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Rios früherer Sklavenmarkt - bald Weltkulturerbe?

An diesem Platz, dem "Pedra do Sal" in Rios Hafenviertel wurden früher Sklaven verkauft. Foto: Pietro Ferreira, <a external="1" title="-" class="2.0/" target="by-nc-nd" href="http://cc">CC BY-NC-ND 2.0</a> (Zuschnitt) <br />
An diesem Platz, dem "Pedra do Sal" in Rios Hafenviertel wurden früher Sklaven verkauft. Foto: Pietro Ferreira, CC BY-NC-ND 2.0 (Zuschnitt)

Beim Umbau ihres Hauses im Stadtteil Gamboa stieß das Ehepaar Guimaraes 1996 plötzlich auf Menschenknochen. Sie hatten den lange verschollenen Friedhof afrikanischer Sklaven gefunden. 30.000 Menschen, die die grausame Atlantikpassage nicht überlebten, wurden hier bis 1831 beerdigt. Aus dem Haus machten die Guimaraes 2005 die Gedenkstätte "Friedhof der neuen Schwarzen", bezahlt aus der eigenen Tasche.

"Aus Respekt nennen wir das hier Friedhof, aber für die damalige Sklavenhalter-Gesellschaft war das eine Müllkippe", sagt der Anthropologe Milton Guran. "Hier schmiss man die toten Sklaven, tote Hunde, Kühe und Hausmüll hin." Guran ist Mitglied des Unesco-Komitees "Rota do Escravo" (Wege des Sklaven) und hat die Bewerbungsunterlagen erstellt. Anfang Juli wird die Unesco im polnischen Krakau entscheiden, ob die Region Weltkulturerbe wird. Die Chancen stehen gut.

"Rio steht wie keine andere Stadt für den Sklavenhandel"

In Rios "Klein-Afrika" wurde der Samba und der Karneval geboren, hier formten sich die ersten afro-brasilianischen Religionen. Andere Geschichten sind trauriger. In der Rua do Valongo verkauften Eisenwarenhändler Utensilien zur Bändigung der Sklaven. Dahinter lagen Masthäuser, in denen die abgemagerten Ankömmlinge aufgepäppelt wurden, damit sich mit ihnen auf dem Valongo-Markt ein guter Preis erzielen ließ.

Doch der Mittelpunkt ist der Valongo-Kai. "Ein unvergleichlicher Erinnerungsort nicht nur für die Brasilianer, die mehrheitlich afrikanische Wurzeln haben, sondern für die Geschichte der globalen afrikanischen Diaspora", so Guran. An keinem anderen Hafenkai weltweit wurden mehr Sklaven an Land gebracht, von 1774 bis zum Ende des transatlantischen Sklavenhandels 1831 rund 700.000. Insgesamt kamen in den drei Jahrhunderten der Sklaverei in Rio zwei Millionen Sklaven an. Zum Vergleich: In den USA waren es 300.000. "Rio steht wie keine andere Stadt weltweit für den Sklavenhandel", so Guran.

Olympia 2016 kam - und die schwarze Bevölkerung störte

Doch wie der Friedhof war auch der Kai lange in Vergessenheit geraten. Zur Ankunft seiner italienischen Braut ließ der brasilianische Kaiser Dom Pedro II. 1843 einen neuen Kai über dem Valongo-Kai errichten. Ein erster Schritt, um die Spuren der grausamen Geschichte zu verwischen. Weitere sollten folgen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts mussten Teile des Viertels und des angrenzenden Zentrums breiten Prachtstraßen weichen. Rio sollte ein tropisches Paris sein. Die Nachfahren der Sklaven zogen auf die umliegenden Hügel, die ersten Favelas entstanden. Die Politik vergaß das Hafenviertel, Drogenhandel und Prostitution prägten das Bild.

Bis die Regierung anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und Olympia 2016 begann, Milliardensummen in die Umgestaltung des Hafenviertels zu pumpen. Bürohäuser, Shoppingcenter, ein gigantisches Aquarium und zwei moderne Museen entstanden, Luxus-Wohnungen sollen folgen. Die schwarze Bevölkerung solle verdrängt werden, so Guran. Sie störten die lukrativen Immobiliengeschäfte.

Für Rios weiße Elite ein "Schandfleck"

Strahlendes Wahrzeichen des neuen Hafenviertels ist das "Museu do Amanha", das "Museum des Morgen", das einen Ausblick in die Zukunft der Menschheit wagt. Zurückschauen wollten die Stadtoberen hingegen nicht. Zwar restaurierte man den Valongo-Kai, der seitdem viele Touristen anzieht. Pläne für ein Museum zur Sklavereigeschichte verstauben jedoch in den Schubladen.

"Die Geschichte Afrikas und der schwarzen Brasilianer interessiert Rios weiße Elite nicht", sagt Celso Athayde, ein Aktivist des Black Movement. Während die Elite in Paris Urlaub mache, sei das afrikanische Erbe für sie ein Schandfleck. Athayde baut gerade in den Favelas eine "Schwarze Partei" auf. Wenn die rund 53 Prozent der brasilianischen Bevölkerung, die sich selbst als Schwarze oder Mischlinge bezeichnen, einmal ihre Abgeordneten im Stadtparlament hätten, werde hier auch ein Museum der Sklavengeschichte gebaut, sagt er.

Jedoch nicht solange der evangelikale Bischof Marcelo Crivella Bürgermeister ist. In seiner Kirche hält man afrikanische Traditionen für Teufelszeug, weshalb er auch dem Karneval ferngeblieben ist. Die ohnehin nicht nennenswerten Zuschüsse für den "Friedhof der neuen Schwarzen" hat er gestrichen. Jetzt droht die Schließung. "Das lebendige Zeugnis des perversen Sklavenapparats zu erhalten interessiert ihn nicht", so Athayde. (Thomas Milz)

Quelle: KNA, Foto: Pietro Ferreira, CC BY-NC-ND 2.0 (Zuschnitt)

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