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Bildungsreform: Ein Anfang ist gemacht

Paraguays Präsident Horacio Cartes hat sich mit Schülern, Studenten und Lehrern seines Landes auf Reformen im Bildungssystem geeinigt. Foto: Casa de América, CC BY-NC-ND 2.0.
Paraguays Präsident Horacio Cartes hat sich mit Schülern, Studenten und Lehrern seines Landes auf Reformen im Bildungssystem geeinigt. Foto: Casa de América, CC BY-NC-ND 2.0.

Neun Tage lang haben die Schüler und Lehrer von über 100 Schulen in Paraguay protestiert und gestreikt. Ihr Ziel: Eine umfassende Bildungsreform, die ein qualifiziertes und gerechtes Bildungssystem in dem südamerikanischen Land etabliert. Auch als die Bildungsministerin Marta Lafuente, wie von viele Demonstranten gefordert, zurückgetreten ist, gingen die Protesten im ganzen Land weiter.

Am Mittwoch, 11. Mai 2016, kam es dann zu dem lange verlangten Treffen mit dem paraguayischen Präsidenten Horacio Cartes. Die Schüler, Studenten und Lehrer hatten mehr als eine Woche deutlich gemacht, welche Macht sie besitzen, wenn sie sich zusammentun. Cartes bliebt nichts anderes übrig, als sich mit den Vertretern des Bildungssektors zusammenzusetzen und endlich auch auf ihre Forderungen einzugehen.

Cartes kommt Studenten und Schülern entgegen

Nach den Verhandlungen zwischen dem neuen Bildungsminister Enrique Riera, Präsident Horacio Cartes und 30 Vertretern der unterschiedlichen nationalen Bildungsorganisationen war der Grundstein für eine umfassende Reform gelegt. Cartes und Riera erklärten sich damit einverstanden, den Notstand für die Infrastruktur einiger der Schulen und Bildungsinstitutionen auszurufen. Dies ermöglicht die umgehende Allokation von zusätzlichen Geldern für die Instandsetzung veralteter Gebäude. Darüber hinaus sicherte das Staatsoberhaupt zu, die Resolution 4.613 wieder zurückzunehmen. Diese hatte Schülern, Studenten und Eltern das Mitspracherecht im Bildungssektor entzogen und die Entscheidungsmacht an eine übergeordnete Kommission gegeben.

Mit der Einigung, die per Dekret erlassen wird, haben die Demonstranten einige ihrer zentralen Punkte durchsetzen können und feierten die Gespräche als großen Erfolg. "Wir haben es geschafft! Wir haben bekommen, was wir wollten", sagte die Vorsitzende der Nationalen Studentenvereinigung Camila Benites im Anschluss an die Unterzeichnung auf einer Pressekonferenz. Sie machte allerdings auch deutlich, dass dies erst der Anfang sei. Die Schüler beendeten den Streik und kehrten wieder zurück, in die Klassenräume, wollen aber weiter für eine bessere Bildung kämpfen. Zu dem Abkommen gehört auch die Vereinbarung, dass es in der Zukunft einmal im Monat Treffen mit dem Präsident und dem Bildungsminister geben wird, um weitere Defizite zu identifizieren und eine umfassende Reform voranzubringen.

Tradition der niedrigen Priorität

Denn die neun Tage Streik und Proteste waren nur die Spitze des Eisbergs. Bereits im vergangenen September sind Studenten, Schüler und Lehrer auf die Straßen gegangen. Auslöser war damals der Einsturz einer Wand einer Grundschule in Asunción. Erstmals traten öffentliche und private Schulen gemeinsam auf. In den Medien wurde dies als historisch bezeichnet. Die einstürzende Wand stand symbolisch für alles, was im paraguayischen Bildungssystem im Argen liegt.

Neben den veralteten Schulgebäuden ist dies vor allem die niedrige Priorität, die Bildung für die paraguayische Regierung hat. Dies hat seit der Zeit Alfredo Stroessners Tradition. Stroessner senkte Bildungsausgaben damals zu Gunsten von Investitionen in die Wirtschaft auf 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und kürzte die Gehälter für Lehrer drastisch. Zwar gab es nach dem Ende der Herrschaft Stroessners 1989 Verfassungsänderungen, die die Bildung mehr in den Fokus rückten und Investitionen steigern sollten - in der Praxis ist dies jedoch nur sehr langsam vollzogen worden. Leichte Verbesserungen hat es vor allem durch die Millennium Development Goals und die damit einhergehende regelmäßige Überprüfung der Bildungsindikatoren gegeben.

Zu wenig Geld für Bildung

In diesem Zusammenhang wurde deutlich, wie marode das Bildungssystem in Paraguay ist. 2012 schnitt das südamerikanische Land in einem internationalen Vergleich extrem schlecht ab. Bei einem Bericht des Internationalen Wirtschaftsforums kam ans Tageslicht, dass zwar die meisten paraguayischen Kinder die Grundschule besuchen, der Unterricht aber qualitativ schlecht ist. Im Zusammenhang mit der höheren Bildung kam die internationale Organisation zu ähnlichen Ergebnissen, zumal nur ein geringer Prozentsatz der Paraguayer überhaupt eine weiterführende Schule besucht.

Dies lag dem Forum zufolge nicht nur an den mangelnden Investitionen in die Ausstattung von Schulen, sondern auch an einer schlechten Ausbildung für das Lehrerpersonal. Besonders der Unterricht von Naturwissenschaften und Mathematik stand im Vergleich schlecht da. Dies schlug sich ebenfalls in den Indikatoren für die Millennium Development Goals nieder. Paraguay gehörte in jedem jährlichen Bericht zu den Schlusslichtern der Region.

Wirtschaft vor Bildung

Um diese Faktoren der Bildung maßgeblich und langfristig zu verbessern, wird die Regierung von Horacio Cortes deutlich mehr Geld in die Hand nehmen müssen, auch wenn offiziellen Angaben zufolge der Haushalt knapp gestrickt ist und, wie schon so häufig in Paraguay, die Bildung hinter Investitionen in Wirtschaftsmaßnahmen zurückstecken musste.

Aktuell investiert die Regierung ca. 3,5 Prozent des BIP in Bildung und Kultur, die UNESCO hält mindestens sieben Prozent für angemessen. Diese Forderung wurde auch von den Studenten und Schülern geäußert und so wie es derzeit aussieht, werden sie keine Ruhe geben, bis dieses Ziel in greifbare Nähe rückt.

Autorin: Anna-Maria Jeske, Foto:Casa de América,CC BY-NC-ND 2.0.

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