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Plötzlich Helden: Pflegekräfte aus El Salvador in Berlin

Die erste Flugreise ihres Lebens führte sie nach Deutschland: Für 18 junge Menschen ging damit ein Traum in Erfüllung. Sie erlernen in Berlin die Altenpflege. Nun bedroht COVID-19 das Leben ihrer Klienten.

18 junge Menschen kamen zur Pflegeausbildung. Nun bedroht COVID-19 das Leben ihrer Klienten und sie sind unersetzlich. Foto: DW/C. Chimoy

Keiner von ihnen hätte gedacht, dass sie innerhalb von so kurzer Zeit zu den Helden der weltweiten Corona-Krise gehören würden: "Wir wurden zu Hause ein Jahr lang auf so viele Eventualitäten vorbereitet", erzählt der 21-jährige Dennys Meléndez: "Aber an eine Pandemie, die gerade unsere Zielgruppe in Lebensgefahr bringt - daran hat niemand gedacht."

Die Zielgruppe, das sind die Bewohner der beiden Berliner Pflegeheime, in denen Meléndez und 17 weitere junge Menschen aus El Salvador ihre Pflegeausbildung absolvieren. Im Rahmen des Pilotprojekts "Pflegekräfte aus El Salvador" sind sie nach Deutschland gekommen, um sich drei Jahre lang zu Altenpflegern ausbilden zu lassen. Für die meisten von ihnen ist es der erste Aufenthalt im Ausland überhaupt.

Vor ihrer Abreise nach Deutschland lernten sie ein Jahr lang Deutsch und nahmen an Workshops teil, in denen es um kulturelle Unterschiede und sonstige Probleme ging, die ihnen in ihrem neuen Leben in der Fremde begegnen könnten "Was passiert, wenn es uns nicht gefällt, wenn wir uns nicht an das Land gewöhnen, wenn wir mit dem Wetter nicht klarkommen", erzählt Meléndez.

Bereits jetzt unverzichtbar

Obwohl die Salvadorianer ihre Ausbildung erst vergangenen Dezember begonnen haben, seien sie - gerade jetzt - unverzichtbar, sagt Katrin Eschenweck, die das Pilotprojekt seitens der Betreibergesellschaft Pro Seniore begleitet. Denn, obwohl es in keinem der Heime bisher einen bestätigten COVID-19-Fall gebe (Stand: 3. April 2020), habe die Pandemie einiges verändert.

Wegen der verschärfte Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen dürfen die Bewohner momentan keinen Besuch empfangen, erklärt Eschenweck: "In diesem Punkt sind die jungen Auszubildenden eine große Hilfe - nicht nur wegen ihrer Zuwendung, die sie den Bewohnern schenken, sondern auch technisch: Sie helfen beispielsweise, Video-Anrufe für die Bewohner und ihre Familienangehörigen zu organisieren. Aber auch sonst ist ihre Arbeit eine enorme Entlastung."

Erstens kommt es anders …

Nach fünf Monaten in Deutschland haben die jungen Salvadorianer schon viel gelernt - nicht nur über ihren Beruf, sondern auch über Deutschland: "Die Menschen hier haben einen sehr schnellen Rhythmus beim gehen, und sie sind extrem direkt", erzählten sie noch kurz nach ihrer Ankunft im Dezember mit einigem Befremden. Jetzt, sagen sie, sie hätten verstanden, dass das gar nicht böse gemeint ist: "Sie haben einfach eine andere Mentalität", sagt Alejandra Nayara. Inzwischen finde sie es sogar gut, wenn man so direkt kommunizieren kann.

Nayara hatte sich eigentlich auf den Frühling gefreut, sie wollte sich dann endlich in ihrer Freizeit die Stadt anschauen. Durch die Pandemie haben sich ihre Pläne deutlich verändert. Sie versucht in ihrer Freizeit nicht aus dem Haus zu gehen, wahrscheinlich mehr als die meisten anderen, denn ständig begleitet sie die Angst, das Virus einzufangen und es im Altersheim weiterzugeben: "Die Verantwortung, die wir tragen ist jetzt noch größer", sagt sie.

Alle 15 Minuten werde im Pflegeheim alles desinfiziert, Türklinken, Tische, Stühle. Alles. Auch das gesamte Personal darf nur noch mit Masken und Handschuhe arbeiten.

Die Familie fehlt

Noch schwieriger aber sei die neue Situation wohl für die Bewohner, die nicht einmal ihre engsten Verwandten empfangen dürfen, meint Nayara: "Wenn ich im Laufe des Tages jeden von ihnen wenigstens einmal habe Lächeln sehen, dann gehe ich zufrieden nach Hause", sagt sie. "Das ist jetzt unsere wichtigste Aufgabe: Sie zu beruhigen."

Wie schwer es ohne Familie sein kann, erfährt Nayara am eigenen Leib. Denn sie vermisst ihre Familie in El Salvador sehr. Mit ihren 20 Jahren zählt sie zu den jüngeren in der Gruppe.

Zunehmend macht sie sich auch Sorgen, weil sie nicht weiß, wie es nach der Corona-Krise wirtschaftlich für ihre Familie weitergehen wird. Viele Menschen in Zentralamerika brauchen das Alltagsgeschäft, weil sie keine Ersparnisse haben. "Manchmal würde ich gerne nach Hause reisen, um zu sehen wie es meiner Familie geht", erzählt Nayara. "Aber ich weiß, ich werde hier gebraucht. Und ich habe die Bewohner auch schon liebgewonnen."

Projekt soll wachsen

Diese Einfühlsamkeit ist es, was Helmut Riethmüller an den jungen Salvadorianern besonders schätzt. Der Gründer des "Forum Berufsbildung" hat das Projekt zusammen mit der Botschaft von El Salvador in Berlin und der Bundesagentur für Arbeit ins Leben gerufen.

Riethmüller hofft, dass das Projekt weiterwächst: "Das Potenzial in Lateinamerika ist noch zu wenig bekannt. Es sind viele junge motivierte Menschen in der Region, die oft eine europäische Affinität mitbringen und in jedem Fall viel Empathie." Die aktuelle Krise zeige, dass Pflegekräfte mehr denn je gebraucht werden. "Ohne diese Helden kann weder ein Pflegeheim, noch ein Krankenhaus funktionieren." Pro Seniore hat bereits 20 weitere Pflegeschüler aus El Salvador angefragt, sagt Katrin Eschenweck: "Wir werden sie alle mit Handkuss nehmen."

Autorin: Carolina Chimoy, Deutsche Welle 

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