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Venezuela: "Doktor der Armen" seliggesprochen

Mitten in der Corona-Pandemie wird in Venezuela ein Arzt seliggesprochen, der wegen seines Einsatzes für die Armen längst als Volksheiliger verehrt wird. Die Seligsprechung ist nicht nur ein kirchliches Ereignis, sondern auch ein Politikum. 

Figur des seliggesprochenen "Doktor der Armen". Foto: Christian Frevel

Figur des seliggesprochenen "Doktor der Armen". Foto: Christian Frevel

In Venezuela ist der Arzt José Gregorio Hernández (1864 - 1919) für seinen Einsatz für die Ärmsten und Schwächsten zu Zeiten der Spanischen Grippe seliggesprochen worden. Der "Doktor der Armen" sei in der aktuellen Corona-Krise ein "Licht der Hoffnung für uns alle", so eine Erklärung der Venezolanischen Bischofskonferenz anlässlich seiner Seligsprechung am Freitag, 30. April 2021. Sein ganzes Leben über, und insbesondere während der Spanischen Grippe zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts, habe Hernández "Sensibilität für die Bedürftigsten" gelebt und medizinische Studien zur Linderung menschlichen Leids vorangetrieben. "Er hat nie aufgehört, sich als Teil seines Volkes zu fühlen, dem er seinen ganzen Einsatz gewidmet hat", begründen die Bischöfe die Seligsprechung mit den aktuellen Herausforderungen für die venezolanische Gesellschaft in der Covid-19-Pandemie.

Arzt, Forscher und Volksheiliger

Doktor José Gregorio Hernández Cisneros wurde am 26. Oktober 1864 in der Kleinstadt Isnotú im Andenbundesstaat Trujillo, knapp 430 km westlich von Caracas, geboren. Mütterlicherseits war der Älteste von sechs Geschwistern mit dem spanischen Kardinal Francisco Jiménez de Cisneros verwandt, Begründer der Universität von Alcalá und Beichtvater der spanischen Königin Isabel la Católica (1474 - 1504). Nach dem frühen Tod seiner Mutter und mit dem Wunsch, Arzt zu werden, reiste er als 13-Jähriger ins ferne Carácas.

Dort geht er zur Schule, freundet sich mit führenden Medizinern an und beendet als sehr guter Schüler seine Ausbildung mit nur 17 Jahren. 1888 promoviert der junge Mann an der Zentraluniversität Venezuela in Caracas zum Doktor der Medizin. Dank eines staatlichen Stipendiums spezialisiert er sich an Universitäten in Paris und Berlin. Neben Fremdsprachen wie Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch studiert Hernández Bakteriologie, Pathologie, Mikrobiologie, Histologie und Philologie.

Medizin im Dienst der Menschen

Erstmals als praktizierender Arzt arbeitet er im venezolanischen Hauptstadt-Krankenhaus José María Vargas, wo er bis zum Chefarzt aufsteigt. Von 1891 bis 1916 lehrt er Medizin. Auch wird er frommer Anhänger der römisch-katholischen Kirche. In diesem Zeitraum scheitern zwei Versuche, katholischer Priester zu werden, an seiner angeschlagenen Gesundheit. Venezuela verdankt seinem Einsatz unter anderem die Einführung des Mikroskops, damals eine bahnbrechende Erfindung. Auch führt er die neuen Theorien der Virschowschen Zellforschung in Venezuela ein, wo er das erste Institut für Bakteriologie begründet.

Bereits während seines Studiums beschäftigt sich Hernández mit der sozialen Frage. Eines seiner Hauptanliegen ist es, den verarmten Massen der Unterschicht Zugang zu medizinischer Betreuung zu garantieren. Aus diesem Antrieb behandelt der "Doktor der Armen" mittellose Menschen kostenfrei, kauft Medikamente von seinem eigenen Geld und arbeitet auch in abgelegenen Dörfern des Landes. Am 29. Juni 1919 stirbt Hernández, als er beim Überqueren einer Straße in Caracas auf dem Weg von einer Apotheke zu einem Patienten von einem der wenigen Autos, die es damals gab, überfahren wird.

