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Zum 200. Jahrestag der Unabhängigkeit Brasiliens

Vor 200 Jahren erlangte Brasilien seine Unabhängigkeit von Portugal. Doch statt historischer Erinnerung geht es bei den Feierlichkeiten in diesem Jahr um die Bedrohung der brasilianischen Demokratie.

An der Copacabana in Rio de Janeiro will Präsident Jair Bolsonaro am brasilianischen Unabhängigkeitstag, dem 7. September, einen Protestzug gegen die elektronischen Wahlurnen anführen. Er fürchtet Wahlbetrug. Foto (Symbolbild): Adveniat/Jürgen Escher

An der Copacabana in Rio de Janeiro will Präsident Jair Bolsonaro am brasilianischen Unabhängigkeitstag, dem 7. September, einen Protestzug gegen das elektronische Wahlsystem anführen. Er fürchtet Betrug. Foto (Symbolbild): Adveniat/Jürgen Escher

Am 7. September 1822 war Dom Pedro I., der Prinz aus dem Hause Braganza, gerade in der Region São Paulo unterwegs, als ihn ein Schreiben aus der portugiesischen Heimat erreichte. Das dort regierende Parlament, die "Cortes", forderte ihn auf, die sich als unabhängig von Lissabon ansehende Regierung in Rio de Janeiro aufzulösen. Doch der Prinz dachte nicht daran, woraufhin es an dem Fluss Ipiranga zum berühmten Ausspruch kam: "Independencia ou morte", "Unabhängigkeit oder Tod".

Unabhängigkeit, aber Monarchie

Es waren unruhige Zeiten in Lateinamerika. Die Eroberung der Iberischen Halbinsel durch Napoleon hatte in den Kolonien Unabhängigkeitsbewegungen ausgelöst. Doch anders als in den spanischsprachigen Gebieten kam es in Brasilien zu keinem blutigen Befreiungskampf. Vielmehr scheint der "Ruf von Ipiranga" ein abgekartetes Spiel der Königsfamilie gewesen zu sein, um das reiche Brasilien für sich zu erhalten. Der Plan gelang: Noch bis 1889 regierte die adelige Familie Brasilien als Kaiserreich, bevor das Land zur Republik wurde.

Letztlich habe es 1822 keine richtige Unabhängigkeit gegeben, argumentieren brasilianische Historiker. Das erklärt, wieso die Feierlichkeiten stets recht unbeachtet und ohne große Begeisterung abgehalten wurden. Seit vergangenem Jahr ist das anders: Damals hatte der rechtspopulistische Präsident Jair Messias Bolsonaro seine Anhänger zu landesweiten Protesten gegen das Oberste Gericht aufgerufen, das angeblich gegen ihn konspirierte. In Brasilia ließ Bolsonaro gar Panzer rollen.

Bolsonaro: Militär soll Wahlen überwachen

Ähnliches hat er nun für den Unabhängigkeitstag wieder vor. Er selber will an Rio de Janeiros Traumstrand Copacabana den Protestzug seiner Anhänger anführen. Man fordert, dass das Militär die Wahlen vom 2. Oktober überwacht. Seit Jahren schürt Bolsonaro die Furcht, dass die elektronischen Urnen gehackt werden könnten. So plane das Oberste Wahlgericht, seinem Widersacher - Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva - zum Sieg zu verhelfen. Derweil organisiert sich Brasiliens Zivilgesellschaft gegen Bolsonaros autoritären Angriff auf die Wahlen und die Institutionen.

So erlebt Brasilien in seinem 200. Jahr eine tiefe politische Polarisierung. Gegen "Lulas" Wahlsieg wollen landesweit auch kirchliche Gemeinden beten. Die ultra-konservativen Gruppen, evangelikale Kirchen wie katholische Gemeinden, bitten um göttlichen Schutz gegen den Sieg Lulas und des "Kommunismus". Jüngste Umfragen ergeben jedoch, dass die Mehrheit der Katholiken den ehemaligen Arbeiterführer wählen wollen, während der rechtspopulistische Ex-Militär Bolsonaro unter den Evangelikalen führt. Es wird erwartet, dass Brasiliens First Lady Michelle Bolsonaro am Unabhängigkeitstag eine Brandrede gegen Lula hält. Zuletzt hatte sie bei einer Rede in einer evangelikalen Kirche Lula mit dem Teufel verglichen.

Bolsonaros Amazonas-Politik in der Kritik

Besonders groß ist die Unzufriedenheit vieler Brasilianer mit Bolsonaros Umweltpolitik, besonders am Amazonas. In seinem nachsynodalen Papstschreiben "Querida Amazonia" hatte Papst Franziskus die Menschheit zum Schutz der kostbaren Region aufgerufen. "Ich träume von einem Amazonien, das die überwältigende Schönheit der Natur, die sein Schmuck ist, eifersüchtig hütet, das überbordende Leben, das seine Flüsse und Wälder erfüllt", so der Papst. Unter Präsident Bolsonaro hatte die Abholzung nach Jahren des Rückgangs wieder zugenommen.

Genau wie die Gewalt gegen Brasiliens Indigene. So hätte die Regierung Bolsonaro alleine im Jahr 2021 durch ihre Taten und Versäumnisse direkt zum Tod von 1.915 Indigenen beigetragen, erklärte der Indigenenrat der katholischen Kirche, Cimi, am 17. August. Neben 176 Morden und 148 Selbstmorden unter den Indigenen kostete die chaotische Corona-Politik Bolsonaros 847 Indigenen das Leben. Der mangelnden Gesundheitsversorgung seien 744 Kinder unter fünf Jahren zum Opfer gefallen.

Portugal ist Traumziel vieler Brasilianer

So schauen viele Brasilianer heute neidisch auf die ehemalige Kolonialmacht Portugal. Aufgrund der in Brasilien herrschenden Gewalt und Wirtschaftskrise wandern immer mehr Brasilianer in das kleine europäische Land aus. Rund 210.000 Brasilianer leben in Portugal, womit ein Drittel aller dort ansässigen Ausländer aus der ehemaligen Kolonie stammt. Zuletzt hatte Portugal die Aufenthaltsregeln für Personen aus Portugiesisch sprechenden Ländern erleichtert.

Schätzungen gehen von weiteren 100.000 illegal in Portugal lebenden Brasilianern aus. Sie schätzen den dort herrschenden sozialen Frieden und genießen die Brasilien so ähnliche Kultur. Besonders beliebt bei den Brasilianern ist Portugals Präsident Marcelo Rebelo de Sousa. Mit seiner höflichen, offenen und bescheidenen Art wird er als das genaue Gegenteil seines brasilianischen Amtskollegen Bolsonaro angesehen.

Autor: Thomas Milz, kna

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