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Tragen Autobauer zur Zerstörung des Regenwalds bei?

30 Prozent des Leders für Autositze kommt aus Brasilien. Ein erheblicher Teil der Tiere dürfte auf illegal gerodeten Flächen geweidet haben. Auch deutsche Autobauer könnten betroffen sein, sagen norwegische Aktivisten.

Rondônia, Brasilien: Wo ehemals Regenwald stand, weiden Rinderherden. Foto: Adveniat/Gleice Mere

Rondônia, Brasilien: Wo ehemals Regenwald stand, weiden Rinderherden. Foto: Adveniat/Gleice Mere

Was haben Leder und Fleisch gemein? Beides stammt häufig von Rindern. Und beides steht im Zusammenhang mit der illegalen Rodung des Regenwaldes. Denn als weltgrößter Lieferant von Rindfleisch ist Brasilien auch der größte Lederexporteur: Rund 30 Prozent der Tierhäute auf dem Weltmarkt stammen aus dem südamerikanischen Land. Mit rund 214 Millionen Stück Vieh hält Brasilien die größte Rinderherde der Welt. Etwa die Hälfte davon weidet im Amazonas-Gebiet - oft auf illegal abgeholzten Waldflächen.

Ein großer Abnehmer für brasilianisches Leder ist die europäische Autoindustrie: VW, Daimler und BMW aus Deutschland sowie PSA (Peugeot, Citroen, Opel) und Renault beziehen damit ihre Autositze. Und so stehen diese Unternehmen im Verdacht, durch ihre Nachfrage der illegalen Abholzung des Regenwaldes Vorschub leisten. "Aktuell kann kein Autohersteller beweisen, dass er damit nichts zu tun hat", berichtet Joana Faggin der DW. Sie ist die Hauptautorin einer Studie der Rainforest Foundation Norway (RFN) mit Sitz in Oslo, die an diesem Freitag erschienen ist: "Unser Bericht soll zeigen, dass es einen ganzen Wirtschaftszweig gibt, in dem es an Transparenz fehlt."

Lange Lieferketten, mangelhafte Transparenz

Klar ist: Die internationalen Lieferketten sind komplex. Auch bei vermeintlich einfachen Produkten wie Leder. Die Herkunft eindeutig zu bestimmen, ist deshalb nahezu unmöglich. Um den Ursprung des Leders zu erforschen, das europäische Autobauer nutzen, haben Faggin und ihre Co-Autoren Handelsrouten verfolgt, Unterlagen der involvierten Unternehmen und bereits vorliegende Forschungsarbeiten ebenso ausgewertet wie Studien, die Verstöße gegen Umweltgesetze dokumentieren.

Demnach gibt es zumindest starke Indizien dafür, dass ein erheblicher Teil des brasilianischen Leders von illegalen Weiden im Amazonas-Gebiet stammt. Der größte Teil wird als Wet Blue - also als chromgegerbtes Rohleder - nach Italien geliefert und dort weiterverarbeitet, bevor damit Autositze bezogen werden. Dies geschieht vor allem in Deutschland und Slowenien, wo rund 35 Prozent aller Autositze weltweit hergestellt werden.

Der RFN-Studie zufolge kann niemand garantieren, dass in Brasilien gekauftes Leder nicht von gerodeten Flächen stammt. "Im Gegenteil: Die Untersuchungen zeigen eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Rodungen eine Rolle in dieser Lieferkette spielen", heißt es in dem Dokument, das der DW vorliegt. Der größte Teil des aus Brasilien exportierten Leders stammt aus Gerbereien im Amazonasgebiet. Die verarbeiteten Häute stammen von Tieren, die in der Region gezüchtet und geschlachtet wurden. Die größten Unternehmen der Branche sind JBS Couros, Minerva Couros, Vancouros, Fuga Couros, Durlicouros, Mastrotto Brasil und Viposa. Der RFN-Studie zufolge stehen sie alle in Verbindung zu teilweise illegalen Rodungen.

Illegale Zucht für legale Betriebe

Das Problem der Rückverfolgung des Leders betrifft genauso das Rindfleisch: Viele illegal agierende Viehzüchter liefern ihre Rinder an offiziell registrierte Zuchtbetriebe, kurz bevor der Schlachter sie abholt. "Jeder weiß, dass solche indirekten Lieferanten das Problem sind. Das wissen auch die Betreiber der großen Kühlhäuser", sagt Studien-Autorin Faggin. "Und keinem von ihnen ist es gelungen, ein wirksames Monitoring aufzubauen."

