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Ecuador |

Yaku Pérez: "Der Ball liegt im Spielfeld der Regierung"

Jaku Pérez ist ehemaliger Präsidentschaftskandidat der indigenen Partei Pachakutik, von der er sich gelöst hat, um eine neue Bewegung in Cuenca aufzubauen. Im Interview spricht der 52-jährige Anwalt über die Ursachen der massiven Proteste in Ecuador.

Yaku Pérez war 2021 Präsidentschaftskandidat der indigenen Partei Pachakutik. Foto (2015): 191 AÑOS DE PROVINCIALIZACIÓN AZUAY, Medios Públicos EP, Carlos Rodríguez/Andes, CC BY-SA 4.0

Yaku Pérez war 2021 Präsidentschaftskandidat der indigenen Partei Pachakutik. Foto (2015): 191 AÑOS DE PROVINCIALIZACIÓN AZUAYMedios Públicos EP, Carlos Rodríguez/AndesCC BY-SA 4.0

Am 13. Juni begannen in Ecuador die vom indigenen Dachverband CONAIE (Confederación de Nacionalidades Indígenas del Ecuador) initiierten sozialen Proteste. Mehrfach ist es zu Gewalt gekommen, ein Mensch starb, nachdem ihn eine Tränengas-Grante am Kopf traf. Warum gibt es immer noch keine Verhandlungen zwischen Regierung und Protestbewegung?

Yaku Pérez: Die Regierung in Quito agiert widersprüchlich. Einerseits mahnt sie zum Dialog, andereseits diffamiert sie die Protestbewegung, geht repressiv gegen sie vor und versucht, sie zu spalten. Das hat leider Tradition in Ecuador. In den vergangenen Jahren sind Verhandlungen immer wieder gescheitert, Vereinbarungen wurden von der Regierung nicht eingehalten, auch im Anschluss an die Proteste vom Oktober 2019. Das ist der Grund, weshalb es auf Seiten der Protestbewegung ein hohes Maß an Misstrauen gibt. CONAIE fordert konkrete Zugeständnisse, bevor die Mobilisierung eingestellt wird.

Die Forderungen von Conaie nach Senkung der Benzinpreise, Sozialprogrammen und einem Schuldenmoratorium für Kleinschuldner liegen seit Wochen auf dem Tisch. Sind die Forderungen überzogen?

Nein, sie sind nach nachvollziehbar, legitim und es sind nicht nur Forderungen, die von den indigenen Organisationen, sondern auch von andere sozialen Organisationen, wie Gewerkschaften oder Nichtregierungsorganisationen, erhoben werden. Bisher hat die Regierung nur sehr partiell auf die Forderungen reagiert, deshalb laufen die Proteste weiter. 

Einen Tag nach Beginn der Proteste wurde der Vorsitzende von Conaie, Leonidas Iza, von der Polizei festgenommen, einen Tag später auf Anweisung der Gerichte wieder freigelassen. Danach verhängte die Regierung am letzten Samstag den Ausnahmezustand. Erst danach ging Lasso auf die Forderungen ein und kündigte soziale Maßnahmen und ein Schuldenmoratorium für Kleinschuldner an. Das ging CONAIE nicht weit genug, worauf der Ausnahmezustand ausgedehnt wurde. Ist die Haltung der Regierung nachvollziehbar?

Dazu muss man wissen, dass Präsident Guillermo Lasso 1999 Minister in der Regierung von Jamil Mahuad war. Damals hat Guillermo Lasso dank Insiderwissen im großen Stil Bankaktien gekauft und die Grundlage für seinen persönlichen Reichtum gelegt. Das zum einen. Zum anderen taucht der Name Lasso auch in den Panama-Papers auf. Demnach besitzt er Offshore-Konten in Finanzparadiesen – kurz Guillermo Lasso hat in Ecuador nicht den besten Leumund und seine neoliberale Gesinnung sind hinreichend belegt. 

