Venezuela: Heimkehrer als "Bioterroristen" beschimpft
Schutzsuchende werden zu Feinden gemacht: Der venezolanische Staatschef Nicolas Maduro wirft Heimkehrern vor, das Land gezielt mit dem Corona-Virus zu infizieren.
Es ist ein verzweifelter Appell der venezolanischen Jesuiten an den sozialistischen Machthaber Nicolas Maduro: Es sei die Verpflichtung des Staates, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit eine würdige Einreise möglich ist. „Die Rückkehr unserer Landsleute ist ein Menschenrecht und in der Verfassung verankert“, schrieb die Ordensgemeinschaft vor wenigen Tagen in einem offenen Brief.
Migranten kehren nach Venezuela zurück
Denn nahezu unbemerkt von der internationalen Öffentlichkeit spielt sich inmitten der Corona-Pandemie ein humanitäres Drama in Venezuela ab. Von den vielen Millionen Schutzsuchenden, die das von staatlicher Repression und Armut heimgesuchte Land in den vergangenen Jahren verlassen haben, sind allein in den letzten Wochen rund 90.000 Venezolanerinnen und Venezolaner aus dem Nachbarland Kolumbien in ihre Heimat zurückgekehrt. Der Grund: Wegen der Corona-Pandemie brechen die (informellen) Arbeitsmärkte in der Region zusammen, und da sich viele ohne gültige Aufenthaltspapiere in Kolumbien, Peru, Ecuador oder Brasilien aufhalten, fallen sie auch noch durch das Raster staatlicher Hilfsprogramme. Betteln ist wegen der Ausgangsbeschränkungen obendrein fast unmöglich, deswegen kehren sie zurück nach Venezuela, um irgendwie bei Verwandten unterzukommen.
Präsident Maduro wittert Verschwörung
In Venezuela ist die Lage aber nicht besser. Maduro bezichtigt die rechte Regierung des Nachbarlandes Kolumbien, gezielt an Covid-19 erkrankte Migranten ins Land zu schicken, um ganz Venezuela zu infizieren. Ausgerechnet ein katholischer Jesuit, der regierungsnahe Padre Numa Molina, bezeichnete die Flüchtlinge gar als „Bioterroristen“ und wiederholte damit einen Ausdruck, den Maduro bereits Mitte Juli öffentlich verwendet hatte. Via Twitter warnte Molina seine Landsleute vor den infizierten Heimkehrern, die über illegale Pfade einreisten und „die Dein Leben in Gefahr bringen können“. Inzwischen hat er sich für seine inakzeptable Wortwahl entschuldigt, die Jesuitengemeinschaft hat sich von Molina deutlich distanziert.
Misshandlung von Schutzsuchenden
Das von Maduro entfachte Misstrauen gegenüber den Rückkehrern aber bleibt bestehen. In lokalen Medienberichten ist von Prügelattacken auf die Heimkehrer zu lesen. Andere werden unter unzumutbaren Umständen in Auffanglager eingesperrt und unter Quarantäne gehalten. Die offiziell niedrigen Infektionszahlen zweifelt die Opposition an. Tatsächlich haben sich auch zahlreiche ranghohe Vertreter aus dem Machtapparat wie die Nummer zwei der Sozialisten, Diosdado Cabello, infiziert. Kirchliche Gruppen berichten über hohe Infektionszahlen unter der indigenen Bevölkerung.
Die interamerikanische Menschenrechtskommission (CIDH) drückte in dieser Woche ihre Besorgnis über die Lager auf. Es gäbe dort weder Trinkwasser noch ausreichend Lebensmittel. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch und die Johns-Hopkings-Universität haben nun für die kommende Woche eingeladen, um über das in Venezuela wegen Covid-19 zusammenbrechende Gesundheitssystem zu berichten. Dabei steht die Corona-Krise in dem heruntergewirtschafteten Land offenbar erst am Anfang.