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60 Jahre Kathedrale von Brasilia - Niemeyers Meisterwerk

Der Innenraum der Kathedrale von Brasilia. Foto: Adveniat/Jürgen Escher
Der Innenraum der Kathedrale von Brasilia. Foto: Adveniat/Jürgen Escher

"Ich wollte eine Kathedrale mit einer Bewegung, einem Schwung nach oben erschaffen. Eigentlich eine ganz logische Idee, wenn man über Gott nachdenkt, nicht wahr?" 16 Betonsäulen, zusammen 90 Tonnen schwer, gekrümmt wie Bumerangs und kreisförmig angeordnet, wachsen aus dem Boden dem Himmel entgegen. 16 Zacken, die drohend in den Himmel greifen. Vielleicht eine Dornenkrone?

Vor 60 Jahren, am 12. September 1958, wurde der Grundstein für die "Catedral Metropolitana Nossa Senhora Aparecida", die "Kathedrale unserer lieben erschienenen Frau", gelegt. Hinter dem Meisterwerk steckt Oscar Niemeyer (1907-2012) - ausgerechnet ein bekennender Atheist. "Viele können sich nicht vorstellen, wie wir das gebaut haben. Aber wir haben aus Stahlbeton vor Ort die Säulen gegossen und dann ineinander gehängt. Ganz einfach", so Niemeyer. "So geht eben Architektur." Doch ganz so einfach war es nicht. Binnen fünf Jahren wollte Brasiliens Präsident Juscelino Kubitschek damals die neue Hauptstadt im Herzen Brasiliens aus dem Boden stampfen. Als die im April 1960 fertig war, stand von Niemeyers Kathedrale gerade mal das Säulengerüst. Kubitschek habe die Finanzierung gestoppt, weil er eigentlich eine ökumenische Kirche wollte, sagt man. Fast zehn Jahre lang ruhte der Bau, bis schließlich die katholische Kirche einsprang.

Dunkelheit und Licht

 

Wer den in die Erde versenkten, höhlenartigen Innenraum der Kathedrale betreten will, muss erst einer dunklen Rampe hinabfolgen. Macht sich hier ein Atheist über Himmel und Hölle lustig? Treibt er ein Spiel mit der tief in uns liegenden Sünde, der das durch die Bleiglasfenster hereinströmende Licht göttliche Erlösung bringt? Vom Kuppeldach ließ Niemeyer drei von Alfredo Ceschiatti entworfene "schwebende Engel" abhängen. Der brasilianische Bildhauer schuf auch die rund drei Meter hohen Evangelistenfiguren am Eingang. Im Innenraum findet sich neben einer Replik von Michelangelos vatikanischer Pieta auch eine Kreuzwegdarstellung des brasilianischen Malers Emiliano Di Cavalcanti - jenes Holzkreuz, das bei der ersten Messe in der neuen Hauptstadt verwendet worden war.

Anspielungen auf Pharaonen, Stonehenge und die Kabbala?

 

Niemeyer habe die tiefe Rampe von ägyptischen Tempeln kopiert, heißt es. Mehr noch, Kubitschek selbst erscheine so als eine Reinkarnation des um 1300 vor Christus über Ägypten herrschenden Pharaonen Echnaton. Ähnlich fleißig wie Kubitschek ließ Echnaton im Landesinneren ebenfalls eine neue Hauptstadt im Rekordtempo aus dem Boden stampfen: das sagenumwobene Achetaton. Manche entdecken in Niemeyers Entwürfen Anspielungen auf das ägyptische Tarot oder die Zahlenmystik der Kabbala. Andere sahen in der Kuppel eine kegelförmige Abwandlung des Monuments im südenglischen Stonehenge.

Atheist Oscar Niemeyer baute 16 Kirchen

 

Sicher ist, dass Niemeyer ein Schelm war und es liebte, die Menschen zu verwirren. Er, der Kommunist, baute den Herrschern der Welt großartige Paläste. Und Niemeyer, der Atheist, baute in seiner langen Karriere auch 16 Kirchen. "Die Leute sind überrascht, weil ich mich als Kommunist für Kirchen interessierte. Dabei ist das doch das Allernatürlichste."

 

Niemeyer war in einem streng katholischen Haus aufgewachsen. Doch er sagte: "Nein, ich habe keinen Glauben. Denn heutzutage ist die Wissenschaft ja so grausam, so erbarmungslos, nicht wahr? Sie erklärt alles und zerstört damit viele Ideen, die wir in den Köpfen haben." Wem der Glaube helfe, der solle halt glauben. "Ich glaube aber an die Grausamkeit und Gnadenlosigkeit des Lebens; man wird geboren und - zack - schon beginnt man zu sterben." Ein Zitat aus dem Mund eines Mannes, der 105 Jahre alt wurde.

Ein Moment voller Optimismus

 

Kubitschek wollte Brasilien mit dem Bau der neuen Hauptstadt in eine neue Zukunft führen. Und ihre Architektur sollte den Aufbruch symbolisieren. Über Nacht entwarf Niemeyer die Pläne für die öffentlichen Gebäude Brasilias kurz vor dem Baubeginn 1957. "Ich brauche das bis morgen", habe ihm Kubitschek damals gesagt. "Wir hatten gar keine Zeit, um viel über das Projekt nachzudenken. Wir mussten sofort anfangen zu zeichnen. Das war damals ein Moment voller Optimismus." Die Welt und das Leben gäben "der Architektur eine gewisse Großartigkeit", sagte Niemeyer später; "einen anderen, humanen Sinn, etwas, das für alle da ist".

Quelle: KNA, Autor: Thomas Milz

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