Schnell nach seinem Tod beginnt die volkstümliche Verehrung des Doktors. An seinem Grab, so heißt es, würden Kranke wie durch Wunderhand geheilt: Der Mediziner wird zu einem Volksheiligen. So entsteht auch der Brauch, Doktor José Gregorio vor langen Reisen um Schutz zu bitten. Noch heute gibt es überall in Venezuela Bilder und Figuren des Volksheiligen zu kaufen, die ihn mit Hut, Schnurrbart und in vornehmer schwarzer Kleidung zeigen.

Seligsprechung als Politikum

Die Seligsprechung am heutigen Freitag kommt nicht überraschend. Bereits 1949 leiteten die Bischöfe Venezuelas den Seligsprechungsprozess ein. Papst Johannes Paul II. erhob ihn 1985 in den Stand eines Ehrwürdigen Dieners Gottes. Mitten in der Corona-Pandemie ist die Seligsprechung auch ein Politikum und Seitenhieb auf die herrschende Maduro-Administration. "Wir brauchen Wege der gesellschaftlichen und politischen Verständigung, damit die Impfungen die gesamte Bevölkerung erreichen, ohne Unterscheidung von religiösem Glauben, sozialem Stand oder politischer Ideologie", klagt die Bischofskonferenz die ungerechte Impfstoff-Verteilung im Lande an.

In den letzten Wochen hatten Medizinerverbände und die Opposition um den Politiker Júan Guaidó das Impfmanagement der Maduro-Regierung wiederholt als "diskriminierend" verurteilt. Tatsächlich wurden in dem Karibikstaat zuerst der Präsident und seine Frau, Regierungsmannschaft, Militärs und Parlamentarier der Regierungspartei geimpft, während andere Bevölkerungsgruppen weiter außen vor bleiben. Kritik wird zudem an der schleppenden Impfstoff-Beschaffung geübt. Beim Impftempo liege Venezuela auf dem Niveau von Nicaragua und Haiti, so die Kritik. Lange setzte die Maduro-Administration im Kampf gegen das Corona-Virus auf den russischen Impfstoff "Sputnik V" sowie auf Vakzine aus kubanischer Produktion. Die Opposition forderte für eine Beschleunigung des Impftempos hingegen die Teilnahme Venezuelas an dem Impfprogramm "Covax" der Vereinten Nationen, das sich für eine gerechte globale Impfstoff-Verteilung stark macht.

Kritik an intransparenter Impfstoffverteilung

Nach mehreren Protestaktionen gab Maduro seinen Widerstand schließlich auf und bestellte über den Covax-Mechanismus Impfdosen des Herstellers AstraZeneca im Wert von 120 Millionen US-Dollar. "Wir entwickeln die Impfung zügig und schnell", erklärte zuletzt Gesundheitsminister Carlos Alvarado anlässlich einer Hilfslieferung von 16 Tonnen medizinischen Materials aus China. Die Impfprioritäten lägen zunächst beim Gesundheitspersonal an der "Frontlinie" der Pandemie, verteidigt die Regierung die Impfreihenfolge. Wieviele Menschen in Venezuela tatsächlich geimpft sind, bleibt mangels amtlicher Daten weiter fraglich.

Venezuelas Ärzteorganisation "Federación Médica Venezolana" schätzt, dass im April nur 0,3 Prozent der 28,5 Millionen Einwohner eine Erstimpfung erhalten haben. Die Seligsprechung des "Doktor der Armen", auch sie ist Teil des Tauziehens um die politische Deutungshoheit im gespaltenen Venezuela geworden. So erklärte die von der Maduro-Regierung kontrollierte Nationalversammlung den Tag der Seligsprechung vom "Doktor der Armen" durch Papst Franziskus diese Woche kurzerhand zum Nationalen Feiertag.

Adveniat leistet Corona-Nothilfe

„Die Menschen in Venezuela haben den Arzt José Gregorio schon lange Heilig gesprochen“, sagt der Venezuela-Referent des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, Reiner Wilhelm. "Man hat die Hoffnung, dass auf seine Fürsprache auch das aktuelle Virus besiegt wird“, so Wilhelm. Seitdem die Variante aus Brasilien in Venezuela angekommen ist, habe sich die Zahl der erkrankten und verstorbenen Menschen dramatisch erhöht, weiß Reiner Wilhelm. Viele Menschen seien durch Corona in extreme Armut gefallen. Deshalb habe Adveniat bis heute 45 Corona-Projekte mit insgesamt 568.835 Euro in Venezuela finanziert. 

Autor: Benjamin Beutler

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