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Nicaragua: Wenn das Volk zum Feind wird

Nicaraguas Präsident Daniel Ortega führt das kleine mittelamerikanische Land immer schneller in eine Diktatur. Mittlerweile ist die Regierung in Managua international isoliert und sucht den Schulterschluss mit Moskau. 

Zwei vermummte Demonstranten bei einer Protestaktion am 28. Juli 2018 zur Unterstützung der Bischöfe in Managua. Das Plakat sagt: „Bringt uns nicht um – Freies Nicaragua“. Foto: Adveniat/Klaus Ehringfeld

Zwei vermummte Demonstranten bei einer Protestaktion am 28. Juli 2018 zur Unterstützung der Bischöfe in Managua. Das Plakat sagt: „Bringt uns nicht um – Freies Nicaragua“. Foto: Adveniat/Klaus Ehringfeld

Die letzte Septemberwoche in Managua glich einer Art diplomatischen Kehrwoche. Nicaraguas Machthaber Daniel Ortega lief zu einer selbst für ihn besonders autoritären Form auf. Er fegte innerhalb weniger Tage die deutsche EU-Botschafterin Bettina Muscheidt und die niederländische Vertreterin Christine Pirenne aus dem Land und verweigerte dem designierten US-Botschafter Hugo Rodríguez die Akkreditierung. Dabei kommt die Begründung gegen die drei Diplomatinnen und Diplomaten aus dem Floskelkasten der Autokraten: „Einmischung, Interventionismus, Imperialismus". Mit den Niederlanden und den USA schmiss Ortega dabei ganz nebenbei die beiden wichtigsten Geldgeber aus dem Land.

Nicaragua an der Seite Russlands

Ortega (76) und seine Frau Rosario Murillo (71), die gleichzeitig Vizepräsidentin ist, sind bei Kritik mittlerweile unerbittlich. Und sie nehmen den Ukraine-Krieg zum Anlass, komplett mit dem Westen zu brechen und sich ganz an Russland anzulehnen. Hätte es neben dem diplomatischen Aufräumen noch eines Beweises bedurft, fand man ihn bei der UN-Vollversammlung in New York. Als das Gremium die völkerrechtswidrigen Annexionen Russlands in der Ukraine mit überwältigender Mehrheit verurteilte, gehörte Nicaragua zu den fünf Ländern, die gegen die Resolution votierten. Damit stellten sich Ortega-Murillo an die Seite anderer Paria-Staaten wie Belarus, Nordkorea und Syrien. 
 
Es gäbe eine „krankhafte Beziehung“ zwischen Ortega und Ländern, die aus der internationalen Gemeinschaft ausgeschlossen wurden, sagt Eliseo Núñez, Analyst und Ex-Parlamentarier. Und diese Beziehung habe sich seit dem Überfall Moskaus auf die Ukraine immer weiter intensiviert. 

International isoliert und verarmt

Analysten fürchten, dass Ortega-Murillo ihr Land damit noch weiter in die diplomatische Isolation führen und dem Volk so noch mehr Armut zumuten werden. Ohnehin gehört Nicaragua zu den ärmsten Ländern der Welt. Auf dem UN-Entwicklungsindex HDI liegt es auf Platz 126 von 191 Staaten. 43 Prozent der Bevölkerung leben in Armut, die meisten von ihnen auf dem Land mit einem Tageseinkommen von weniger als einem Euro. 
 
Und nun versiegen mehr und mehr die Entwicklungsgelder aus Europa und anderen Teilen der westlichen Welt. Deutschland - einer der größten bilateralen Geldgeber bisher - beschloss im vergangenen Jahr, die staatliche Entwicklungszusammenarbeit mit Nicaragua zu beenden. 
 
2018 entzündete sich in dem zentralamerikanischen Land ähnlich wie in Chile ein Jahr später ein sozialer Aufstand gegen die Regierung. Auslöser damals: eine geplante Rentenreform. Ortega ließ die Proteste niederknüppeln und niederschießen. Nach Zahlen der Interamerikanischen Menschenrechtskommission CIDH wurden 328 Menschen getötet, mehr als 2.000 verletzt, 1.600 Gegner der Regierung wurden festgenommen und sitzen zum Teil heute noch ein.

Auf dem Weg zur Diktatur

Nicaragua, einst Hoffnungsträger für linke Utopien, hat sich seit den Protesten vor vier Jahren im Rekordtempo von einem autoritären Staat zu einer Quasi-Diktatur entwickelt. „Die Machthaber-Familie betrachtet das Volk nur noch als Feind“, urteilt der Menschenrechtsaktivist Carlos Guadamuz. Infolge der permanenten Bedrohung befinden sich die Menschen in Schockstarre. Wer kann, der flieht. Wer bleiben muss, zieht den Kopf ein. Über eine halbe Million Menschen ging ins Exil. Allein in Costa Rica leben heute über 400.000 Nicaraguaner. Auch der Anwalt Guadamuz ging nach massiven Drohungen in das Nachbarland. Von dort beobachtet er mit seiner Organisation „Colectivo de Derechos Humanos Nicaragua Nunca+“ fassungslos, wie Ortega-Murillo die weltweite Aufmerksamkeit auf Osteuropa dazu nutzen, die Ausschaltung der Opposition und demokratischer Institutionen zu vollenden. 
 
Die Machthaber gehen gegen die Reste unabhängiger Medien, Kritiker in der Wirtschaft und der Katholischen Kirche vor. Geistliche, wie der in die Vereinigten Staaten geflohene Bischof Silvio Báez oder der mutige Bischof von Matagalpa, Rolando Álvarez (Hausarrest), wurden zum Schweigen gebracht. Vor kurzem wurde bekannt, dass das Regime mit Pater Enrique Martínez in Managua den elften katholischen Geistlichen in nur sechs Monaten festnehmen ließ. 60 weitere wurden des Landes verwiesen oder flohen ins Exil.

Kritiker mundtot gemacht

Aber die Regierung geht auch weiter hart gegen Nichtregierungsorganisationen vor. „2.375 NGOs sind in den vergangenen Jahren aufgelöst worden, darunter auch viele internationale“, sagt Carlos Guadamuz im Gespräch. „Es ist längst eine grausamere Diktatur als die von Somoza“, die Ortega und seine Sandinisten selbst 1979 stürzten. 
 
Also keine Hoffnung für Nicaragua? „Die Tyrannen wissen, dass das Volk sie nicht mehr will“. Jeden Tag gebe es im Land trotz der harten Repression irgendwo einen kleineren Protest. „Die Diktatur wird fallen“, beschwört der Menschenrechtsaktivist. 

Autor: Klaus Ehringfeld, Mexiko

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