Erdöl in Venezuela: Auslöser von Gewalt oder Stabilitätsfaktor?
GIGA-Workingpaper analysiert Auswirkungen von Ressourcenreichtum.
„Erdöl in Venezuela: Auslöser von Gewalt oder Stabilitätsfaktor? Eine kontextsensible Analyse der ambivalenten Auswirkungen von Ressourcenreichtum“ ist der Titel des GIGA-Workingpapers 112 von Annegret Mähler.
Der Beitrag analysiert die Faktoren, die den Erdölexporteur Venezuela, der sich durch ein grundsätzlich niedriges Gewaltniveau auszeichnet, zu einem abweichenden Fall innerhalb der Debatte um die erhöhte Gewaltwahrscheinlichkeit in Erdölstaaten machen. Methodisch kommt ein neu erarbeiteter Kontextansatz zur Anwendung, der den jeweiligen Einfluss innerstaatlicher und internationaler Kontextfaktoren systematisch überprüft. Um die Befunde der systematischen Analyse zu verifizieren und zu erweitern, werden im zweiten Teil des Papers in einer historisch-vergleichenden Analyse zudem zwei Phasen eines moderaten innerstaatlichen Gewaltanstiegs in Venezuela untersucht.
Die Ergebnisse zeigen, dass Erdöl im jeweiligen Zusammenspiel mit unterschiedlichen nicht-ressourcenspezifischen Kontextfaktoren einen ambivalenten Einfluss ausüben kann: auf der einen Seite hat Erdöl in Venezuela „primär über breit angelegte staatliche Verteilungspolitiken, klientelistische Strukturen und Korruption“ eindeutig als konfliktreduzierender und teils auch demokratiefördernder Faktor gewirkt. Auf der anderen Seite hat Erdöl aber auch niedrigschwellige Gewalt gefördert; dies vor allem über sozioökonomische Kausalmechanismen (Verfall der Erdölpreise und spezielles Ressourcenmanagement) und nachrangig über den langfristig verursachten Verfall politischer Institutionen. Während folglich Klientelismus und Korruption kurzfristig einen stabilisierenden Effekt hatten, haben sie langfristig zur Delegitimierung der politischen Elite geführt. Ein weiterer zentraler Befund ist, dass der konkrete Einfluss des Erdöl auf Gewalt je nach spezifischer Form der Gewalt deutlich zu variieren scheint.
Die GIGA Working Papers sind Forschungsergebnisse als "work in progress". In Manuskriptform zirkulieren sie bereits vor ihrer Veröffentlichung, um die wissenschaftliche Diskussion zu befördern.