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Kolumbien |

Skepsis nach dem Amazonas-Gipfel

Brasiliens Agrarlobby und internationale Bekleidungskonzerne machen Druck auf Präsident Bolsonaro. Der WWF fordert die Nachverhandlung des EU-Mercosur-Abkommens.

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Berge und dichter Amazonas-Urwald im brasilianischen Siedlungsgebiet des Yanomami-Volkes. Foto: Adveniat/Jürgen Escher

Das Setting wirkte harmonisch und einverständlich. In einer Hütte der Amazonas-Ethnie Muina Murui saßen Präsidenten, Vize-Präsidenten und Minister aus sieben Staaten Südamerikas mit Ureinwohnern zusammen und berieten, wie man ihr Gebiet schützen kann, an dessen Überleben die ganze Welt ein Interesse hat. Es waren schöne Bilder für die Welt. Die Machthaber der Region waren am Freitag, 6. September 2019, in die kolumbianische Amazonas-Stadt Leticia gekommen, um angesichts der Brände konkrete Maßnahmen zur Rettung der grünen Lunge der Welt zu beschließen. Heraus kamen am Ende 16 Beschlüsse, aber die ideologischen Differenzen, die sich offenbarten, insbesondere die Verbohrtheit von Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro, lassen Zweifel an der Umsetzbarkeit des Paktes aufkommen. 
 
Wirklich gute Nachrichten kommen einzig von der brasilianischen Agrarlobby und internationalen Bekleidungskonzernen. Die einen fordern Bolsonaro in einer seltenen Allianz mit regierungsunabhängigen Organisationen zum Handeln gegen Abholzung und illegale Landnahmen auf. Die andern wollen kein brasilianisches Leder mehr kaufen, um so nicht weiteren Umweltvergehen Vorschub zu leisten. 

Indigene sollen bei Waldschutz mitreden
 
Bei dem Treffen in Leticia einigten sich Kolumbien, Peru, Brasilien, Ecuador, Bolivien, Surinam und Guyana unter anderem darauf, illegale Brandrodungen zu erschweren und Wetterdaten auszutauschen. Zudem sollen die indigenen Amazonasbewohner in den Schutz des Regenwaldes mehr eingebunden werden. Ferner will man verstärkt gegen kriminelle Banden vorgehen, die sich immer dreister großer Teile Amazoniens bemächtigen. Länderübergreifend sollen zudem Polizei und Geheimdienste beim Kampf gegen illegalen Bergbau und den Schmuggel von geschützten Pflanzen und Tieren zusammenarbeiten. Künftig soll insbesondere der Fokus auf die Prävention gelegt werden, damit Abholzungen und Brandrodungen bereits im Vorfeld bekämpft werden können. Seit Jahresbeginn wurden allein in Brasilien über einhunderttausend Feuer gezählt. Dies entspricht einer Zunahme von knapp zwei Dritteln im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Außer in Brasilien brennt es vor allem im benachbarten Bolivien verheerend. 

Gründung eines länderübgreifenden Amazonas-Netzwerks 

Besonders auf länderübergreifende Zusammenarbeit in einem Amazonas-Kooperationsnetzwerk legen die Unterzeichnerstaaten des „Pakt von Leticia“ künftig wert. Doch genau hier sind Probleme absehbar. Brasiliens unpässlicher Präsident Bolsonaro ließ sich per Videokonferenz zuschalten und gebar sich in gewohnter Art und Weise als Spielverderber. Er weigerte sich, zum Amazonas-Schutz bei der nationalen Souveränität Abstriche zu machen und beschuldigte zudem seine linken Vorgängerregierungen, für die Vernichtung des Regenwaldes Verantwortung zu tragen. Darüberhinaus warf er insbesondere Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron vor, sich der Reichtümer des Amazonas bemächtigen zu wollen. Die internationale Empörung gegen seine Regierung habe „nur das Ziel, Brasiliens Souveränität anzugreifen", behauptete Bolsonaro. 
 
Boliviens linker Präsident Evo Morales hingegen machte den Kapitalismus für alles Übel im Amazonas verantwortlich. Schuld an der Zerstörung des Regenwalds seien das Streben „nach Profit und Luxus“ sowie der Konsum, den einige wenige genössen. All das richte großen Schaden an, sagte Morales, der in seinem Land selbst in der Kritik steht, großflächige Brandrodungen politisch gefördert zu haben. 

Bekleidungskonzerne boykottieren brasilianisches Leder
 
Ohne wirklichen Konsens und die Unterstützung Brasiliens wird aber jedes Amazonas-Abkommen verpuffen. Denn von den sechs Millionen Quadratkilometern des Regenwaldes liegen 58 Prozent in Brasilien, nur 13 Prozent in Peru, zehn Prozent in Kolumbien, acht Prozent in Bolivien. Den Rest der Fläche teilen sich Venezuela, Ecuador, Surinam, Französisch-Guayana und Guyana. Vermutlich einzig ökonomischer Druck kann Bolsonaro zum Einlenken bewegen. In diesem Zusammenhang lassen die Entscheidungen der Bekleidungskonzerne H&M und Timberland sowie des Schuhherstellers Vans aufhorchen, die für ihre Produktionen kein Leder mehr in Brasilien kaufen wollen. H&M erklärte, das Importverbot bleibe so lange in Kraft, bis es glaubhafte Garantiesysteme gebe, dass das Leder nicht zu Umweltschäden im Amazonasgebiet beitrage. 
 
Bemerkenswert ist die Kritik des mächtigen brasilianischen Landwirtschaftshandels-Verbands ABAG, der die Untätigkeit der Regierung geißelt. „Die Landwirtschaftsindustrie wird durch das Tun illegaler Banden beschädigt“, sagte ABAG-Präsident Marcello Brito am Freitag in São Paulo, zur gleichen Zeit, als das Treffen in Leticia stattfand. Dadurch werde die ganze Branche in Verruf gebracht. „Niemals in der Geschichte hat Brasilien im Ausland ein solch schlechtes Image gehabt“, kritisiert Britto. 

WWF fordert Nachverhandlung des EU-Mercosur-Abkommens
 
Der WWF Deutschland fordert unterdessen die Bundesregierung auf, sich für Nachverhandlungen am EU-Mercosur-Freihandelsabkommen einzusetzen. „Das größte Freihandelsabkommen der Welt muss verbindliche Umweltstandards festschreiben, die geeignet sind, insbesondere den brasilianischen Amazonas-Regenwald zu schützen und die genauso einklagbar sind wie Handelsvereinbarungen“, sagte Roberto Maldonado, Brasilien-Referent beim WWF Deutschland. Als größte Wirtschaftsnation der EU komme Deutschland hier eine besondere Verantwortung zu. Die Botschaft müsse eindeutig sein: Es würden keine Waren importiert, für die der Regenwald abgeholzt wurde.

Autor: Klaus Ehringfeld

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