Zwiespältige Bilanz der Tötungsdelikte in Brasilien
Die Zahl der Tötungsdelikte in Brasilien sinkt 2019 auf einen historischen Tiefstand, während die Zahl der Opfer durch Polizeigewalt in manchen Bundesstaaten steigt.
Die Zahl der Tötungsdelikte in Brasilien ist im Jahr 2019 um 19,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken. Das berichtet das Nachrichtenportal G1 am Freitag. Laut Erhebungen des Instituts "Forum Brasileiro de Seguranca Publica" wurden 41.635 Personen getötet, der tiefste Wert seit Beginn dieser Erhebung im Jahr 2007. Demnach starben rund 10.000 Personen weniger als 2018 (51.558). Damit setzt sich der tendenzielle Rückgang seit 2017, als 65.602 Fälle registriert wurden, fort.
Waffenstillstand zwischen Drogenbanden
Sämtliche 27 Gliedstaaten Brasiliens weisen einen Rückgang der Tötungsdelikte auf. Den größten Rückgang verzeichneten die Gliedstaaten Ceara im Nordosten und Roraima im äußersten Norden. Hier waren die Tötungen aufgrund von Kriegen zwischen Drogenbanden in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Experten führen die gesunkenen Tötungsraten in ganz Brasilien auf eine Konsolidierung des Drogenmarktes zurück. Allianzen zwischen Banden hätten sich eingespielt, die Konkurrenz sei verdrängt worden.
Zudem sei der Strafvollzug heute rigoroser als noch vor einigen Jahren, was die Drogenbosse zu einer Art "Waffenstillstand" mit anderen Banden und den Behörden zwinge. Die meisten Drogenchefs sind mittlerweile in Haft, haben jedoch trotzdem weiterhin die Befehlsgewalt über ihre Gangs außerhalb der Gefängnisse.
Mit harter Hand gegen das organisierte Verbrechen
Die Experten sehen zudem eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden auf nationaler, kommunaler und Gliedstaatenebene. So erreichte die Beschlagnahmung von Drogen zuletzt Rekordwerte. Allerdings kehrten sich die positiven Entwicklungen bei den Tötungsdelikten in 9 der 27 Gliedstaaten im letzten Quartal wieder um. Experten sehen darin Grund zur Besorgnis.
Gouverneure wie Wilson Witzel aus Rio de Janeiro und Joao Doria aus Sao Paulo, den beiden bevölkerungsreichsten Gliedstaaten, führen die gesunkenen Tötungsdelikte auf eine harte Linie bei der Verbrechensbekämpfung zurück. Auch der rechtsextreme Präsident Jair Messias Bolsonaro vertritt diese These. Unter Wissenschaftlern ist jedoch umstritten, inwieweit eine erhöhte Polizeigewalt das organisierte Verbrechen einschüchtern kann. Die von der Polizei verübten Tötungsdelikte liegen seit Monaten deutlich über dem Durchschnitt.