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Ecuador |

Blumen statt Lebensmittel

Im Norden Ecuadors, in der Rockfalte eines Vulkans auf fast 3.000 Meter Höhe, liegt die Gemeinde Pijal. Die indigene Bevölkerung blickt von dort hinunter auf fruchtbares Land, Flüsse, den See San Pablo – und besitzt selbst kaum Land und leidet unter Wassermangel. Ein Interview mit Benjamín Inúca, dem ehemaligen Vorsitzenden der "Förderation der Indigenen und Campesinos von Imbabura" (FICI).

Wie sieht die Situation in der Gemeinde Pijal aus?

Meine Gemeinde befindet sich etwa 80 Kilometer nördlich von Quito und liegt etwa 2.800 Meter über dem Meeresspiegel in den Bergen. Das ist mehr oder weniger die Grenze, auf der Mais gerade noch angebaut werden kann und ab dieser Höhe werden Kartoffeln angebaut. In Pijal leben ungefähr 4.000 Menschen. Wir gehören zur Ethnie der Kayambi.

Der größte Teil der Bevölkerung verdingt sich als Arbeiter in den Blumenplantagen oder auf dem Bau. Seit einigen Jahren arbeiten auch die meisten Frauen außer Haus. Das war früher nicht so. Insgesamt schafft das viele soziale Probleme, zurückgelassene Familien und auf sich selbst gestellte Kinder, manchmal auch völlig zerrüttete Familien. Die Ursachen liegen in der Nutzung, aber vor allem in der Ausbeutung der Arbeitskraft durch Unternehmen.

Warum verlassen die Frauen ihre Häuser zum Arbeiten?

Eine Familie kann nicht überleben, wenn Mann und Frau keine Lohnarbeit verrichten. Das betrifft vor allem junge Leute und frisch verheiratete Paare. Laut Warenkorb der Grundversorgung benötigt eine Familie aus zwei Erwachsenen und einem Kind 540 Dollar.

Der staatliche Monatslohn beträgt 240 US-Dollar. Aber dieser Begriff ist dehnbar und der Mindestlohn ist nur für staatliche Stellen verpflichtend. Nur wer eine gute Ausbildung hat, wird diesen Lohn auch erhalten. Alle anderen werden mit Löhnen um die 150 Dollar abgespeist, denn es gibt ein Überangebot an Arbeitskräften.

Könnten die Menschen nicht in der Landwirtschaft arbeiten?

Es gibt innerhalb der Gemeinden Land, aber es ist zu wenig, um davon noch eine Familie ernähren zu können. Die Gegend ist bergig und unser Land befindet sich in höheren Lagen. Ich selbst habe zwei kleine Felder, jedes etwa 120 mal 30 Meter groß, auf dem wir wenigstens etwas für den Eigenkonsum anbauen: Mais, Bohnen, Erbsen und Kürbis. Das reicht für höchstens acht Personen.

Das Land um die Gemeinde herum gehört also nicht denen, die in den Dörfern leben?

Nein. In der Gegend der Kayambi befinden sich noch immer fast 90 Prozent des Grund und Bodens im Privatbesitz von rund fünf Prozent der Bevölkerung. Und etwa 80 Prozent der Bevölkerung teilen sich rund 7 Prozent der Flächen. Deshalb sind wir, bevor es die Blumenplantagen gab, in die Stadt gefahren, um dort Arbeit zu suchen. Die Plantagen sind näher, das stellt immerhin eine Verbesserung dar, das ändert aber nichts am Grundproblem.

Seit wann gibt es diese Blumenfelder?

Die Plantagen für den Export von Blumen gibt es erst seit etwa zehn bis 15 Jahren. Sie tauchten etwa zu jener Zeit auf, als unsere indigene Bewegung zu fordern begann, dass Land, das keinem sozialen Zweck dient und brach liegt, der indigenen Bevölkerung übereignet werden soll. Daraufhin wurde das Land in Teilen verkauft beziehungsweise zu Blumenplantagen gemacht. Das ging sehr schnell. Es ist jenes Land, das uns vor mehreren hundert Jahren aus den Händen gerissen wurde. Nun gehen unsere Leute dort arbeiten.

Wenn die Gemeinden so weit oben liegen, wie sieht es dann mit der Wasserversorgung aus?

Das ist ein anderes, großes Problem, denn faktisch gibt es sie nicht. Es gibt eine Leitung für mehrere Gemeinden. Jeder Gemeinde ist es nur an einem bestimmten Tag gestattet, den Hahn aufzudrehen. Intern haben wir das noch stundenweise eingeteilt, um Konflikte möglichst zu vermeiden.

Bewässerung ist auch in der Landwirtschaft das große Problem. Mit der Aussaat müssen wir auf den Regen warten. Wenn es nicht regnet, gibt es schlechte Ernten. Wir können praktisch nicht bewässern, obwohl es – weiter unten – viel Wasser gibt.

Deshalb träume ich von einer unabhängigen Energieversorgung für unsere Gemeinden, so dass wir in der Lage sind, Wasser nach oben zu unseren Feldern und Häusern zu pumpen, ohne dabei auf eine schlechte staatliche Versorgung oder transnationale Unternehmen angewiesen zu sein. Das zeigt mir auch immer wieder, dass Bildung sehr wichtig ist. Viele Ideen für gemeinschaftliche Projekte zur Verbesserung der Situation scheitern leider daran, dass uns neben den finanziellen Mitteln auch das notwendige Wissen fehlt.

Das Gespräch führte Bettina Hoyer.

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