Skandal um Adoptionen während Pinochet-Diktatur
In Chile sorgt ein Skandal um möglicherweise illegale Zwangsadoptionen Hunderter von Kindern, die während der Militärdiktatur in den 70er und 80er Jahren an in- und ausländische Familien vermittelt wurden, für Aufregung. Die Mehrzahl der rund 500 Minderjährigen sei an Familien in die USA und Peru abgegeben worden, berichtet die Tageszeitung „Cooperativa“ am Sonntag, 18. Februar 2018 über erstmals bekannt gewordene Akten zur Adoptionspraxis aus der Pinochet-Diktatur.
Den Stein ins Rollen gebracht hatten Ermittlungen des Obersten Appelationsgerichts in Chile und der Menschenrechtseinheit der chilenischen Kriminalpolizei (PDI) im Fall der Sozialarbeiterin Telma Uribe. Die heute 96 Jahre alte Frau hatte den Behörden ein Archiv zugänglich gemacht, das Adoptionen zwischen 1973 und 1990 verzeichnet. Von 488 Adoptionen gingen 423 in die Vereinigten Staaten, 27 Kinder wurden ins Nachbarland Peru verbracht. Die Kinder seien jungen Müttern aus armen Verhältnissen auf manipulative Art und Weise, teils gegen ihren Willen weggenommen worden.
Uribe habe in engem Kontakt mit ausländischen Organisationen gestanden, so „Cooperativa“. Oft sei bei den unrechtmäßigen Adoptionen Schmiergeld geflossen und Druck auf die Mütter ausgeübt worden. Die Behörden müssten nun ermitteln, ob es sich bei den „sogenannten Adoptionen während der Diktatur um eine Regierungspolitik gehandelt hat“, forderte Hugo Gutiérrez, Senator der Kommunistischen Partei Chiles und Mitglied im Menschenrechtsausschuss Aufklärung. Handele es sich um ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, seien die Fälle auch nicht verjährt, so der Politiker. Juristen zufolge gab es bis 1988 keine Rechtsgrundlage für die Adoption von Kindern an Familien im Ausland. (bb)