencia", der schlimmsten Gewalt (1978-1985). Nachts rückte die Armee aus ihren Kasernen oder entsandte Zivilpatrouillen (PAC), um offene Rechnungen zu begleichen. Offiziell lautete die Mission, Unterstützung und Nachschub für die Guerilla abzuschneiden. Tatsächlich war das Ziel eine systematische Vernichtung der Indigenen durch die hispanischen sogenannten Ladinos. Ein Völkermord.

Bestien

Auch der evangelikale Pastor und Prediger Rios Montt kämpfte als Diktator mit Rückendeckung der USA gegen angeblich kommunistische Guerillas. Allein in den 15 Monaten seiner Amtszeit begingen Militärs in einer "Politik der verbrannten Erde" etwa 600 Massaker. Rund 17.000 Menschen wurden in diesem Zeitraum getötet; Hunderttausende flohen in die Wälder.

Die nächtlichen Invasoren wurden zu Bestien; vergewaltigten, enthaupteten, verbrannten oder verstümmelten ihre Opfer bei lebendigem Leib, nicht selten vor den Augen der Angehörigen. Soldaten durchkämmten immer und immer wieder die Dörfer, ermordeten Männer, Frauen und Kinder und legten Feuer an ihre Häuser und Ernten. Wer nichts mehr hat, kann nichts der Guerilla geben.

Bei den zwangsrekrutierten PAC-Patrouillen gab es jene, die sich zurückhielten und die Nachbarn wo möglich schonten - und jene, die ihre vermeintliche Macht genossen. Vielfach ist es jener zweite Typ, der noch heute an den Schalthebeln der Dörfer sitzt und eine Aufarbeitung oder gar Wiedergutmachung der Gräuel von damals verhindert. Gerechtigkeit haben die ungezählten Opfer Rios Montts nie erfahren - auch wenn ihr Teufel seit heute tot ist.

Ein eigentlich genialer Schachzug Johannes Pauls II. blieb leider am Ende ohne Wirkung. Der katholische Weihbischof der Hauptstadt, Juan Gerardi Conedera, hatte im April 1998 einen umfassenden Bericht über Menschenrechtsverbrechen im Bürgerkrieg vorgelegt - und wurde dafür binnen 48 Stunden ermordet. Zu dessen Nachfolger berief der Papst ausgerechnet den jüngeren Bruder des Ex-Diktators, den Lazaristen-Pater Mario Enrique Rios Montt (86). Doch auch der konnte am Ende nicht verhindern, dass sein Bruder bis zu seinem Tod unbehelligt blieb.

Autor: Alexander Brüggemann/KNA

Weitere Nachrichten zu: Soziales, Indigene

Cookie Einstellungen

Erforderliche Cookies sind für den reibungslosen Betrieb der Website zuständig, indem sie Kernfunktionalitäten ermöglichen, ohne die unsere Website nicht richtig funktioniert. Diese Cookies können nur über Ihre Browser-Einstellungen deaktiviert werden.

Anbieter:

Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.

Datenschutz

Marketing-Cookies werden verwendet, um Besuchern auf Webseiten zu folgen. Die Absicht ist, Anzeigen zu zeigen, die relevant und ansprechend für den einzelnen Benutzer sind und daher wertvoller für Publisher und werbetreibende Drittparteien sind.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz

Statistik-Cookies dienen der Analyse und helfen uns dabei zu verstehen, wie Besucher mit unserer Website interagieren, indem Informationen anonymisiert gesammelt werden. Auf Basis dieser Informationen können wir unsere Website für Sie weiter verbessern und optimieren.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz