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Brasilien |

Streit um Brasiliens Boden

Intellektuelle unterstützen Landlose gegen Parlamentarier.

São Paulo. Es geht um ihren guten Ruf - und um viel Geld. Brasiliens Landlosenbewegung MST (Movimento sem Terra) könnte bald Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses sein. Das fordern zumindest brasilianische Politiker, die dem Agrarsektor nahe stehen. Sie wollen die öffentliche Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen überprüfen lassen, die im Bereich Landreform tätig sind. Auch zugunsten der Landlosenbewegung und gegen einen Untersuchungsausschuss erheben sich politische Stimmen. Führende Intellektuelle schlugen sich ebenso öffentlich auf die Seite des MST. Sie vermuten eine Kampagne der Landbesitzer und des Großkapitals.

Ein führender Kopf der Initiative für einen Untersuchungsausschuss ist die Senatorin Katia Abreu. Die Vorsitzende des Bauernverbandes kritisierte die öffentliche Finanzierung von vier Nichtregierungsorganisationen. Diese seien in Wirklichkeit Scheinorganisationen des MST und gäben die Gelder an die "kriminelle Landlosenbewegung" weiter. Es geht um Überweisungen von umgerechnet rund 15 Millionen Euro durch den Staat sowie weitere 7,5 Millionen Euro, die aus dem Ausland in den vergangenen Jahren an den MST geflossen sind. "Wir müssen der öffentlichen Finanzierung des MST ein Ende setzen," fordert Abreu.

Sie und andere Politiker wollen dabei auch das Vorgehen der Nationalen Besiedlungs- und Landreformbehörde INCRA untersuchen. Diese vergibt Aufgaben an Nichtregierungsorganisationen, die dafür öffentliche Gelder erhalten. In der Vergangenheit hatte der Rechnungshof die Praxis der öffentlichen Finanzierung von der MST nahestehenden Nichtregierungsorganisationen kritisiert. Die Regierung hatte diese Praxis jedoch stets verteidigt.

Für den Fall, dass es zu einem Untersuchungsausschusses kommen sollte, haben Regierungspolitiker nun ihrerseits die öffentliche Finanzierung von Einrichtungen angekündigt, die den Bauernverbänden angegliedert sind. Sie sollen in den Jahren 2000 bis 2006 umgerechnet knapp 400 Millionen Euro erhalten haben.

Derzeit liegt der Antrag auf Einrichtung des Ausschusses allerdings auf Eis. Überraschend hat nun Senatspräsident Jose Sarney die Landlosenbewegung verteidigt und vor deren Kriminalisierung gewarnt - dabei gilt Sarney als den Großgrundbesitzern verbunden. Der Senatspräsident dürfte mit seiner Aktion Regierungschef Luiz Inacio Lula da Silva zur Seite gesprungen sein - der seinerseits Sarney in den vergangenen Monaten gegen Korruptionsvorwürfe in Schutz genommen hatte. Lula will vor den Präsidentschaftswahlen 2010 eine Diskussion um die Verbindungen von Regierung und Landlosenbewegung verhindern. Diese hatte den Amtsinhaber bei seinen Wahlsiegen 2002 und 2006 unterstützt.

Zugespitzt hatte sich der Konflikt zwischen der Landlosenbewegung und den Bauernverbänden, nachdem Lula dem MST im August versprochen hatte, den seit 1975 zu Grunde gelegten Produktivitätsindex für landwirtschaftliche Betriebe zu aktualisieren. Im Zuge der Landreform werden unproduktive Betriebe enteignet und an landlose Familien übertragen. Führer des Agrarsektors befürchten nun eine neue Enteignungswelle - und kündigten Protest gegen die Neuberechnung an.

Nun schalten sich auch Intellektuelle in den Streit um Brasiliens Boden ein. In einem Manifest mit dem Titel "In Verteidigung der Demokratie und des MST" heißt es: "Wenn die brasilianische Landwirtschaft wirklich so modern und produktiv ist, wie es die Vertreter des Agrobusiness darstellen: Wieso fürchtet sie dann derart die Aktualisierung des Index?"
Dieser Frage schließen sich unter anderen bekannte Köpfe wie der Befreiungstheologe Leonardo Boff, der uruguayische Schriftsteller Eduardo Galeano und der Präsident der Landpastoral der katholischen Kirche Brasiliens, Ladislau Biernaski, an. Auch sie warnen vor einer Kriminalisierung der Landlosenbewegung, die beharrlich "eine der Säulen der sozialen Ungleichheit in Brasilien" hinterfrage: das Landmonopol. "Daher", so argwöhnen sie, "stammt der Hass der Landbesitzer und anderer Sektoren des Großkapitals".

Von Thomas Milz (KNA)

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