Abtreibungsdebatte: Ein liberales Gesetz spaltet die Nation
Mehrere tausend Menschen sind in der chilenischen Hauptstadt Santiago in dieser Woche erneut auf die Straße gegangen. "Die Frauen unterstützen die freie, sichere und kostenlose Abtreibung in Chile", sagte eine Organisatorin der Demonstrationen gegenüber lokalen Medienvertretern. Der Protestzug setzte sich überwiegend aus Frauen zusammen, die sich besorgt zeigten, dass die Entscheidung zur Lockerung des Abtreibungsgesetzes noch einmal verschoben werden könnte. Denn aus dem eigentlich schon verabschiedeten Gesetz ist wieder eine Hängepartie geworden.
Die katholische Kirche in Chile hatte sich zuvor eindeutig positioniert und die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen als Anschlag auf das Leben verurteilt. Der chilenische Bischof Francisco Javier Stegmeier Schmidlin aus Villarrica warnte in einem Interview des kirchlichen Pressedienstes Fides in dieser Woche davor, dass nach dem Abtreibungsgesetz noch "schlimmere Dinge kommen könnten".
Zuvor hatte eine Marathon-Debatte den Weg für eine umstrittene Gesetzesänderung geebnet. Nach mehr als 15 Stunden Debatte hatte vor einer Woche eine Gesetzesinitiative der Regierung von Präsidentin Michelle Bachelet zur Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen den Senat passiert. Nur wenig später trat der Kongress wieder auf die Bremse.
Todesfälle bei illegalen Schwangerschaftsabbrüchen
Zur Zeit sind Abtreibungen in dem südamerikanischen Land noch illegal. Chilenische Medien berichteten in der Vergangenheit über dramatische Unfälle bei heimlich vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüchen, dabei soll es immer wieder auch zu Todesfällen gekommen sein.
Bachelet hatte sich in ihrem Wahlkampf für eine entsprechende Neuregelung stark gemacht. Nachdem der Senat und die Abgeordnetenkammer nun ihre Zustimmung gegeben haben, muss das Gesetz noch in dritter Lesung das Parlament passieren.
Kritik an Neuregelung von Kirche und Konservativen
Die katholische Kirche als auch konservative Politiker kritisieren die neue Regelung scharf. Sie bedeute die Tötung ungeborenen Lebens. Die Senatoren mussten über jeden der drei möglichen Gründe abstimmen, mit der künftig ein Schwangerschaftsabbruch begründet werden kann. Bei Vergewaltigung (18:16 Stimmen), Lebensgefahr für die Mutter (20:14) und unheilbaren tödlichen Erkrankungen des Fötus (19:14) setzten sich die Befürworteter der Bachelet-Initiative durch.
Nun befürchten sie, dass ihnen die Zeit davonlaufen könnte. Bereits im November finden Präsidentschaftswahlen in dem südamerikanischen Land statt. Bachelet darf gemäß der Verfassung nicht wieder antreten. Aussichtsreicher Kandidat ist ihr Vorgänger, der rechtskonservative Unternehmer Sebastian Pinera, der zuletzt damit liebäugelte, das Gesetz scheitern zu lassen.
Strenges Abtreibungsverbot seit Militärdiktatur
Ein Gesetz, das Ausnahmen zuließ, wurde 1989 in den letzten Monaten der chilenischen Militär-Diktatur abgeschafft. Seitdem stehen auf illegale Schwangerschaftsabbrüche Gefängnisstrafen. Nach Schätzungen der UN werden in Chile jährlich zwischen 60.000 und 70.000 illegale Abtreibungen vorgenommen. Laut Amnesty International sind Abtreibungen in Lateinamerika ansonsten noch in Honduras, Haiti, Nicaragua, El Salvador, der Dominikanischen Republik und Surinam verboten.
Quelle: KNA, Autor: Tobias Käufer