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Spätes feministisches Erwachen auf Kuba

Der brutale Mord an einer 17-Jährigen facht eine feministische Debatte an. Trotz Reformen im Familienrecht, die gewalttätige Partner bestrafen, müsse gerade in der Prävention noch viel getan werden, so feministische Organisationen. Deren Mitglieder werden vom Staat observiert und kritisieren dessen Komplizenschaft mit den Tätern.

Zwei Frauen sitzen sich gegenüber, lächeln sich an und reichen sich die Hände.

Frauen in Kuba fordern endlich mehr Gerechtigkeit. Foto (Symbolbild): Adveniat/Martin Steffen

Leidy war 17 Jahre alt als sie starb. Es war ein Samstag im Januar; sie war mit Freunden auf einer Party in Nuevitas, einem kubanischen Ort im Landesinnern. Gegen Mitternacht, berichteten später lokale Journalisten unter Berufung auf Zeuginnen und Zeugen, habe ein älterer Mann sie bedrängt. Es sei zu einer lauten Auseinandersetzung gekommen. Der Mann habe eine Machete ausgepackt; Leidy sei auf die nahegelegene Polizeistation geflohen. Dort holte der Mann sie ein, zerrte sie nach draußen und verletzte sie mit zwei Hieben so schwer, dass sie verstarb.

Später stellte sich heraus, dass der 50-Jährige vorbestraft war und drei Jahre lang ein Verhältnis mit der 17-Jährigen gehabt hatte – obwohl deren Eltern ihn wegen Pädophilie angezeigt hatten und versuchten, ihn hinter Gitter zu bringen.
Der brutale Frauenmord auf der Polizeiwache löste eine Welle der Empörung auf Kuba aus und brachte eine feministische Debatte ins Rollen.

Allein in diesem Jahr wurden in dem karibischen Land 16 Frauen ermordet, im vergangenen Jahr waren es 36. Dies geht aus Daten der Frauenorganisation YoSíTeCreo hervor, die in Ermangelung offizieller Statistiken eigene Zahlen erhebt, zumeist mit Hilfe von Betroffenen oder Bürgerjournalistinnen und -journalisten sowie des feministischen Portals Alas Tensas. Die beiden Organisationen kommen auf 129 Frauenmorde seit 2019. Die tatsächliche Zahl dürfte den Kollektiven zufolge deutlich höher sein. 

Noch viel zu tun

Bis vor einigen Jahren waren Frauenmorde auf der Insel kein Thema. Obwohl Machismo und sexueller Missbrauch in der ganzen Karibik ein enormes Problem sind, war Kuba laut Angaben des Staates davon ausgenommen. Morde wurden als Einzelfälle asozialer Individuen behandelt. So wurde eine Debatte über das strukturelle Patriarchat im Keim erstickt. Erst seit dem Jahr 2018, als nach und nach mobiles Internet auf der Insel verfügbar wurde, flossen die Informationen besser – und entsprechend wuchs der Druck. 

Die Arbeit von unabhängigen feministischen und LGBTQ-Kollektiven mündete schließlich 2022 in eine Reform des Familienrechts, das noch aus dem Jahre 1975 stammte und beispielsweise Kinderehen erlaubte. In der Reform wurde nicht nur die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert, sondern auch härtere Strafen für Gewalt gegen Frauen verhängt. Unter anderem verlieren gewalttätige Partner nun das Sorgerecht für ihre Kinder oder das Recht, ihre verstorbenen Ehepartner zu beerben. 

Für YoSiTeCreo ist das aber noch lange nicht ausreichend. „Wie der Fall Leidy gezeigt hat, brauchen wir dringend Krisenprotokolle und Präventionsmechanismen“, so eine Sprecherin, die anonym bleiben will. Denn Feministinnen werden von der Staatssicherheit observiert, da sie unter umstürzlerischem Generalverdacht stehen. 

Kubas #MeToo

Justiz und Polizei reagierten nach Angaben der Aktivistinnen viel zu langsam auf Anzeigen häuslicher Gewalt. Noch viel zu häufig würden schutzsuchende Frauen von der Polizei nach Hause geschickt mit dem Satz, sie sollten das unter vier Augen regeln. Auch Frauenhäuser gibt es viel zu wenig; Reformen zu mehr Geschlechtergerechtigkeit stünden nur auf dem Papier. Die Notrufnummer 103 für Alkoholiker, Selbstmordgefährdete und bedrängte Frauen sei beispielsweise nur ein Jahr lang aktiv gewesen.

Die Öffentlichkeit hingegen wird immer sensibler. Das zeigte unlängst der Fall Fernando Bécquer. Der kubanische Sänger ist ein treuer Parteisoldat und galt daher in den Augen vieler als unantastbar. Doch dann enthüllte das unabhängige Portal „El Estornudo“ im Jahr 2021 zahlreiche  Berichte von Frauen, die von Bécquer sexuell missbraucht worden waren. Das brachte eine Lawine ins Rollen, die als kubanisches #MeToo bekannt wurde. Bécquer wurde auf Grundlage der Zeugenaussagen im Jahr 2022 zu fünf Jahren Hausarrest verurteilt. Als er sich daraufhin öffentlich über seine Opfer lustig machte, löste dies eine derartige Welle der Empörung aus, dass der Hausarrest in eine Haftstrafe umgewandelt wurde. „Die Schweigespirale ist durchbrochen”, konstatiert die Sprecherin von YoSiTeCreo.

Autorin: Sandra Weiss

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