Blickpunkt-Lateinamerika 2/2020

Juan Olivera, Gemeindepfarrer aus Moreno, in dessen Einzugsgebiet die Siedlungen 8 de Diciembre und 18 de Julio liegen, blickt besorgt in die Zukunft. „Zwar vertrauen wir darauf, dass diese Pandemie vorüber- geht“, sagt der Geistliche, „aber es kann lange dauern, bis es in unserem Land wieder genügend Arbeitsmög- lichkeiten gibt. Und die Menschen aus den Armen- vierteln sind das letzte Glied in der Kette. Denn auch die Mittelklasse hat jetzt weniger Geld, um Leute zu beschäftigen.“ Padre Juan rechnet mit einem Anstieg der Armut, die in Argentinien bereits vor der Pande- mie hoch war: Offiziellen Statistiken zufolge über- schritt sie im vergangenen Jahr die 35-Prozent-Marke. Dass sich das Coronavirus in den Armenvierteln ausbreiten könnte, wo die Wohn- und Hygiene­ verhältnisse prekär sind, war von Anfang an eine große Sorge in Argentinien. Wenn viele Menschen in engen Behausungen zusammenleben, ist Social Distancing kaum praktikabel. In der ersten Maiwoche erhöhte sich die Zahl der Corona-Fälle in den Armenvierteln von Buenos Aires auf fast vierhundert, es gab mehrere Todesfälle und die Armenpriester der argentinischen Hauptstadt schlugen Alarm: Es fehle an Lebensmitteln und sauberem Trinkwasser, der Staat müsse mehr Präsenz zeigen. VOM STAAT VERLASSEN In der Vorort-Diözese Merlo-Moreno findet der ita- lienische Pfarrer Renato Maizza deutliche Worte: Die Armensiedlung, in der er als Seelsorger im Einsatz ist, sei „vom Staat verlassen“. Es gebe weder ausreichend öffentliche Verkehrsmittel noch sei die Polizei für die Bewohner da, die häufig Opfer von Überfällen würden. Der Priester übt auch Selbstkritik: Die Kirche habe sich lange Zeit nicht genug um das Viertel gekümmert. Doch seit einem Jahr leiste sie sehr viel mehr soziale Unterstützung. Und jetzt, in Corona-Zeiten, versorgt Renato Maizza gemeinsammit Ehrenamtlichen aus der Siedlung fast zweihundert Menschen täglich mit einem warmen Mittagessen. In der Siedlung 18 de Julio wird das Mittagessen vorbereitet. Z 15

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