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Zeigt Lateinamerika Maas die kalte Schulter?

Jahrzehntelang vernachlässigt, jetzt umworben: Mit der neuen Lateinamerika-Initiative versucht der deutsche Außenminister, verloren gegangenes Terrain zurückzuerobern. Wie glaubwürdig ist der Vorstoß?

Zum Auftakt seiner Südamerikareise besucht Außenminnister Heiko Maas mit Schauspielerin Sibel Kekilli (r.) eine Organisation für Frauenrechte in Salvador da Bahia. (Foto: picture-alliance/dpa/F. Sommer)

Zwei Zeilen. Mehr als eine Mini-Meldung ist der größten brasilianischen Tageszeitung "Folha de São Paulo" der Besuch des deutschen Außenministers Heiko Maas anscheinend nicht wert. Die neue Lateinamerika-Initiative des Ministers, der während seiner viertägigen Reise nach Brasilien, Kolumbien und Mexiko die Beziehungen "neu beleben und ankurbeln" will, erwähnt die Zeitung mit keinem Wort. Die Medien in Kolumbien und Mexiko lassen die Reise des Ministers bisher gänzlich unerwähnt. Nach Brasilien wird Maas sich in Kolumbien über die Situation der Flüchtlinge aus Venezuela sowie über die Lage ehemaliger Guerilla-Kämpfer informieren. In Mexiko wird er mit seinem Amtskollegen Marcelo Ebrard zusammentreffen.

Deutschland und Lateinamerika, war da was? "Lateinamerika ist zu lange aus unserem Blick geraten", räumt Maas in einem Statement ein. "Starke Allianzen für Menschenrechte und Multilateralismus in Lateinamerika werden in der Welt von morgen noch viel wertvoller sein, als es sich die meisten heute vorzustellen vermögen."

Konkurrent China

Die deutsche Wiederentdeckung Lateinamerikas hat vermutlich weniger mit Menschenrechten und mehr mit Wirtschaft zu tun. "Auch wenn Maas so argumentiert, ist das wahrscheinlich nicht die politische Priorität der Reise", meint Thomas W. O'Donnell von der Hertie School of Governance. Entscheidend ist für den Experten für internationale Beziehungen der wachsende wirtschaftliche und politische Einfluss Chinas in der Region.

"China ist dabei, sich in einen Produzenten von hochwertigen Industriegütern zu entwickeln", sagt Thomas W. O'Donnell. Damit mache es deutschen Herstellern, die traditionell auf den Export hochwertiger Güter spezialisiert sind, Konkurrenz. O'Donnell: "Die Qualität ist geringer, aber die chinesischen Produkte sind billiger."

Von Deutschland enttäuscht

Angesichts des wachsenden chinesischen Einflusses und der traditionell starken Präsenz der USA wird die deutsche Lateinamerika-Initiative in der Region bisher verhalten aufgenommen. Zu tief sitzt die Enttäuschung über die jahrzehntelange deutsche Vernachlässigung. Zudem interessiert sich Brasiliens neuer Präsident Jair Bolsonaro wesentlich mehr für US-Präsident Donald Trump als für deutsche Regierungsvertreter.

Die Liste der gut gemeinten, aber letztlich gescheiterten politischen Annäherungsversuche zwischen Deutschland und Lateinamerika ist lang. Bereits Ex-Kanzler Helmut Kohl ließ 1995 ein Lateinamerika-Konzept erarbeiten. Bei seinem Besuch im September 1996 in Brasilien räumte er ein, dass sich die deutschen Unternehmen kaum an den umfangreichen Privatisierungen der 90er Jahre in der Region beteiligt, sondern dies spanischen, französischen, portugiesischen und amerikanischen Konsortien überlassen hatten.

Russland und China waren wichtiger

2002 kam es zu einem neuen Anlauf. Durch eine sogenannte deutsch-brasilianische Infrastrukturinitiative sollten die Investitionen nach Lateinamerika erhöht werden. Doch nach dem Besuch von Bundeskanzler Gerhard Schröder im Februar 2002 schlief das Projekt wieder ein. Schröder konzentrierte sich stattdessen auf Projekte mit Russland und China.

Den jüngsten Anlauf zu einer Wiederannäherung unternahm Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie reiste im August 2015 mit der Hälfte ihres Kabinettes erstmals zu Regierungskonsultationen nach Brasilia. Aufgrund der politischen Krise in Brasilien blieb es allerdings bei der einmaligen Konsultation. "Die Deutschen sind den Brasilianern gegenüber besonders skeptisch", meint der Vorsitzende der Lateinamerika-Initiative der Deutschen Wirtschaft (LAI), Reinhold Festge. Im Gespräch mit der DW erklärt er: "Trotz der in vielen Punkten desaströsen Politik Brasiliens sind die Perspektiven vom Markt her gesehen eigentlich gut." Rund 4000 deutsche Unternehmen sind in Lateinamerika vertreten, mehr als 1000 allein in der brasilianischen Metropole São Paulo. Die Lateinamerika-Initiative der Deutschen Wirtschaft wurde bereits 1994 gegründet, also lange vor der wirtschaftlichen Aufholjagd Chinas in der Region.

"Wichtiger Partner für Deutschland"

Die deutsche Wirtschaft gehört in Brasilien bisher zu den Unterstützern von Präsident Bolsonaro. "Die Zusammenarbeit zwischen der Regierung und den Unternehmern läuft sehr gut und effizient", lässt sich André Clark, CEO von Siemens in Brasilien, im jüngsten Länderbericht der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) zu Brasilien zitieren.

Jan Woischnik, Leiter des KAS-Auslandsbüros Brasilien, ergänzt: "Es empfiehlt sich ein fairer und konstruktiver Umgang mit der Bolsonaro-Administration." Denn Brasilien sei als viertgrößte Demokratie und neuntgrößte Volkswirtschaft ein außerordentlich wichtiger Partner für Deutschland. Auch beim Schutz des Amazonas blicken beide Länder auf eine langjährige Partnerschaft zurück: Deutschland war der wichtigste Geldgeber beim größten Umweltprogramm zum Schutz des Regenwaldes, genannt PPG7. Es trug mit 350 Millionen Euro zwei Drittel der Kosten des von den G7-Staaten aufgelegten Programms.

Als Zeichen seines politischen Schwerpunktes auf Menschenrechte traf sich Außenminister Heiko Maas noch vor dem offiziellen Empfang durch Präsident Bolsonaro und seinem brasilianischen Amtskollegen Ernesto Araújo mit Vertreterinnen eines Netzwerkes zur Stärkung von Frauenrechten in Salvador da Bahia. Für den 28. Mai hat Maas seine lateinamerikanischen Amtskollegen zu einer Lateinamerikakonferenz ins Auswärtige Amt nach Berlin eingeladen. Noch ist nicht klar, wer kommt. Die Anzahl der Teilnehmer könnte ein Indiz dafür sein, wie die neue deutsche Lateinamerika-Initiative in der Region ankommt.

Autorin: Astrid Prange, Deutsche Welle

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