Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Kuba |

Rechtsstreit um Kubas Altschulden

Auf Kuba wurde der Richterspruch in einem richtungsweisenden Rechtsstreit um einen Teil kubanischer Altschulden, die bis in die 1980er Jahre zurückreichen, als Sieg gewertet. 

Geschäftiges Treiben in der Altstadt von Havanna, Kubas Hauptstadt. Foto (Symbolbild): Adveniat/Martin Steffen

„Republik Kuba gewinnt Rechtsstreit in London: CRF ist kein Gläubiger des kubanischen Staates“, titelte die Tageszeitung Granma. Dieselbe Schlagzeile wählte das staatliche Onlineportal Cubadebate. Und Präsident Miguel Díaz-Canel twitterte: „Kuba hat auch in London gewonnen. Wieder einmal haben die Feinde der Nation verloren. Ihre Lügen prallten auf ein professionelles und angesehenes Gericht.“

Doch bei genauerer Betrachtung ist das Urteil des Londoner High Court von Anfang April keineswegs so eindeutig. Worum ging es? Der 2009 auf den Kaimaninseln gegründete Private-Equity-Fonds CRF I Limited hatte Kuba und die kubanische Nationalbank (Banco Nacional de Cuba, BNC) im Jahr 2020 auf die Zahlung von rund 72 Millionen Euro für zwei 1984 von europäischen Banken erworbene Darlehen und überfällige Zinsen verklagt. Eine außergerichtliche Einigung war zuvor gescheitert. Die kubanische Zentralbank (Banco Central de Cuba, BCC) bezeichnete CRF vor Prozessauftakt als „Geierfonds“ und behauptete, dieser habe die Schuldtitel unrechtmäßig erworben und dabei sogar auf Bestechung eines hochrangigen Beamten zurückgegriffen. Auch fungiere die Schuldnerin BNC nicht mehr als Zentralbank. Die BCC war 1997 gegründet worden und hatte viele der Funktionen der BNC übernommen.

CRF wies die Vorwürfe zurück und erklärte, man habe jahrelang versucht, mit Kuba über eine Umstrukturierung seiner Schulden zu verhandeln, ohne eine Antwort zu erhalten. Der Fonds war gegründet worden, um in notleidende kubanische Staatsanleihen zu investieren. Er verfügt über ein Anleiheportfolio, das sich 2017 auf 1,2 Milliarden Euro belief. Investoren wie CRF kaufen in der Regel Schulden-Portfolios zum Schleuderpreis auf und verklagen dann den Schuldner vor internationalen Gerichten auf Zahlung des vollen Betrags. Unter Umständen sind das sehr profitable Geschäfte. 

Kubas Schuldenberg

Richterin Sara Cockerill vom High Court in London erkannte in ihrem Urteil an, dass die BCN nicht mehr den kubanischen Staat vertritt, vertrat aber die Auffassung, dass CRF die Schuldtitel rechtmäßig von der ICBC Standard Bank, einer britischen Tochtergesellschaft der chinesischen Bank ICBC, erworben hat. Infolge dieses Urteils ist die Republik Kuba, die CRF als „Bürge“ für die Schulden verklagt hatte, nicht mehr Teil des Gerichtsverfahrens. CRF ist aber laut Richterin Cockerill berechtigt, die Zahlung der Schulden weiterhin von der BNC zu fordern.

„Die CRF ist nach wie vor bestrebt, mit Kuba eine Lösung zu finden, die den kubanischen Haushalt für mindestens fünf Jahre nicht belastet, und zwar in Anbetracht der schwierigen wirtschaftlichen Lage, in der sich das Land befindet“, erklärte der Vorstandsvorsitzende von CRF, David Charters, im Anschluss an den Richterspruch. „Die BNC war die kubanische Zentralbank und ist nach wie vor für die Verwaltung dieser unbezahlten kubanischen Schulden verantwortlich“, so Charters weiter. Er sprach von einem „vollständigen Sieg für die CRF“.

Das Verfahren wird von anderen Gläubigern Kubas genau beobachtet, die versuchen, Schulden im Wert von insgesamt sieben Milliarden US-Dollar von Havanna zurückzuerhalten. Im Jahr 2015 hatte Kuba ein historisches Abkommen mit dem Pariser Club staatlicher Gläubiger unterzeichnet, das 8,5 Milliarden US-Dollar einer Gesamtschuld von 11,1 Milliarden US-Dollar erließ, mit der Verpflichtung, den Restbetrag in Raten bis 2023 zu zahlen. Im Sommer 2021 einigte sich die kubanische Regierung mit dem Pariser Club auf einen Zahlungsaufschub. Kuba konnte wegen der durch die Coronapandemie ausgelösten Krise und der Verschärfung der US-Blockade seine Schulden nicht mehr bedienen. Mit seinen kommerziellen Gläubigern im so genannten Londoner Club hat Kuba bis dato keine Einigung erreicht und bleibt deswegen von den internationalen Kapitalmärkten ausgeschlossen.

Kubas Zufriedenheit 

Es wird erwartet, dass CRF die Klage gegen die BNC fortsetzt. Über eine Rückzahlung der Schulden wird also in einem gesonderten Verfahren entschieden werden. Kubas Justizminister Oscar Silvera hat jedoch bereits angekündigt, dass die Verteidigung der BNC Berufung gegen das Urteil einlegen wird. Die Frist dafür läuft bis zum 19. Mai. „Wir sind der Meinung, dass sie (CRF, Anm.) kein rechtmäßiger Gläubiger des BNC ist, weil der Akt, mit dem diese Abtretung anerkannt wurde, unrechtmäßig ist“, so Silvana.

Ansonsten zeigte er sich mit dem vorläufigen Ausgang des Verfahrens zufrieden. Sollte ein Gericht in Zukunft die Zahlung von mehr als 70 Millionen Euro anordnen, kann diese nur auf Kosten der Vermögenswerte und Ressourcen der BNC eingetrieben werden. „Was angestrebt wurde, wie eine vor Gericht als Beweismittel vorgelegte E-Mail bestätigt, war eine Verurteilung gegen den kubanischen Staat, um ihn zu Verhandlungen zu zwingen oder ihm den Zugang zu internationalen Finanzströmen zu verwehren“, sagte Silvana. Ein solches Urteil wäre vollstreckbar und hätte gegen Vermögenswerte im Besitz der kubanischen Regierung, wie Öltanker, Auslandskonten oder Offshore-Gesellschaften, angewandt werden können. Diese Option ist mit dem Londoner Richterspruch vom Tisch. Deshalb bestehe man darauf bestehe, dass Kuba einen Sieg errungen habe, sagte Silvana.

Autor: Andreas Knobloch

Weitere Nachrichten zu: Wirtschaft

Cookie Einstellungen

Erforderliche Cookies sind für den reibungslosen Betrieb der Website zuständig, indem sie Kernfunktionalitäten ermöglichen, ohne die unsere Website nicht richtig funktioniert. Diese Cookies können nur über Ihre Browser-Einstellungen deaktiviert werden.

Anbieter:

Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.

Datenschutz

Marketing-Cookies werden verwendet, um Besuchern auf Webseiten zu folgen. Die Absicht ist, Anzeigen zu zeigen, die relevant und ansprechend für den einzelnen Benutzer sind und daher wertvoller für Publisher und werbetreibende Drittparteien sind.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz

Statistik-Cookies dienen der Analyse und helfen uns dabei zu verstehen, wie Besucher mit unserer Website interagieren, indem Informationen anonymisiert gesammelt werden. Auf Basis dieser Informationen können wir unsere Website für Sie weiter verbessern und optimieren.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz