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Kolumbien |

Alles anders als geplant - Migrantinnen in Spanien

In Spanien leben derzeit rund 290.000 Migranten aus Kolumbien, die Hälfte davon sind Frauen. Warum tun sie diesen Schritt und wie leben sie? Anders als sie dachten, so die Antwort der Autorin Ángela Castellanos Aranguren.

“Ich bin 1994 weggegangen, um mich in anderen Feldern der Bildenden Kunst umzusehen. Eigentlich wollte ich nur ein Jahr dort zu bleiben. Ich konnte bei einem Kulturzentrum der Universität Granada arbeiten, verliebte mich, bekam ein Kind. Später trennte ich mich von meinem Partner und lebte acht Jahre in Barcelona", erzählt Lia Guerrero. Sie hat einen Abschluss in sozialer Kommunikation und wohnt derzeit wieder in Granada.

Weggehen um besser zu verdienen

Während der letzten zehn Jahre führte eine große Migrationswelle dazu, dass im Jahr 2005 rund 3,3 Millionen Kolumbianer außerhalb ihres Landes lebten. Eines der häufigsten Zielländer ist Spanien. Die Zahl der kolumbianischen Migranten stieg in Spanien von rund 5.600 Personen im Jahr 1992 auf knapp 290.000 im Jahr 2010. Die Hälfte der kolumbianischen Migranten in Spanien sind Frauen, die aus wirtschaftlichen Gründen migrieren oder um dort einen höheren Bildungsabschluss (38 Prozent) zu machen.

Diese Angaben entstammen dem kürzlich veröffentlichten “Bericht über globale Migration von Frauen aus dem Andenraum 2010”. Der Bericht ist Teil eines Forschungsprojekts, dass Verbesserungen im Umgang mit den Migrationsströmen von Haushaltshilfen aus Bolivien, Kolumbien, Ecuador und Peru nach Europa, vor allem nach Spanien, zum Ziel hat.

“Die Ergebnisse aus den vier Andenstaaten verdeutlichen, dass Menschen aus wirtschaftlichen Gründen migrieren. Auch wenn sie in Europa mehr arbeiten müssen - die Migranten gehen davon aus, dass sie dort bessere Bedingungen vorfinden und mehr verdienen werden”, erklärt Ceciola Barraza, Leiterin der kolumbianischen Sektion der Organisation Corporación Humanas, die an der Erstellung der Studie beteiligt war. “Der bewaffnete Konflikt ist demnach nicht der Hauptgrund dafür, Kolumbien den Rücken zu kehren", ergänzt sie.

Verdienst reicht nicht für Rücküberweisungen

Lia Guerrero fand Möglichkeiten im Kunst- und Kulturbereich zu arbeiten. Nur einmal musste sie als Babysitterin arbeiten. Doch die Arbeit als Haushaltshilfe ist laut der Untersuchung die häufigste Tätigkeit von Frauen, die nach Spanien emigrieren. Dabei ist der Begriff sehr weit gefasst: Die Migrantinnen übernehmen Aufgaben der Altenpflege, der Kinderbetreuung sowie die Reinigung öffentlicher Räume oder von Privathaushalten.

Genug Geld, um etwas von ihrem Verdienst zurück in die Heimat zu schicken, habe sie trotzdem nicht verdient, unterstreicht Guererro. Zudem würden die Spanier nicht viel auf die akademische Ausbildung oder das intellektuelle Niveau von Migranten geben. Stattdessen würden Menschen danach eingeschätzt, aus welchem Land sie kämen, erklärt die Kolumbianerin. "Wir glauben dir weniger, weil du aus einem Land aus der dritten Welt kommst", sei die Haltung der Spanier. „Die Institutionen mögen zwar sehr transparent scheinen, doch die Menschen, die dort arbeiten, vertreten diese Ansicht", kritisiert sie.

