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Bolivien |

Staat gegen Kirche - jetzt auch in Bolivien

Im Streit um die Deutungshoheit der Ereignisse nach den Wahlen 2019 will die Justiz die Bischöfe in Bolivien vernehmen. Die sprechen von politischer Verfolgung.

Politische Kundgebung vor der Kirche San Francisco in La Paz 2018. Foto: Adveniat/Martin Steffen

Gerade erst wurde in Nicaragua Bischof Rolando Alvarez wegen Vaterlandsverrats zu 26 Jahren Haft verurteilt. Er hatte sich in der Vergangenheit regierungskritisch über die sandinistische Regierung von Präsidenten Daniel Ortega geäußert. Deswegen sprechen nun erste Medien in Bolivien von der "Ortegaisierung" Boliviens. Auch dort drohen nun Bischöfen Ermittlungen der Justiz. Es geht um ihre Rolle während der Unruhen rund um die umstrittenen Präsidentschaftswahlen 2019.

Genau da liegt das Problem. Zwischen der sozialistischen Regierung um Präsident Luis Arce und dessen Vorgänger Evo Morales, der an einem Comeback feilt und offenbar wieder nach der Macht greift, und der Kirche gibt es gravierende Unterschiede in der Betrachtung der damaligen Vorfälle.

Während die Justiz der Darstellung des damals zurückgetretenen Präsidenten Morales folgt und von einem Putschversuch spricht, hat die Kirche ihre eigene Dokumentation der Ereignisse verfasst. Darin kommt Morales nicht so gut weg. Und in diesen Tagen machten Kirchenvertreter noch einmal klar, dass sie an ihrer Dokumentation der Ereignisse festhalten werden.

Ablenkungsmanöver?

Für den Politikwissenschaftler Carlos Cordero ist das ganze Vorgehen "eine Nebelkerze, um von der wirtschaftlichen Krise abzulenken", sagte er dem Portal "EJU". Alterzbischof Jesus Juarez von Sucre spricht von einer Revanche der Behörden, weil die Kirche zuletzt eine Justizreform gefordert hatte. Die aktuelle Justiz sei parteiisch und werde von den Mächtigen benutzt.

"Sollen sie doch mit der gleichen alten Geschichte über den Staatsstreich weitermachen, jeder weiß, dass es Betrug war", wird Juarez im "Correo del Sur" zitiert. Der Erzbischof von La Paz, Percy Galvan, nannte laut lokalen Medienberichten den Antrag der Justiz einen Versuch der Einschüchterung und politischer Verfolgung.

Nun schaukeln sich beide Seiten hoch. Die Sozialisten pochen auf ihre Sichtweise, von der vor allem Morales profitieren würde. Die Kirche dagegen beharrt auf ihrer Sichtweise, die sich in vielen Punkten mit der der Opposition deckt.

Vergiftete Lage

Das südamerikanische Land Bolivien wurde nach der Präsidentschaftswahl im Oktober 2019 von heftigen Unruhen erschüttert. Schon die erneute Kandidatur des damaligen Präsidenten Evo Morales war nach einem verloren gegangenen Referendum über eine dazu notwendige Verfassungsänderung hoch umstritten.

Das bolivianische Volk lehnte eine Amtszeitverlängerung und damit eine erneute Kandidatur von Morales ab. Der aber brach nach der Niederlage sein Wort und setzte seine Kandidatur gegen das Wählervotum auf juristischem Wege durch. Seitdem ist die politische Lage im Land vergiftet. Morales räumt heute ein, es sei ein Fehler gewesen, auf einer Kandidatur zu bestehen.

Nach den Wahlen 2019 warf die Opposition dem seit 2006 regierenden sozialistischen Präsidenten Betrug vor, Hunderttausende gingen auf die Straße. Morales bestand zunächst auf einem Sieg im ersten Durchgang. Eine Kommission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) sprach in ihrem Abschlussbericht von schwerwiegenden Manipulationsversuchen und empfahl Neuwahlen. Auch bolivianische Informatiker kamen zu diesem Schluss.

Schließlich trat Morales auf Druck aus den Reihen regierungsnaher Gewerkschaften, der Ombudsstelle des bolivianischen Volkes, der Armee und der Polizei zurück. Er ging zunächst nach Mexiko und später nach Argentinien ins Exil. Inzwischen ist er wieder in Bolivien, nimmt innerhalb der sozialistischen Regierungspartei führende Funktionen wahr und nennt die damaligen Vorfälle einen Putschversuch gegen sich.

Er beruft sich auf ein späteres Gutachten aus den USA, dass seine Sichtweise bestätige. In der Zwischenzeit hat die Kirche eine eigene Dokumentation über die Ereignisse von 2019 veröffentlicht, darin wird weitestgehend die Sichtweise der Opposition gestärkt.

Autor: Tobias Käufer (KNA)

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