Blickpunkt-Lateinamerika 2/2020

Seit 15 Jahren ist der Comboni-Missionar Padre Dário Bossi in der Amazonasregion tätig. Der gebürtige Italiener berät in Brasilien das Amazonas-Netzwerk Repam und setzt sich für die Rechte der Menschen in den vom Bergbau bedrohten Gebieten ein. Im Inter- view mit Thomas Milz berichtet er über die Situation. Padre Dário, was bedeutet das Vordringen des Coro- navirus für die Indigenen in Amazonien? Für die indigenen Völker kommt es zu einer doppelten Bedrohung: Denn inmitten der Pandemie gibt es eine Zunahme der Attacken auf ihre Gebiete, was ja an sich schon dramatisch genug wäre. Sind ihre Gebiete erst einmal abgeholzt und ihre Flüsse durch das Quecksil- ber der Goldgräber vergiftet, dann ist das nicht wieder rückgängig zu machen. Gleichzeitig gibt es die gesund- heitliche Bedrohung: Die Abwehrkräfte der Indigenen gegenüber dem Virus sind geringer. Zudem leben sie in den abgelegenen Regionen des Landes. Der Fall eines 15 Jahre alten Yanomami, der in Roraima verstarb, zeigt das anschaulich. Er ist von einem Gesundheitsposten zum nächsten durchgereicht worden, bis er schließlich in der Hauptstadt Roraima ankam. Dort konnte man ihn aber nicht mehr retten, seine Lunge war schon zu schwer be- schädigt. Wie können sich die Indigenen schützen? Die Indigenen isolieren sich selbst in ihren Dörfern. Da die Regierung nichts zu ihrem Schutz unternimmt, bleibt ihnen nichts anderes übrig. Aber das wird nicht ausrei- chen, denn Goldsucher, Holzfäller und andere dringen in ihre Gebiete ein, und zwar illegal und ohne jede Kon- trolle. Verschlimmert sich die Situation in Amazonien also sogar noch durch die Pandemie? Während die Pandemie in anderen Regionen der Welt einige Umweltkonflikte abgemildert hat, ist im Amazo- nasgebiet genau das Gegenteil eingetreten. Die Region von Carajás im Bundesstaat Maranhão, wo ich arbeite, ist ein Beispiel dafür. Dort gibt es das größte Abbauprojekt von Eisenerz des Bergbaukonzerns Vale. Der Betrieb der Minen läuft unter unverantwortlichen Bedingungen wei- ter. Ohne ausreichende Kontrollen und Schutz sind dort Arbeiter der Gefahr von Ansteckungen untereinander ausgesetzt. In anderen Regionen Amazoniens nehmen die Konflikte um illegale Goldminen und Abholzungen zu. Weder Goldsucher noch Holzfäller sind derzeit im Homeoffice. Was kann die Kirche tun? Die Amazonassynode vom letzten Oktober hat die Rolle der Kirche in Amazonien gestärkt. Die Kirche wirkt in Amazonien als politischer Akteur, will aber nicht einfach die Aufgaben und Pflichten der Nationalstaaten überneh- men. Die lokalen Gemeinschaften selbst haben die Kirche gebeten, sie bei der Verteidigung ihrer Rechte zu unter- stützen. Und wir sind beim Widerstand gegen verschie- dene Gesetzesinitiativen aktiv, die es Großgrundbesitzern erleichtern soll, Land in Amazonien in Besitz zu nehmen. ADVENIAT-PARTNER: CORONAVIRUS LEBENSBEDROHLICH FÜR INDIGENE IN AMAZONIEN Goldgräber und Holzfäller sind nicht im Homeoffice Yanomami-Frauen im Dorf Watoriki. Foto: Jürgen Escher 23

RkJQdWJsaXNoZXIy NzgwNTY=