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Nicaragua |

Beziehungen zwischen Vatikan und Nicaragua liegen auf Eis

Lange hat sich Papst Franziskus vergeblich um eine diplomatische Verständigung mit Nicaraguas Machthaber Daniel Ortega bemüht. Nun verfolgt das Kirchenoberhaupt notgedrungen einen neuen Ansatz: öffentliche Konfrontation.

Eine Demonstration in Managua am 28. Juli 2018 zur Unterstützung der Bischöfe Nicaraguas. Sie sind vermummt aus Angst erkannt zu werden und dann Repressalien zu erleiden. Foto: Adveniat/Klaus Ehringfeld

Ausgerechnet unter einem lateinamerikanischen Papst sind die Beziehungen zwischen dem Vatikan und Nicaragua auf einem historischen Tiefpunkt angelangt. Dabei hatte Franziskus in den vergangenen Monaten alles versucht, um den Gesprächsfaden zum sandinistischen Regime nicht abreißen zu lassen. Trotz zunehmender Unterdrückung in dem bitterarmen Land bemühte sich der Heilige Stuhl unermüdlich um einen Dialog mit Machthaber Daniel Ortega. Aufgegangen ist die Strategie nicht. Im Gegenteil: Die katholische Kirche in Nicaragua geriet zuletzt immer mehr in Bedrängnis.

Ein Höhepunkt der staatlich gelenkten Verfolgung war Mitte Februar das Urteil gegen den regierungskritischen Bischof Rolando Alvarez. Im Schnellverfahren wurde er zu 26 Jahren Gefängnis verurteilt. Der zuständige Richter bezeichnete Alvarez als "Landesverräter", der sich des "Ungehorsams" schuldig gemacht habe. Kurz zuvor hatte sich der 56-Jährige geweigert, gemeinsam mit mehr als 200 anderen politischen Häftlingen eine Chartermaschine in Richtung USA zu besteigen. Ortega ließ seiner Wut freien Lauf und beschimpfte den Geistlichen in einer Rede als "verrückt". Nur Stunden später folgte der drakonische Richterspruch, der international für Schlagzeilen und Empörung sorgte.

Ohrenbetäubende Stille beendet

Papst Franziskus sah sich gezwungen, seine Zurückhaltung in Sachen Nicaragua aufzugeben. Am Sonntag nach dem Urteil erklärte er sich beim Mittagsgebet auf dem Petersplatz vor aller Welt solidarisch: "Die Nachrichten aus Nicaragua haben mich tief betroffen gemacht." Er bete für den Bischof von Matagalpa, den er sehr schätze, und für alle anderen Leidtragenden.

Damit reagierte der Papst nicht zuletzt auf Stimmen, die ihm vorwarfen, sich nicht eindeutig hinter Alvarez und die anderen festgenommenen Priester zu stellen. Das lange päpstliche Schweigen dazu war für viele Beobachter irritierend. Alvaro Leiva, Leiter der nicaraguanischen Vereinigung für Menschenrechte (ANPDH), schrieb eigens einen Brief an das Kirchenoberhaupt und merkte an: "Es gibt wenige Dinge, die so ohrenbetäubend sind wie die Stille." Manche Kommentatoren machten bei dem Argentinier, dem eine gewisse Nähe zur Befreiungstheologie nachgesagt wird, gar eine politisch motivierte Beißhemmung aus.

Derlei Unterstellungen trat Franziskus nun umso deutlicher entgegen. In einem viel beachteten Interview des Portals "Infobae" verglich er das linksgerichtete Regime in Managua "mit der kommunistischen Diktatur von 1917 oder der Hitler-Diktatur von 1935". Man könne die Führungsfigur in Nicaragua nur für eine unausgeglichene Person halten, sagte Franziskus, ohne den Namen des sandinistischen Präsidenten zu nennen.

Ortegas Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Nicaragua hat die diplomatischen Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl offiziell ausgesetzt. In einer Erklärung des Außenministeriums vom Sonntag wird der Kirche vorgeworfen, in den "terroristischen Putschversuch" von 2018 verwickelt zu sein.

Kirche: bevorzugtes Ziel der Repressionen

Tatsächlich markiert dieses Jahr den Beginn der Dauerkrise in dem mittelamerikanischen Land. Seit damals Pläne für Steuererhöhungen und Rentenkürzungen eine gewaltige Protestwelle auslösten, gibt es die Menschenrechte nurmehr auf dem Papier. Fand der Umbau vom Sandinismus zur Diktatur vorher leidlich verdeckt statt, gab sich Ortega schließlich kaum noch Mühe, seinen autokratischen Charakter zu verbergen. Hunderte Tote, Tausende Verletzte sind die Bilanz der Unruhen. Zehntausende "Nicas" sind ins Ausland geflohen.

Und die Repression gegen Regierungsgegner nimmt weiter zu. Bevorzugtes Ziel ist die Kirche, die wiederholt willkürliche Festnahmen, Folter sowie außergerichtliche Hinrichtungen anprangerte und Verfolgten Zuflucht gewährte. Wortgewaltiger Anführer des Widerstands war zunächst Managuas Weihbischof Silvio Baez, den der Papst 2019 wegen Morddrohungen ins Exil beorderte. "Ich will keinen neuen Märtyrer-Bischof in Lateinamerika", soll ihm Franziskus gesagt haben. Nur widerwillig und "im Geiste des Gehorsams" verließ Baez seine Heimat. Die Entscheidung habe sein "Herz weinen lassen".

Zum neuen Widersacher Ortegas stieg in der öffentlichen Wahrnehmung Bischof Alvarez auf. Ein Bild, auf dem zu sehen ist, wie er Gott auf Knien um Barmherzigkeit für bewaffnete Polizisten bittet, ging um die Welt. Bereits im August wurde er unter Hausarrest gestellt. Der Heilige Stuhl, die USA und Spanien versuchten, eine Freilassung zu erwirken - mit Erfolg. Aber als die Maschine auf dem Rollfeld in Managua bereitstand, weigerte sich Alvarez, das Land zu verlassen. Er habe sich zum Bleiben entschieden, um den Katholiken in Nicaragua beizustehen, heißt es aus seinem Umfeld. Damit wurde er zu jenem politischen Märtyrer, den der Papst nicht haben wollte.

Religionsfreiheit systematisch gekappt

Menschenrechtler zeigen sich besorgt über die Situation in Nicaragua. "Meinungs- und Religionsfreiheit sind im diktatorisch regierten Nicaragua praktisch nicht mehr vorhanden", erklärte der Vorsitzende der Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), Edgar Lamm. "Jetzt sollen auch das öffentliche Gebet und Prozessionen zu Ostern verboten werden." 

Die IGFM verwies auf frühere Berichte über Zwangsschließungen karitativer Organisationen und katholischer Radiosender, Brandschatzungen von Kirchengebäuden, Polizeikontrollen und Störungen von Gottesdiensten sowie von Drohungen gegen Gläubige in Nicaragua. Es sei zu befürchten, dass die Kirche in Nicaragua nun systematisch zum Schweigen gebracht werden soll, so die Menschenrechtsexperten. So würden immer mehr Fälle von Priestern bekannt, die verhaftet werden, weil sie in ihren Gottesdiensten auf das Schicksal von Bischof Alvarez hinweisen. Die IGFM forderte die Regierung von Präsident Ortega auf, die Religionsfreiheit zu achten, den Christen im Land die Glaubensausübungen während der Karwoche ohne Einschränkungen zu ermöglichen und die inhaftierten Geistlichen sowie alle politischen Gefangenen freizulassen.

Autor: Alexander Pitz/KNA

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