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Argentinien |

Wie es zur Dokumentation ''Algo mío'' kam

Die beiden deutschen Regisseurinnen Regina Mennig (l.) und Jenny Hellmann haben die Dokumentation "Algo mío" in Argentinien gedreht. Foto: Facebook/Algo mío-Argentiniens geraubte Kinder.
Die beiden deutschen Regisseurinnen Regina Mennig (l.) und Jenny Hellmann haben die Dokumentation "Algo mío" in Argentinien gedreht. Foto: Facebook/Algo mío-Argentiniens geraubte Kinder.

Vor 34 Jahren endete die Diktatur der argentinischen Militärjunta. Doch bis heute melden sich Opfer zu Wort: zum Beispiel geraubte Kinder von damals Verfolgten, die bei Militärfamilien aufwuchsen und nun, im Erwachsenenalter, ihre wahre Identität entdecken. Zwei deutsche Regisseurinnen haben zwei dieser "geraubten Kinder" für einen Dokumentarfilm begleitet. In München feiert "Algo mio" nun Deutschlandpremiere. Im Interview sprechen Jenny Hellmann und Regina Mennig über Herausforderungen beim Dreh, die Verbindung von Politik und persönlichem Schicksal und Parallelen zwischen Argentinien und Europa.

Frau Mennig, Frau Hellmann, was reizt Sie an Argentinien?

Hellmann: Wir haben vor und während des Studiums eine längere Zeit in Argentinien verbracht, und uns beide hat fasziniert, wie politisch aktiv die argentinische Gesellschaft ist. Es gibt, quer durch alle Gesellschaftsschichten, eine große soziale Mobilisation, viele Organisationen, die sich für bestimmte Belange der Menschen einsetzen. Dazu gehören auch die Menschenrechtsorganisationen, mit denen wir im Zusammenhang mit dem Film viel zu tun hatten.

Die Aufarbeitung der argentinischen Diktatur ist ein schwieriges Thema. Wie haben Sie die Protagonisten für den Film gefunden?

Mennig: Bei Recherchen von Deutschland aus sind wir schnell an Grenzen gestoßen, weil es kein Thema ist, über das man mal eben ein kurzes Telefoninterview führen kann. Als wir dann vor Ort waren, war unsere Hauptanlaufstelle die Organisation der "Abuelas de la Plaza de Mayo": Großmütter, die schon während der Diktatur mit der Suche nach verschwundenen Kinder angefangen haben. Unser Ziel war es, Betroffene zu begleiten, die sich gerade im Gerichtsverfahren gegen ihre Zieheltern befinden. Diese Prozesse kommen automatisch in Gang, sobald sich ein Fall von Kindesraub bestätigt. Unsere Protagonistin Catalina haben wir auf diesem Weg gefunden. Sie hat ein sehr gutes Verhältnis zu den Großmüttern und unterstützt ihre Aktionen.

Das ist bei Hilario, Ihrem zweiten Protagonisten, etwas anders ...

Hellmann: Wir hatten zunächst nur seinen Namen und die Information, dass er bisher fast jeglichen Kontakt zu Journalisten verweigert hat. Trotzdem haben wir alles auf eine Karte gesetzt und sind in seine Heimatregion gefahren, etwa 600 Kilometer von Buenos Aires entfernt. Uns hat der glückliche Zufall geholfen, dass unser Auto liegengeblieben ist - genau vor dem Dorf, in dem Hilario wohnt. Die Leute, die uns mit dem Auto geholfen haben, wussten, dass er im Dorf lebt. Trotzdem hat es noch ein paar Tage gedauert, bis wir tatsächlich mit ihm sprechen konnten. Unsere Außenperspektive auf das Thema hat geholfen, dass er seine Skepsis schnell ablegen konnte. Er hat verstanden, dass wir ganz einfach an seiner Wahrheit, seinem Erleben der Geschichte interessiert sind.

Was war bei den Dreharbeiten besonders beeindruckend?

Mennig: Die Szenen, die wir im Gerichtssaal gedreht haben, waren unglaublich emotional. In diesen Prozessen steht das Thema mit seiner vollen Wucht mitten im Raum. Teils stehen sich sogar alle Beteiligten gegenüber, in Hilarios Fall seine leibliche Großmutter, die Mitklägerin gegen seine Zieheltern war, auf der anderen Seite er selbst, der die Zieheltern verteidigt. Ähnlich emotional waren auch unsere teils sehr langen Interviews mit den Protagonisten, die sich sehr geöffnet haben.

Ist Argentinien für deutsche Zuschauer nicht trotzdem recht weit weg?

Hellmann: Es gibt unterschiedliche Zugänge zu dem Thema, das auch hierzulande für viele Menschen interessant ist. Auf einer menschlichen Ebene berührt es sehr lebensnahe Fragen: Identität, Adoption, Familie. Zugleich sind Zwangsadoptionen auch in Europa immer wieder vorgekommen. Etwa Republikflüchtlingen aus der DDR sind Kinder weggenommen worden, in Spanien sind unter Franco viele Kinder verschwunden. Das Ganze wird hier noch überhaupt nicht verhandelt, daher lohnt es sich auch in dieser Hinsicht, nach Argentinien zu blicken. Das Land ist ein Vorreiter, was die Aufarbeitung betrifft.

In Ihrem Film stecken vier Jahre Arbeit. Was bedeutet es Ihnen, dass er nun Premiere feiert?

Mennig: Für wohl jeden Filmemacher ist es das Größte, wenn er mit seinem Werk "rausgeht" und die Reaktionen des Publikums beobachten kann. "Algo mio" hatte im Dezember Weltpremiere in Kuba und im März Europapremiere in Den Haag. Bei allen Vorführungen war es immer wieder interessant, wie unterschiedlich die Menschen den Film sehen. Die einen identifizieren sich total mit unserem Protagonisten Hilario - die anderen sagen: Ich kann Catalina total gut verstehen. Die Kontroverse um das, was mit den geraubten Kindern passiert, wenn ihre Geschichten ans Licht kommen, zeigt eigentlich nur eins: wie schwierig es ist, in diesen Fällen Gerechtigkeit herzustellen, die alle Betroffenen tatsächlich als gerecht wahrnehmen.

Quelle: KNA, das Interview führte: Paula Konersmann

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