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Der geldgierige Eroberer und sein besonnener Soldat

Die Story ist allgemein bekannt: Hernán Cortés, Spross einer verarmten spanischen Adelsfamilie, wird zu Beginn des 16. Jahrhunderts von einer fixen Idee in die Neue Welt getrieben. Er will die sagenumwobenen Reichtümer der gerade entdeckten, aber noch kaum erkundeten Gebiete Mittelamerikas aufspüren – zum Wohle seines Königs und zu seinem eigenen Wohl.

Auf Cortés´ Eroberungszügen durch das heutige Mexiko kommt es zur Begegnung mit der Hochkultur der Azteken, bald auch zur Unterwerfung des Aztekenherrschers Montezuma, der in den bärtigen, hellhäutigen Fremden die lange angekündigten Gottheiten zu erkennen glaubt, und schließlich zur Auslöschung der aztekischen Kultur.

Der österreichische Autor Alexander Peer beschäftigt sich in seinem Buch „Land unter ihnen“ mit der Konquista Mexikos – nicht in Form eines dicken, spannungsgeladenen historischen Romans, sondern in einer knappen, sich auf wesentliche Punkte konzentrierenden Novelle von wenig mehr als 100 Seiten. Peer gestattet sich keinen Raum, um weit auszuholen. In prägnanten, klaren, mitunter auch gewitzten Sätzen skizziert er Figuren – teils historisch verbürgte, teils fiktive – und arbeitet deren mögliche Charaktereigenschaften, Denkweisen und Angewohnheiten heraus: „Hernando Cortés wurde in der Zeit der Liebe geboren, aber diese währte nur kurz. Sein Vater hatte zunächst ein inniges Verhältnis zu seiner Mutter, dann zur Magd und schließlich zum Wein. Als der Vater zugunsten des Weins von der Magd abließ, zählte Hernando bereits dreizehn Jahre und fragte sich, ob jenseits der Magd und des verlebten Gesindes noch andere Frauen existierten.“

Der einfache Soldat als Gegenentwurf zum Eroberer

Alexander Peer kombiniert geschickt das Faktenwissen und die Annahmen der Historiker mit der Phantasie bei der Zeichnung der Figuren. Mal gibt er Informationen über die Rekrutierung von Soldaten im Mutterland Spanien und die personelle Zusammensetzung der Schiffsbesatzung, um wenige Zeilen später bei einer bestimmten Figur zu landen, die im Krähennest des Schiffes steht. Diesem Mann gibt der Autor eine kleine Statur, trauernde Augen und sogar einen eigenen Namen: Vasquez.

Vasquez ist in der Novelle „Land unter ihnen“ der Gegenentwurf zu Cortés: Er ist der Sohn eines Bauern, der weder von Abenteuerlust noch vom Streben nach Geld in die Neue Welt katapultiert wird. Dem Edelmetall, das die Offiziere und Kameraden suchen und das sie den Azteken abnehmen, kann er überhaupt keinen Wert beimessen. Dafür erkennt der einfache Mann die zivilisatorischen Leistungen der Indigenen: „Das, was er in wenigen Stunden gesehen hatte, genügte ihm für diese Erkenntnis. Die Indios hatten ein Kanalsystem zum Transport von Waren und Menschen entwickelt, Brücken verbanden unterschiedliche Bezirke, und sie hatten Marktplätze errichtet, auf denen lebhaft gehandelt wurde.“

Kritik an der Expansion des Kapitalismus

Vasquez ist eine Figur, die genau hinschaut und sich einen Maßstab für Menschlichkeit bewahrt. Ihn verfolgt der Autor auf dem Weg zurück nach Spanien, quer durch das Zentrum des neuzeitlichen Weltreiches, in dem die Sonne nicht untergeht und in dem er niemanden findet, der seine Erlebnisse wirklich versteht. Dann begleitet er ihn erneut nach Mittelamerika, wo er zu einem Teil des Landes wird und wo er erkennt, wonach er sich im Innersten am meisten sehnt: nach einem Ort, an dem niemand nach Gold und Reichtum giert.

Alexander Peers kurzer Text über den Beginn der Europäisierung Amerikas ist gekennzeichnet von einer hohen Sachkenntnis, die auf elegante, stimmige Weise vermittelt wird. Die Novelle ist keineswegs eine Abenteuerfantasie, sondern eine Fiktionalisierung von historischem Faktenwissen, verbunden mit einer Kritik an der Expansion des Kapitalismus – alles verpackt in eine klar strukturierte Geschichte vom Schicksal zweier Männer: des legendären, geldgierigen Eroberers und des einfachen, besonnenen Soldaten.

Autor: Thomas Völkner

Alexander Peer: Land unter ihnen, Innsbruck: Limbus Verlag 2011, 126 Seiten, EUR 15,90, ISBN 978-3-902534-45-3.

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