Blickpunkt-Lateinamerika 2/2020

Sie haben Plakate und Fackeln dabei. Es sind vor allem junge Männer zwischen 20 und 40 Jahren, die durch die Straßen von El Progreso ziehen und „Fuera JOH!“ – „Raus JOH!“ – rufen. JOH ist die Abkürzung für Juan Orlando Hernández, Präsident von Honduras, der das Land seit 2014 diktatorisch regiert. Die Stimmung ist angespannt, aber auch hoffnungsvoll. Eine Gruppe von Polizisten beobachtet die Menge vom Straßenrand aus. Auf dem Bürgersteig der anderen Straßenseite hält Lesly Banegas Frazier mit den Demonstrieren- den Schritt. Ihre linke Hand umfasst ein faustgroßes, schwarzes Mikrofon, in das sie alles berichtet, was ihr Blick erfasst. Mit ihrem Handy in der rechten Hand nimmt sie die Straßenszenen auf. Ihr Bericht und die Bilder werden sofort veröffentlicht. „Ein friedlicher Protest kann ganz schnell gewaltsam werden, wenn Polizei oder Militär sich einschalten. Sollte das gleich passieren, habe ich es von Anfang an aufgenommen“, erklärt sie. Das gilt natürlich auch, wenn sie selbst bedroht oder verletzt wird. Zwei Mal wurde schon bei Protesten auf sie geschossen. Keine zehn Minuten spä- ter bricht Lesly die Übertragung ab und läuft zu ihrem Roller, den sie in einer schmalen Seitenstraße geparkt hat. Ein Bekannter hat sie kurz zuvor gewarnt, dass die Batterie aus ihrem Roller geklaut werden würde. Das bedeutet mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass es gleich auf der Straße eskaliert, denn so soll sie daran gehin- dert werden, darüber zu berichten. Lesly gibt nach und entscheidet sich, zu fahren, denn sonst säße sie in der Falle. „Wie können wir als Reporter bei Protesten sicher sein? Wie kann ich dafür sorgen, dass ich in Ruhe berichten kann und nicht selbst zur Nachricht werde?“ Stille. Oben: Lesly Ba- negas Frazier, Reporterin und Nachrichtenspre- cherin bei Radio Progreso. Unten: Demon­ stranten an der Straßensperre in Tela. Y 7 Titel

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