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Honduras |

Wahrheitskommission droht weiter zu spalten

Tegucigalpa. Mit Hilfe einer Wahrheitskommission versuchte Honduras in den 90er Jahren, Ursachen und Folgen des blutigen Bürgerkriegs herauszufinden. Nun soll ein solches Gremium die Hintergründe für den Staatsstreich gegen Präsident Manuel Zelaya klären. Die von der Weltgemeinschaft geforderte Aufarbeitung der Ereignisse ist allerdings ein politisch brisantes Vorhaben, das die Gräben in der Gesellschaft weiter zu vertiefen droht.

Staatschef Porfirio Lobo hat bereits den ehemaligen guatemaltekischen Vizepräsidenten Eduardo Stein mit der Bildung der Kommission beauftragt. Der Putsch stürzte das zentralamerikanische Land im vergangenen Juni in die schwerste politische Krise seit 20 Jahren.

Wie Stein ankündigte, versteht sich die unabhängige Kommission nicht als Strafverfolgungs- und Anklagebehörde. "Wir suchen einen Weg, um eine Aussöhnung zwischen Wahrheit und Gerechtigkeit zu erreichen", versicherte der Politiker, der von 2004 bis 2008 im Amt war. Stein geht davon aus, dass sich die Untersuchungen über einen Zeitraum von sechs Monaten bis zwei Jahren erstrecken werden.

Die Bildung der Kommission wird auch von Beratern der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) aktiv unterstützt. Der Leiter des OAS-Expertenteams, der bolivianische Diplomat Victor Rico, stellte allerdings klar, dass der Staatenbund nicht in der Kommission vertreten sein werde. Gegen die OAS-Beteiligung hätten Personen protestiert, die in den Putsch verwickelt gewesen seien.

Internationaler Druck

Formell war die politische Krise in Honduras im vergangenen Oktober durch das Abkommen von Tegucigalpa/ San José beendet worden. In der zwölf Punkte umfassenden Einigung zwischen Zelaya und dem vom Militär als De-facto-Präsident eingesetzten Roberto Micheletti wurden unter anderem eine Regierung der nationalen Versöhnung und eine Wahrheitskommission vereinbart. Ziel des Plans war, die internationale Isolierung des Landes zu beenden. Gegen die Absetzung Zelayas hatte die Weltgemeinschaft heftig protestiert.

Das Abkommen wurde allerdings nicht wie von der Staatengemeinschaft gefordert umgesetzt. Zelaya, der sich nach seiner heimlichen Rückkehr nach Tegucigalpa monatelang in der brasilianischen Botschaft aufhielt, kam nicht mehr bis zum regulären Ablauf seiner Amtszeit im Januar 2010 in das höchste Staatsamt zurück. Am Tag der Vereidigung des Ende November gewählten Präsidenten Lobo reiste Zelaya schließlich in die Dominikanische Republik aus.

Sein Nachfolger sicherte zu, die Arbeit der Wahrheitskommission zu unterstützen. Sie sei notwendig, um die Ursachen des Staatsstreichs zu klären und der internationalen Gemeinschaft zu zeigen, dass sich solche Geschehnisse in Honduras niemals wiederholen würden, erklärte Lobo.

Politische Beobachter befürchten jedoch, dass der Präsident zwischen die Fronten von Putschisten und alten Anhängern vom Zelaya gerät und damit seine Regierungsfähigkeit aufs Spiel setzt. Beide Lager sind aus unterschiedlichen Gründen gegen die Kommission. Zugleich steht Honduras unter intensiver Beobachtung des Auslands. Erst nachdem die ersten Vorbereitungen für die Wahrheitskommission getroffen waren, erklärten sich Frankreich, Spanien und 15 weitere Länder bereit, wieder diplomatische Beziehungen zu der Regierung in Tegucigalpa aufzunehmen.

Zweifel

Nicht nur die Befürworter des Putsches, sondern auch Bürgerrechtler sprachen sich unterdessen gegen die Kommission aus. Statt Unterschiede zu überbrücken, drohe das Organ das Land zu polarisieren, warnten sie. Die Ziele der Wahrheitskommission seien nicht besonders klar formuliert, kritisierte Reina Rivera von der Menschenrechtsorganisation Ciprodeh im Gespräch mit IPS. Man sehe nicht, wie Wahrheit und Gerechtigkeit garantiert werden könnten. Rivera forderte, dass eine solche Kommission sich auch mit Fällen juristischer Diskriminierung befassen müsse. Bis jetzt seien 230 Verfahren gegen Mitglieder von Bürgerrechtsgruppen angestrengt worden, sagte sie. Dagegen seien lediglich sieben Menschenrechtsverletzer vor Gericht gekommen. Die Bürgerrechtsaktivistin drang darauf, für ihre unparteiische Haltung bekannte Persönlichkeiten in die Kommission zu berufen, damit Honduras zur Institutionalität zurückkehren könne.

Die Zelaya nahestehende Nationale Front des Widerstandes gegen den Staatsstreich sieht die Wahrheitskommission jedoch schon von vorn herein als wirkungslos. Die Putschisten hätten schließlich schon eine Amnestie durchgesetzt, sagte der Koordinator der Bewegung, Juan Barahona. Diese Leute wollten sich nun reinwaschen, von Wahrheitssuche könne also keine Rede sein.

Tatsächlich hat Lobo inzwischen erreicht, dass das Parlament ein umstrittenes politisches Amnestiedekret annahm. Menschenrechtsverletzungen fallen zwar nicht darunter. Allerdings können diejenigen, die vor und nach dem Staatsstreich unter Korruptionsverdacht gerieten, mit Straffreiheit rechnen.

Nach Ansicht des Soziologen Eugenio Sosa hat sich Lobo in eine riskante Position manövriert. Der Präsident lege sich nicht nur mit seinen eigenen Parteifreunden und Unternehmern an, sagte er IPS. Er bringe überdies gesellschaftliche Gruppen gegen sich auf. Die Politologin Isolda Arita sieht das Land tief gespalten. Lobo erbe nicht nur einen wirtschaftlich danieder liegenden Staat, sondern auch ein uneiniges Volk, das sein Vertrauen in die Politik verloren habe.

Autorin: Thelma Mejía (IPS Weltblick), Deutsche Bearbeitung: Corina Kolbe

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