Selbsthilfe nach dem Erdbeben
Die Katastrophenhilfe in Chile ist unter der Koordination der Caritas Santiago angelaufen. Zusammen mit dem Roten Kreuz und staatlichen Stellen werden Nahrungsmittel in den Süden des Landes gebracht und verteilt. Dies berichtete Cristian Precht, der Bischofsvikar der Erzdiözese Santiago, heute (4.3.) im Gespräch mit Adveniat. Nach ersten Analysen der Schäden seien einige der Städte und Diözesen in Südchile zu 80 bis 100 Prozent zerstört. Insbesondere die Stadt Concepción sei hart getroffen, genauso wie die ländlichen Regionen der Diözesen Rancagua, Talca, Linares, Chillán, Los Ángeles und Temuco. Vor allem Häuser aus der Kolonialzeit sind zerstört, wie zum Beispiel in der Stadt Talca. Dort ist auch das Krankenhaus schwer beschädigt. Unbefahrbare Straßen erschweren die Hilfe. Telefon- und Internetverbindungen sind noch nicht überall wiederhergestellt.
Obwohl es einige Pannen nach dem Erdbeben gegeben hatte, lehnte Chiles Regierung Hilfsangebote zur Katastrophenhilfe aus dem Ausland zunächst ab. „Die Regierung wollte verhindern, dass die Menschen in Panik geraten“, vermutet Reiner Wilhelm, Referent für Chile bei Adveniat. Das Militär habe Tsunamiwarnungen nicht ernst genommen und die Evakuation der Inseln Juán Fernandes versäumt. Dort sind fünf Menschen ums Leben gekommen und elf werden vermisst. Außerdem hätte die Regierung zunächst völlig falsche Vorstellungen gehabt, was die Zerstörung durch das Erdbeben und den Tsunami angehe. „Inzwischen arbeiten aber alle zusammen. Auch die Präsidentin Michelle Bachelet und ihr Nachfolger Sebastián Piñera fahren jetzt eine Linie. Am Anfang haben sie jeder für sich gearbeitet.“
Gestern forderten die Chilenen dann doch Hilfe aus dem Ausland, um ihr Gesuch am nächsten Tag gleich wieder rückgängig zu machen. „Chile hat so gut wie keine Auslandsschulden und kaum Inlandschulden. Das Land steht finanziell auf sicheren Füßen“, so Wilhelm. Das Land kann die Opfer zunächst selbst versorgen.
Der Erzbischof von Concepción, Riccardo Ezzati, nannte das Verhalten einiger Menschen nach dem Erdbeben ein „zweites Erdbeben“. Er bedauerte die Plünderungen in einer Email an Adveniat und schlussfolgerte: „Die Plünderungen haben ein Mal mehr gezeigt, dass der materielle Fortschritt unserer Gesellschaft nicht genügt.“ In der Diözese Concepción seien mehr als die Hälfte aller Kirchen zerstört. Der Rest seien beschädigt. „Die erste Priorität sind aber die Menschen, insbesondere diejenigen, die alles verloren haben“, so Erzbischof Ezzati.
Um Spenden für die Erdbeben- und Tsunamiopfer zu sammeln, hat Caritas Santiago für Sonntag einen Teletón - einen Spendenmarathon im Fernsehen - organisiert. Die Sendung wird über das nationale Fernsehen den ganzen Tag ausgestrahlt. Bei dem Wiederaufbau der betroffenen Regionen erhofft sich die Kirche in Chile allerdings Hilfe aus Deutschland. „Den Wiederaufbau werden wir nicht alleine schaffen“, so Bischofsvikar Precht.
Text: Julia Mahncke