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Peru |

Das Sterben an der Carretera Central

Vor ein paar Wochen starb der kleine William Álvarez in der Nähe von Ticlio an Unterkühlung. Er war mit seiner Mutter nach Pichanaki unterwegs. Schnee blockierte die Straße, der Bus der Firma Lobato blieb stecken und hatte keine Heizung. Die Höhe von mehr als 5.000 Metern und die Kälte waren zuviel für den Jungen. Kein Einzelfall, meint Autor Wilfredo Ardito Vega: Diskriminierung könne man auch an den Straßen Perus erkennen.

Weder in Ticlio noch in einem anderen Ort an der Carretera Central, die von der Hauptstadt Lima quer durchs Land bis in die Bergbaustadt La Oroya führt, gibt es eine Gesundheitsstation, in der wegen Schneefall oder einem Erdrutsch gestrandete Reisende Hilfe erhalten könnten.

Der Tod des kleinen William ist durchaus kein Einzelfall. Vor ein paar Jahren blockierten Arbeiter, die den Bergbaukonzern Doe Run unterstützten, die Carretera Central und es gab Straßenblockaden gegen die Firma Casapalca. Die Folge: Senioren und Kinder sind umgekommen, ebenso Menschen, die auf der Autobahn mit Blaulicht in ein Krankenhaus nach Lima gebracht werden sollten.

Nur wenige Tage nach dem Tod des kleinen William, am 25. Februar, ereignete sich an derselben Landstraße erneut eine Tragödie. Dieses Mal bei San Bartolomé, wo ein Bus der Firma La Perla de Oro in eine Schlucht stürzte. 32 Menschen starben. Der Unfall ereignete sich, als der Busfahrer einem LKW ausweichen wollte, der auf der verkehrten Spur gefahren war. Auf der Carretera Central gibt es - wie auch auf allen anderen Straßen den Bergen der Sierra - nur eine Fahrspur pro Richtung - weswegen derartige Unfälle sehr häufig sind.

Kontrast zur vierspurigen Panamericana an der Küste

Natürlich könnte ein derartiger Unfall niemals jenen widerfahren, die ihren Sommerurlaub an den Stränden von Playas de Asia, in der südlich von Lima gelegenen Provinz Cañete verbringen. Die peruanische Schnellstraße Panamericana Sur hat vier Spuren in jeder Fahrtrichtung, die in der Mitte durch eine dicke Leitplanke voneinander getrennt sind. Der Staat zieht es vor, in die Sicherheit der am besten situierten Menschen des Landes zu investieren und zuckt, angesichts des Schicksals all jener, die die Carretera Central benutzen, nur mit den Schultern.

Wenn man den Erklärungen der staatlichen Funktionäre glauben schenkt, könnte man meinen, das einzige Problem dieser Straße bestehe in den Staus, mit denen all jene Leben müssen, die in Huachipa die Schnellstraße Ramiro Priale nehmen wollen, um nach Chaclacayo oder Chosica in ihre Klubs zu fahren.

Gut ausgebaute Fernstraßen für “Weiße”

Die unterschiedliche Aufmerksamkeit, die man der Carretera Central und der Carreterea Panamericana Sur (auf deren 120 Kilometern) entgegenbringt, spiegelt die Politik wider, die der peruanische Staat den wirtschaftlich Schwachen gegenüber an den Tag legt. Doch könnte man das auch in ethnischen Termini ausdrücken: Sichere Fernstraßen für die Weißen, prekäre Landstraßen für den Rest, für die “cholos”, wie Indigene in den Städten herablassend genannt werden.

Jeder Reisende wird bestätigen, dass die Carretera Central angesichts der Pfade und Buckelpisten, die es sonst noch in der Sierra gibt, etwas sehr Besonderes ist. Es ist offensichtlich: Je weniger wichtig die Bewohner eines Ortes dem Staat erscheinen, desto weniger wird er auch in deren Sicherheit investieren.

Diskriminierung bei staatlichen Investitionen

Ich bin übrigens nicht der Einzige, der eine Beziehung zwischen Diskriminierung und staatlichen Investitionen in die Sicherheit ausmacht: Die Ombudsstelle - ein staatliches Organ, dass darüber wachen soll, dass der Staat die Bürgerrechte einhält - hat in ihrem Bericht zur Diskriminierung festgestellt, dass der peruanische Staat viel mehr Geld in die Sicherheit der Luftfahrt investiert als in den Überlandverkehr. Ungeachtet dessen, dass die Zahl der Reisenden auf dem Landweg um ein Vielfaches größer ist. Aber klar: sie sind auch die weniger Betuchten.

Dasselbe geschieht auch bei der Vorsorge gegen Unfalltote wegen Alkohol am Steuer: Die Kampagne "Amigo Elegido" (Ausgewählter Freund) des Verkehrsministeriums richtet sich an die Mittel- und Oberschicht. Als würde es nichts ausmachen, wenn die anderen einfach weiter sterben.

Wer es sich leisten kann, fliegt

In den ersten Monaten der noch amtierenden Regierung gab das Verkehrsministerium bekannt, dass man alternative Routen zur Carretera Central bauen werde, auf denen man von Huacho oder Cañete nach Huancayo gelangen könnte. Jahre später sind diese Straßen immer noch nicht fertig oder in einem derart jämmerlichen Zustand, dass alle, denen ihr Leben lieb ist, sie tunlichst meiden.

Die häufigen Todesfälle an der Carretera Central zeigen deutlich die Dringlichkeit, diese Straße zu verbreitern, ebenso wie die Notwendigkeit, alternative Routen auszubauen. Dies müsste für jede Regierung Priorität haben. Doch bei der Mehrzahl derer, die in unserem Land die Entscheidungen fällen, stehen andere Themen auf der Agenda. Und vor allem ist es ihnen jederzeit möglich, ein Flugzeug nach Jauja zu nehmen und die Probleme jener, die sich über die Landstraße quälen, zu vergessen.

Autor: Wilfredo Ardito Vega in Adital; deutsche Bearbeitung: Bettina Hoyer

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