Bei 100 Millionen Rindern im Amazonas-Gebiet - einem kaum erschlossenen Areal größer als die Europäische Union - ist es nicht schwer, Überwachungssysteme zu überlisten. Aber die Unternehmen, sagt Paulo Barreto von der Nichtregierungsorganisation Imazon, täten auch wenig, um das Problem zu lösen. Die Organisation hat eine Methodik entwickelt, um das Risiko zu messen, mit dem ein Kühlhaus in der Region Fleisch aus gerodeten Gebieten bezieht. Dabei werden Informationen wie der Verkaufsort, die Entfernung zum Aufzuchtsort oder das Straßennetz ausgewertet.

Große Lederexporteure geloben Besserung

Von den sieben untersuchten Lederexporteuren aus Brasilien haben vier die Fragen der DW beantwortet: JBS, der Gigant des Leder- und Fleischmarktes, bestreitet jegliche Verbindung zu illegalen Rodungen und verweist auf eine Internetseite, auf der die Herkunft jedes Stückes Leder von JBS nachzuvollziehen sei. Zum Problem der indirekten Lieferungen schrieb das Unternehmen, die 2020 gegründete Plattform "Pécuaria Transparente" (dt. "Transparente Viehzucht") weite das Monitoring der "Lieferanten der Lieferanten" aus und werde bis 2025 eine endgültige Lösung präsentieren.

In eine ähnliche Richtung geht die Antwort von Minerva: Die Nachverfolgung von Leder aus Brasilien sei ab den Kühlhäusern dank Registrierstempeln zu "100 Prozent" möglich. Zudem plane man, das geografische Monitoring durch ein neues Werkzeug zu verbessern, um das Risiko besser bewerten zu können, das von indirekten Lieferanten ausgeht. Vancouros und Viposa deuteten lediglich an, man berücksichtige das Problem beim Rohstoffeinkauf und lasse sich dies auch zertifizieren.

Autobauer berufen sich auf Verträge

Die drei deutschen Autobauer teilten der DW mit, sie würden von allen Lieferanten schriftliche Garantien einfordern, dass ihr Leder keinen Bezug zu illegalen Rodungen habe.

Daimler teilte zudem mit, man verlange explizit, dass geliefertes Leder überhaupt nicht aus der Amazonas-Region oder einer der anderen bedrohten Ökosysteme Brasiliens - wie Pantanal oder Cerrado - stamme. Volkswagen kritisierte die RFN-Studie als ungenau. So sei brasilianisches Leder in der Regel chromgegerbt, Volkswagen nutze in Europa aber ausschließlich Leder, das ohne Chrom gegerbt sei. BMW teilte mit, lediglich fünf Prozent des aktuell vorrätigen Leders stamme aus Brasilien und in den kommenden Jahren werde man es ganz aus dem Einkaufsprogramm streichen.

Die beiden französischen Autobauer nahmen bis zur Veröffentlichung dieses Artikels keine Stellung. PSA teilte immerhin mit, man wolle nicht antworten, solange man die RFN-Studie nicht vorliegen habe.

Zu viele Akteure für effektive Überwachung

Mehrere der untersuchten Unternehmen nannten die Leather Working Group (LWG) als Referenz, die als international anerkannteste Zertifizierungsorganisation für Leder gilt. Doch auch sie habe ein ähnliches Problem, sagt RFN-Autorin Faggin: "Der Lieferant legt LWG eine Erklärung vor, in der er versichert, dass es keine Verbindung zu Rodungen gibt. Eine rigorose Überprüfung gibt es nicht."

Für die Studien-Autoren macht sich die Automobilindustrie damit zum Komplizen, wenn sie weiterhin Rohstoffe aus Gebieten kauft, in denen illegal gerodet wird: "Keiner der fünf großen Autobauer hat eine starke Unternehmenspolitik, um das zu kontrollieren", heißt es in dem Dokument.

Paulo Barreto von Imazon setzt auf eine stärkere internationale Beachtung für dieses Thema: "Die Herkunft des Leders zu verfolgen ist noch schwieriger als beim Fleisch", sagt er. "Der internationale Druck hat schon Änderungen erzeugt, aber sie sind klein im Vergleich zu dem Problem." Es gebe einfach zu viele Fallstricke und zu viele Akteure.

Seit zwölf Jahren wurde in Brasilien nicht mehr so viel Regenwald abgeholzt wie 2020: Nach Daten des Nationalen Instituts für Raumstudien Inpe waren es mehr als 11.000 Quadratkilometer. Das ist ein Zehntel der Waldfläche Deutschlands. Nach Imazon-Studien wurden mehr als 90 Prozent dieser Fläche illegal entwaldet. Und etwa 90 Prozent dieser Fläche wurden für die Viehzucht gerodet.

Aus dem Portugiesischen adaptiert von Jan D. Walter

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