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Venezuela |

Chávez soll aus Krankenbett unvereidigt weiter regieren

Nach tagelangem Hin- und Her hat die venezolanische Regierungspartei am 5. Januar die Reihen geschlossen und bekannt gegeben, dass der schwer krebskranke Hugo Chávez auch ohne Vereidigung weiterhin die Präsidentschaft ausübt. Die von der Verfassung für den 10. Januar festgesetzte Vereidigung sei ein „wertloser Formalismus“, sagte Vizepräsident Nicolas Maduro. Und der am 5. Januar erneut als Parlamentspräsident vereidigte Diosdado Cabello betonte unter Berufung auf die Verfassung, Chávez könne statt vor dem Parlament auch vor dem Obersten Gerichtshof seinen Schwur ablegen, wann und wo sei egal. Wer etwas dagege habe, stelle sich dem Volk entgegen, das für seinen Präsidenten auf die Straße gehen werde. „Es gibt keinerlei Versöhnung mit der perversen Rechten“, erklärte er unter Anspielung auf die Opposition, die auf den 10. Januar pocht und Klarheit verlangt über den Zustand des Präsidenten.

Die chavistische Regierungspartei PSUV, die bei den Parlamentswahlen zwar nur 48 Prozent der Stimmen, durch die vorherigen Wahlrechtsänderungen aber die Mehrheit der Sitze errungen hatte, schlug sich trotz der Proteste der Opposition sämtliche Ämter des Parlamentsvorsitzes zu. „In einer wahren Demokratie hätte die Partei mit den meisten Stimmen auch die meisten Sitze, zumindest aber gebührte uns das Amt des Parlamentsvize“, sagte der oppositionelle Abgeordnete Ismael García unter Buhrufen der Chavistas, die die Besuchertribüne eingenommen hatten und sozialistische Parolen brüllten.

Seit 10. Dezember nicht mehr in der öffentlichkeit gesehen

Die PSUV, die 97 von 165 Sitzen innehat, lehnte dies jedoch rundheraus ab. Sie stelle die Mehrheit und repräsentiere den Willen des Volkes, so Cabello. Bei der Vereidigung des 49-jährigen Militärs war auch Vizepräsident Maduro anwesend, der als interner Gegenspieler Cabellos gilt. Nach einer Blitzreise der beiden nach Havanna, in der offenbar ein Stillhaltepakt geschlossen wurde, demonstrierten die beiden am 5. Januar Einheit: „Wir sind beide Söhne von Chávez", sagte Cabello.

Die Kontrolle des Parlaments ist deshalb wichtig, weil der Parlamentspräsident die Amtsgeschäfte übernimmt und Neuwahlen anberaumt, falls Chávez verstirbt oder sich als nicht mehr regierungsfähig erweist. Seit seiner Abreise zur vierten Krebs-OP nach Kuba am 10. Dezember wurde er nicht mehr in der öffentlichkeit gesehen. Von seinem Kabinett kamen widersprüchliche Angaben über seinen Zustand. Zunächst hieß es, er habe zwar Fieber, erhole sich aber planmäßig, gebe seinen Ministern Anweisungen und mache Sport. Danach war von einer schweren Atemwegsinfektion und Lungenentzündung die Rede. „Wie kann man von einem Krankenbett in Kuba aus, bewusstlos und angeschlossen an ein Beatmungsgerät, ein Land regieren?“ fragten sich venezolanische Twitterer am 6. Dazember.

Opposition fordert Entsendung einer Kommission

Die Opposition forderte deshalb die Entsendung einer Kommission, die sich vom wahren Zustand des Staatschefs ein Bild machen soll; die Ärztekammer des Landes bot sich bereits dafür an. Die offiziellen Erklärungen seien inkohärent und sorgten für Aufregung in der Bevölkerung, erklärten die Fachleute. Die Verfassung sieht vor, dass bei der Abwesenheit durch Tod, Rücktritt oder Absetzung oder durch eine von Ärzten festgestellte Regierungsunfähigkeit des Staatschefs innerhalb von 30 Tagen Neuwahlen anberaumt werden müssen. Das Ärztekomitee wird vom Obersten Gericht benannt und vom Parlament bestätigt. Beide Instanzen sind unter der Kontrolle der Regierungsanhänger. Maduro zufolge trifft jedoch keiner der beiden Fälle auf Chávez zu, der sich in den vergangenen eineinhalb Jahren vier OPs, vier Chemotherapien und sechs Bestrahlungzyklen unterziehen musste und nach Berechnungen der Opposition 2012 rund 200 Tage außer Landes war.

Dass es nicht gut um ihn steht, ließ Chávez jedoch vor seiner Abreise durchblicken, indem er Maduro öffentlich zum Nachfolger ernannte. Der ehemalige Gewerkschaftsführer vertritt den zivilen Flügel des "Chavismo" und gilt als Vertrauensmann der Kubaner. Offenbar soll der Machtwechsel aber noch weiter hinausgezögert werden, warum, ist unklar. Die Opposition gilt nach ihren Niederlagen bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober und den Regionalwahlen im Dezember als angeschlagen; der Mitleideffekt mit dem populären Chávez würde momentan Maduro wahrscheinlich in die Präsidentschaft hieven, so der Meinungsforscher Luis Vicente Leon. Je länger man damit wartet, desto mehr verpufft er – und die wirtschaftliche Lage wird immer problematischer - sagt der ehemalige Direktor der Zeitschrift Foreign Policy, Moises Naim. Das Haushaltsdefizit, die Devisen- und Güterknappheit und der blühende Schwarzmarkt machten eine Abwertung der Währung Bolívar unausweichlich. Die Produktionskapazitäten lägen aufgrund der Enteignungen und staatlichen Interventionen am Boden, inzwischen müsse der Erdölstaat Venezuela sogar Benzin re-importieren.

Autorin: Sandra Weiss

Versammlung der Vereinigten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV). Foto: Que Comunismo!

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