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Honduras |

Wenn das Gewissen entscheidet

Víctor und Martín Fernández haben die Seite gewechselt. Sie haben dem staatlichen Justizsektor den Rücken gedreht und sich als Anwälte in den Dienst sozialer Organisationen gestellt. Dafür und für das Eintreten für den Rechtsstaat in Honduras erhalten sie heute den Bremer Solidaritätspreis.

Kameras, Stacheldraht und ein hoher Metallzaun sichern das Gebäude an der Straßenecke der 10. Calle mit der 12. Avenida. Suyapa heißt das Stadtviertel am Rande des Zentrums von San Pedro Sula, wo sich der Sitz der Bewegung für die Würde und die Justiz in Honduras (Movimiento amplio pro la Dignidad y la Justicia MADJ) befindet. 
Victor Fernández, ehemaliger Staatsanwalt, und seit 2008 freiberuflicher Anwalt, ist Koordinator der Bewegung. „Wir vertreten hier die Rechte von sozialen Organisationen, bieten Beratung und Prozesshilfe an und initiieren auch Klagen“, so der 43-jährige Jurist. Er arbeitet seit Jahren eng mit dem Bürgerrat der Volks- und Indigenenorganisationen von Honduras, kurz COPINH, zusammen und vertritt dessen Interessen. Auch die der Familie von Berta Cáceres. Die Umweltaktivistin war in ihrem Haus in La Esperanza, ein Mittelstadt im Süden von Honduras, 2016 von Auftragskillern ermordet worden und am 29. November 2018 endete der erste Prozess, den Fernández und seine Kollegen vom MADJ angestrengt haben. Sieben von acht Angeklagten wurden vom Gericht für schuldig erklärt Berta Cáceres, die Koordinatorin der COPINH, ermordet zu haben.

Doch für Víctor Fernández geht das Urteil genauso wie für die Familie Cáceres nicht weit genug: „Wir wollen kein zu kurz greifendes Urteil, in dem die ausführenden Organe verurteilt werden, aber die Auftraggeber, die Verantwortlichen für den Mord, nicht belangt werden. In diese Richtung lief der Prozess aber von Beginn an“, kritisiert der Anwalt. Er vermutet, dass das Gericht von Beginn an den Auftrag hatte den Prozess so zu steuern, dass Hintergründe und Hintermänner nicht an die Öffentlichkeit dringen konnten. „Aus unserer Perspektiv ging es darum die Funktionsweise des Machtapparats zu verschleiern. Deshalb wurden auch die Verantwortlichen der Desa nicht als Zeugen zur Befragung geladen. Auch die Liste der Funktionäre, die die Konzession für das Kraftwerk bewilligten, obwohl sie damit geltendes Recht verletzten, wurden nicht vorgeladen“, kritisiert Fernández.

Netzwerk mit unbekannter Reichweite

Desa heißt das Unternehmen, welches das Staudammprojekt Agua Zarca realisieren wollte und dabei ausschließlich auf internationale Kredite von Banken wie der holländischen Entwicklungsbank FMO setzte – Eigenkapital nicht existent. Dafür aber der Wille ein Projekt mit allen Mitteln durchzusetzen gegen das sich die lokale Bevölkerung mehrfach öffentlich ausgesprochen hatte. Dafür wurde ein kriminelles Netzwerk aufgebaut, dessen Reichweite bisher noch nicht klar ist und genau dort setzen die Anwälte der Opfer an. „Wir haben ermittelt und herausgefunden, dass sich hinter dem Mord eine politisch-militärische Struktur verbirgt. Das erklärt auch, warum unsere Arbeit systematisch behindert wird“, argumentiert Víctor Fernández. Diese Haltung hat ihn und seinen Bruder Martín, der MADJ im Süden Honduras vertritt nicht nur Freunde gemacht. Anfeindungen, aber auch massive Drohungen gehören quasi zum Alltag der beiden engagierten Juristen. Genau deshalb wird Ihnen am 2. April 2019 im Bremer Rathaus der Bremer Solidaritätspreis verliehen, der herausragendes Engagement für die Stärkung der Zivilgesellschaft und die Menschenrechte auszeichnet.

Für die beiden Brüder eine Auszeichnung, die ihre Arbeit und die Verhältnisse in Honduras sichtbar macht und sie obendrein schützt. „Internationale Aufmerksamkeit hat einen Effekt. Doch das Beispiel von Berta Cáceres zeigt nur zu gut, dass niemand in Honduras unantastbar ist – außer die regierende Elite“, so der Jurist. Cáceres war mit dem Goldman Preis, einem internationalen Preis für Umweltschützer, ausgezeichnet worden, über ihre Arbeit wurde international berichtet und trotzdem wurde sie brutal ermordet. Deshalb sind Briefe wie jener der dreißig Abgeordneten des EU-Parlaments, die Mitte November 2018 an Juan Orlando Hernández, den Präsidenten von Honduras, schrieben und an ihn appellierten ein transparentes Verfahren zu garantieren, wichtig - nicht nur um die Ermittlungen voranzutreiben.

Das scheint alles andere als erwünscht in Honduras und die Kameras rund um die MADJ-Zentrale sind dafür genauso ein Indiz wie die Drohungen, die die Brüder Fernández erhalten hat. Unbequem sind die Ermittlungen und die Klagen, die das Juristenteam um die Brüder Fernández angeschoben hat. Das bestätigt auch Joaquín A. Mejía, Jurist, der für das jesuitische Forschungszentrum ERIC arbeitet. „Ermittlungen, die über den Radius der ausführenden Männer hinausgehen, sind unerwünscht. Doch mit den noch ausstehenden Prozessen gegen den Geschäftsführer der Desa, David Castillo, und die Mitarbeiter in den Ministerien, die das Kraftwerk bewilligten, hat die MADJ vorrausschauend agiert. Das könnte Licht in die Hintergründe bringen, wenn die internationale Aufmerksamkeit nicht nachlässt. Dafür sorgt auch der Bremer Solidaritätspreis.

Autor: Knut Henkel

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