Derzeit geht in Ecuador die Angst um, dass Lasso weitere staatliche Unternehmen, eine Bank und zahlreiche Wasserkraftwerke privatisieren will. Zu den Leitlinien dieser Regierung passen Sozialprogramme nicht und das hat zu einer gravierenden ökonomischen, sozialen und umweltpolitischen Krise geführt, die die Ungleichheit weiter verschärft. Die Proteste sind die direkte Folge, ohne echte Sozialprogramme ist kein gesellschaftlicher Frieden möglich.

Die indigene nOrganisationen, CONAIE als Dachverband indigener Völker, aber auch Pachakutik als deren parteipolitischer Arm sind gut organisiert, deren Repräsentanten gut ausgebildet. Unterschätzt die Regierung Lasso deren Mobilisierungsfähigkeit?

Indigene Organisationen sind in Ecuador immer unterschätzt worden. Vorurteile, Rassismus und Arroganz prägen traditionell den Umgang mit indigenen Organisationen und auch heute wird eher versucht, die Bewegung zu spalten, statt sie ernst zu nehmen.

Jetzt hat die Polizei im Zuge der Proteste das „Haus der Kulturen“ in Quito besetzt, das der indigenen Protestbewegung als Zentrum für Treffen und Koordination dient.

Es wird zweierlei Maß angelegt. Auf der einen Seite hat die Regierung den Ausnahmezustand verhängt, um die Mobilisierung von CONAIE zu unterbinden, auf der anderen Seite mobilisiert sie Ordnungskräfte im großen Stil und beschlagnahmt ein Kulturzentrum, welches Symbolcharakter hat. Das schürt die Spannungen. 

Ist die indigene Protestbewegung zum Sprachrohr der Armen in Ecuador geworden, hat sie die Unterstützung von Gewerkschaften, sozialer und politischer Basis-Organisationen?

Ich denke ja, überaus negativ ist aber, dass viele Menschen nicht friedlich auf den Straßen demonstrieren, dass es immer wieder zu Gewalt kommt. Dahinter stecken sicherlich hier und da kriminelle Banden, aber auch Anhänger des Ex-Präsidenten Rafael Correa. Die Situation ist unübersichtlich, die Regierung schwach und das Risiko einer Eskalation groß.

Seit Beginn der Krise plädieren viele Experten für einen moderierten Dialog durch die Vereinten Nationen, die katholische Kirche oder die Universitäten. COANIE lehnt das ab, hat diese Organisationen aber als Beobachter eingeladen – warum?

Die Indigenen Organisationen können für sich selbst sprechen, brauchen dafür nicht wie in Kolonialzeiten einen Dritten. CONAIE hat sich für die Verhandlungen vorbereitet und will sie selbst führen. Das ist legitim, auch wenn ich persönlich die Vermittlung durch Dritte begrüßen würde. Das kann dafür sorgen, dass die Regierung Vereinbarungen auch erfüllt. 

Die Regierung spricht zwar vom Dialog, leitet ihn aber nicht ein – warum?

Es fehlt der politische Wille auf Seiten der Regierung. CONAIE plädiert seit Wochen für Verhandlungen – ohne Erfolg. Daraufhin hat sie zu den Protesten aufgerufen. Der Ball liegt im Spielfeld der Regierung.

Sie waren 2021 Präsidentschaftskandidat von Pachakutik, dem politischen Arm von COANAE. Was machen Sie derzeit?

Ich nehme in Cuenca an den Protesten teil, plädiere für friedliche Proteste, lehne Gewalt kategorisch ab und hoffe, dass die Situation nicht wie im Okotber 2019 mit elf Toten eskaliert. Hier in Cuenca bauen wir eine neue Umweltbewegung auf. „Somos Agua“ (zu Deutsch "Wir sind Wasser") heißt sie. Derzeit kämpfen wir gegen bürokratische Hürden bei der Anmeldung dieser Organisation.

Interview: Knut Henkel

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