Venezuelas rechte Opposition: Jeder gegen Jeden
Während das Volk unter Hunger und staatlicher Repression leidet, liefert sich die rechte Opposition in Venezuela einen absurden Machtkampf. Davon profitiert vor allem Machthaber Nicolas Maduro. Eine Analyse von Tobias Käufer
Am Wochenende schickten sich jene Venezolaner, die überhaupt noch ein Mobiltelefon besitzen, gegenseitig eine Karikatur von Zeichner Fernando Pinilla. Sie zeigt einen bettelarmen verzweifelten Familienvater mit seinem Kind im Arm. Mit seinem linken Bein versinkt er in einem dampfenden Misthaufen auf dem das Wort „sozialistische Revolution“ steht. Mit seinem rechten Bein steckt er im dampfenden Morast über dem das Wort „politische Opposition“ zu lesen ist. Die Karikatur spiegelt die Gemütslage vieler Venezolaner ganz gut wider: Sie fühlen sich von allen verlassen und in einer aussichtslosen Situation.
Das sozialistische Regime von Nicolas Maduro ist das brutalste seit Ende der rechten Militärdiktaturen in Lateinamerika und produzierte neben einer grassierenden Armut bereits über fünf Millionen Flüchtlinge. Dass Maduro die klare Wahlniederlage 2015 bei den Parlamentswahlen ignorierte, an der Volksvertretung mit Sonderdekreten vorbei regierte und die Nationalversammlung durch eine verfassungsgebende Versammlung mit eigenen ersetzte, ist einer der größten Anschläge auf die politische Kultur Lateinamerikas im laufenden Jahrhundert. Und war der Startschuss für eine Massenflucht aus dem südamerikanischen Land. Demgegenüber steht allerdings eine rechte Opposition, die sich seit Jahren selbst bis aufs Blut bekämpft und so das Vertrauen und die Hoffnung der Bevölkerung, den Maduro-Albtraum beenden zu können, immer wieder aufs Neue verspielt. Nun setzt sie diesem traurigen Treiben die Krone auf.
Die Opposition in Venzuela zersplittert vollends
Es geht um die Teilnahme an den Parlamentswahlen im Dezember dieses Jahres. Die drei prominentesten Köpfe der Opposition nehmen dazu eine gegensätzliche Haltung ein und werfen sich gegenseitig Verrat oder Unterwerfung vor. Interimspräsident Juan Guaidó, zu Jahresbeginn 2019 von der westlichen Welt als möglicher Befreier gefeiert, ist als Tiger abgesprungen und als Bettvorleger geendet. Ihm fehlt das Konzept und die Strategie ein von brutalen paramilitärischen Banden und Polizeieinheiten gestütztes Regime abzulösen. Sein Auftrag Neuwahlen auszurufen konnte er nicht umsetzen. Guaidó will die Parlamentswahlen Ende des Jahres boykottieren, weil selbst einfachste Grundrechte nicht garantiert sind. Die Probleme im Land würden damit aber nur zementiert, nicht gelöst.
Dagegen ruft Henrique Capriles zur Wahlteilnahme auf und bricht damit aus dem Block der Opposition aus. Capriles galt einmal als der Hoffnungsträger der Opposition und unterlag zweimal bei Präsidentschaftswahlen erst Revolutionsführer Hugo Chavez und dann Nicolas Maduro. Letztere hauchdünne Niederlage 2013 zweifelte Capriles an und legte Dokumente und Aussagen vor, die dies belegen sollten. Doch Capriles scheiterte vor dem von Maduro kontrollierten Gericht mit seiner Forderung nach einer kompletten Neuauszählung. Dass Capriles nun einen Wahlgang für potenziell durchführbar hält, wenn Beobachter aus Europa dabei sind, macht viele Venezolaner stutzig.
Wähler stehen vor Dilemma
Maria Corina Machado ist die wohl energischste Gegenspielerin Maduros im Land. Ihr brachen vor Jahren sozialistische Parlamentarierinnen das Nasenbein, als sie zum Rednerpult wollte. Sie teilt sowohl gegen Guaidó als auch gegen Capriles aus: „Capriles ist nun mit dem Maduro-Regime“, sagt Machado. Wer an der Wahlfarce teilnehme, spiele das Spiel der Tyrannei. Und Guaidó habe in 17 Monaten nicht geliefert, was von ihm erwartet worden sei.
Venezuelas Wahlvolk muss sich also zwischen zwei Alternativen entscheiden: Einer Regierungspartei, die für Misswirtschaft, außergerichtliche Hinrichtungen und Folter steht und einer Opposition, in der niemanden dem anderen über den Weg traut und die vor allem vor Konzeptlosigkeit glänzt. In den letzten Jahren haben Millionen Venezolaner deshalb mit den Füßen abgestimmt. Es steht jetzt schon zu befürchten, dass diese Massenflucht nach den Parlamentswahlen und der Corona-Krise eine zweite Welle erfährt.