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Brasilien |

"Roter April"

Sao Paulo. Der "rote April" in Brasilien strebt seinem Höhepunkt entgegen. Mit der jährlich stattfindenden Aktion will die Landlosenbewegung MST an den 17. April 1996 erinnern. Damals töteten Polizeikräfte im Norden des Landes 19 Teilnehmer an einer Protestveranstaltung. Seither versucht die MST, mit der Besetzung von Farmen eine weitreichende Bodenreform zu erzwingen. In ganz Brasilien sollen seit Monatsbeginn 40 Landgüter unter Kontrolle der Bewegung sein. Doch diese Erfolgsmeldung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Einfluss der Landbesetzer zurückgeht.

In letzter Zeit sah sich die MST zunehmend heftiger Kritik ausgesetzt. So kostete sie die gewaltsame Zerstörung einer Orangenplantage im Bundesstaat Sao Paulo im vergangenen Jahr viel öffentliche Sympathien. Und auch bei traditionellen Verbündeten wie der regierenden Arbeiterpartei von Präsident Luiz Inacio Lula da Silva mehren sich skeptische Stimmen. Stattdessen setzt die Regierung verstärkt auf die Wirtschaftskraft der industriellen Landwirtschaft. Und bringt damit immer weniger Verständnis für den radikalen Kampf der MST auf.

Gleichzeitig trägt Lulas Sozialpolitik Früchte beim Kampf gegen die Armut. Das wiederum nimmt nach Einschätzung von Experten wie Carlos Porto-Goncalves von der Universität Rio de Janeiro Bewegungen wie der MST den Wind aus den Segeln. "Ihre Macht, die Massen zu mobilisieren, hat deutlich abgenommen", lautet seine Einschätzung. Dabei steht eine durchgreifende Agrarreform in dem größten Land Südamerikas nach wie vor aus. Immer noch befindet sich der meiste Teil des fruchtbaren Bodens in der Hand von Großgrundbesitzern, die ihre Ländereien mit allen Mitteln verteidigen. Seit dem Massaker vom 17. April vor 14 Jahren wurden nach Angaben der katholischen Landpastoral CPT fast 450 Menschen bei derartigen Konflikten getötet.

Der am Donnerstag vorgelegte Jahresbericht der CPT enthält weitere alarmierende Zahlen zu den Folgen der gewaltsamen Auseinandersetzungen um Grund und Boden für die armen Bevölkerungsschichten. Während die Zahl der Morde von 27 im Jahr 2008 auf 25 im Jahr 2009 leicht abnahm, stieg die Zahl der Folterungen im gleichen Zeitraum dramatisch an: von gerade einmal 6 Fällen auf nunmehr 71. Auch bei den registrierten Mordversuchen verzeichnet die Statistik einen Zuwachs von 44 auf 62, genauso wie bei den Morddrohungen, deren Zahl von 90 auf 143 hochschnellte. Insgesamt berichteten mehr als 9.000 Familien von Gewalt. Das sind etwa 30 Prozent mehr als die knapp 7.000 verzeichneten Meldungen von 2008.

Auffällig sei zudem die Gesamtgröße der umstrittenen Ländereien. So machten diese Gebiete im vergangenen Jahr eine Gesamtfläche von über 15 Millionen Hektar aus, während es 2008 nur um 6,5 Millionen Hektar ging. Betroffen von den Auseinandersetzungen sind laut CPT auch Kleinbauern, die schon lange in den umkämpften Regionen ansässig seien.

Menschenrechtler und Umweltschützer wie Gilberto Vieira vom katholischen Indio-Missionsrat CIMI machen die industriell betriebene Landwirtschaft verantwortlich für die hohe Gewaltquote im ländlichen Brasilien. Allein die Abholzung von Regenwald zum Zwecke der Ausdehnung von landwirtschaftlich nutzbaren Flächen führe immer wieder zu gewaltsamen Konflikten mit den dort ansässigen Indigenas. Der Druck, Flächen für die Aussaat und die Viehhaltung zu erschließen, nehme ständig zu, so Vieira.

Die katholische Kirche ist gewillt, eine Mittlerrolle in den Konflikten einzunehmen. Doch derzeit, so CPT-Vizepräsident Bischof Enemesio Angelo Lazzaris, stünden die Chancen auf einen Dialog eher schlecht. Er hoffe, dass sich nach dem "roten April" die erhitzten Gemüter wieder beruhigten, so dass Landbesetzer und -besitzer wieder an einen Tisch kämen. Der einflussreiche Verband der Landwirte CNA geht unterdessen auf Konfrontationskurs. Derzeit sind im ganzen Land Fernsehspots mit gewalttätigen Szenen von protestierenden Kleinbauern aus dem Umfeld der MST zu sehen. Der Slogan lautet: "Landbesetzungen sind ein Verbrechen."

Quelle: kna

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