Damit rechnen Migranten nicht. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass “die meisten Migrantinnen sehr uninformiert darüber sind, was für ein Migrationsprozess auf sie zukommt. Sie vertrauen dabei auf familiäre und persönlich Netzwerke und zählen kaum auf Einrichtungen oder Behörden für Migranten”. Wenn es sich zudem noch um illegale Migranten handelt, fehlt ihnen nicht nur das Wissen über den Migrationsprozess, sondern sie glauben zudem, dass sie keine Rechte hätten, weil sie sich illegal im Land befinden.

Illegale Migrantinnen kennen ihre Recht nicht

Dies habe große Auswirkungen, erklärt die Leiterin der kolumbianischen Sektion der Organisation Corporación Humanas: “Zum Beispiel suchen illegale Migrantinnen keine Einrichtungen auf, wenn sie Opfer von häuslicher Gewalt werden, denn sie haben Angst, abgeschoben zu werden. Darum konzentriert sich unser Projekt auf die Menschenrechte, auf Rechte, die alle einfordern können, selbst wenn sie illegal im Land sind."

Auch Guererro kann diese Erfahrung bestätigen. Der Vater ihres Kindes habe ihr dabei geholfen, in die Sozialversicherung zu kommen. "Viel hängt davon ab, welche Informationen jemand hat und welche Ausbildung und Kenntnisse die Menschen haben, die dich umgeben”, unterstreicht sie.

In Spanien gibt es derzeit einige Frauenvereine und Gruppen, die migrantische Frauen mit Rechtsberatung unterstützen oder einfach nur Raum für gegenseitigen Austausch bieten. Bis Anfang 2009 waren rund 209.000 Kolumbianerinnen im Netzwerk andiner Frauen organisiert, erklärt Barazza. Vor allem seien die Netzwerke in Madrid, Barcelona, Valencia und Alicante sehr aktiv.

Aus Rückkehrwunsch wird zirkuläre Migration

Ein anderes Ergebnis der Studie ist, dass viele Frauen vor ihrer Abreise erklären, sie wollten zurückkehren. Das sei vor allem dann der Fall, wenn die eigenen Kinder in Kolumbien zurückbleiben: "Das macht deutlich, dass den Frauen zunehmend bewusster wird, dass es mit Rücküberweisungen von Geld allein nicht getan ist. Die Mütter haben Angst, dass ihre Kinder auf die schiefe Bahn kommen, wenn sie diese in Kolumbien zurücklassen", so Barraza.

Doch nur wenige kehren zurück und die Zahl derjenigen, die aus Kolumbien weg wollen, wird nicht geringer. Kolumbianer bildeten 2009 zahlenmäßig in Spanien die zweitgrößte Migrantengruppe - für das im selben Jahr erstellte Rückkehrerprogramm haben sich jedoch nur 800 Personen eingetragen.

Wer zurückgeht, tut dies meist aus persönlichen Gründen. Luz Eugenia Sierra, die fast zehn Jahre in Spanien gelebt hat sagt, sie sei aus gesundheitlichen Gründen zurückgegangen. “Meine Familie hat mich eigentlich fast dazu gezwungen”, erklärt die Rückkehrerin. Sie hatte zwar eine spanische Sozialversicherung, doch fast ihre gesamte Familie lebt in Kolumbien.

Gesetzgebung geht an Lebensrealitäten vorbei

Der Rückehrplan der spanischen Regierung sei für sie unattraktiv, erklärt Sierra. Denn der Plan sieht vor, dass die Migranten sich verpflichten, für mehrere Jahre nicht nach Europa zurückzukehren. Sie aber sei aus gesundheitlichen Gründen nach Kolumbien gegangen und wollte später wiederkommen. “Ich bin ein paar Monate später nach Spanien zurückgegangen und habe eine Ausbildung in Internationaler Kooperation und Management beendet", erklärt sie.

Europa versuche zwar den Zugang von Menschen zu begrenzen, die von außerhalb stammen, doch dies verschiebe nur die Probleme, so Barraza. "Wir nähern uns einer Situation an, in der die Menschen nicht Bürger eines Landes sind, sondern Bürger der Erde.”

Autorin: Ángela Castellanos Aranguren in Adital (Originalartikel von Semlac), deutsche Bearbeitung Bettina Hoyer

 

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