Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Nicaragua |

Nicaragua: Umstrittene Wiederwahl Ortegas

Präsident Daniel Ortega ist erwartungsgemäß mit knapp 75 Prozent der Stimmen wiedergewählt worden. Doch laut der zivilgesellschaftlichen Wahlbeobachter "Unas Abiertas" haben nur 20 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben.

Präsident Daniel Ortega hält eine Ansprache, die auf Leinwand übertragen wird. Foto (Symbolbild): Daniel Ortega, Office of the President, Republic of China (Taiwan), CC BY 4.0

Präsident Daniel Ortega hält eine Ansprache, die auf Leinwand übertragen wird. Foto (Symbolbild): Daniel OrtegaOffice of the President, Republic of China (Taiwan)CC BY 4.0

Seinen 76. Geburtstag kann Daniel Ortega am Donnerstag entspannt auf seinem "Präsidententhron" feiern. Zum vierten Mal infolge hat er sich am Sonntag ins Amt des nicaraguanischen Staatschefs hieven lassen, unter Bedingungen die einer demokratischen, offenen und freien Wahl Hohn sprechen. Laut offiziellen Angaben errang der autokratische Herrscher einen Erdrutschsieg von 75 Prozent. Man muss davon ausgehen, dass das Ergebnis massiv gefälscht wurde.  

US-Präsident Joe Biden spricht von "Pantomimen-Wahl"

Alle sieben möglichen Herausforderer hatte er vor einem halben Jahr in einer Razzia ins Gefängnis werfen lassen. US-Präsident Joe Biden kritisierte die Wahl am Sonntag noch vor dem Vorliegen der Ergebnisse scharf. Er bezeichnete die Abstimmung als eine „Pantomimen-Wahl“ und kündigte eine internationale Offensive gegen das Herrscherpaar Ortega-Murillo an. Der US-Präsident will in enger Absprache mit der internationalen Gemeinschaft alle „diplomatischen und wirtschaftlichen“ Werkzeuge nutzen, um das nicaraguanische Volk zu schützen und die Regierung Ortega-Murillo „zur Verantwortung zu ziehen.“
 
Tatsächlich glich der Sonntag keiner Wahl, sondern war ein protokollarischer Akt. Nun regiert der frühere Freiheitskämpfer und Sandinist mindestens fünf weitere Jahre. Nach seiner ersten Amtszeit (1984 bis 1990) ist er schon wieder 14 lange Jahre seit 2007 an der Macht. Sollte Ortega, der unter Lupus, einer Auto-Immunschwächekrankheit leidet, sein Mandat zu Ende bringen, wäre er 80 Jahre alt. Weitermachen nicht ausgeschlossen.

Ortega hat ein Familien-Imperium aufgebaut

Fest an seiner Seite ist dabei seine Frau, Beraterin und Einflüsterin Rosario Murillo. Seit 2017 ist sie auch offiziell Vizepräsidentin. Die beiden haben schon lange eine Familiendynastie auf- und das zentralamerikanische Armenhaus zu ihrer Privatfinca umgebaut. Das Parlament, die Richter, der Wahlrat, die meisten Medien und die nicht eingesperrten oder ins Exil geflüchteten Journalisten sind gleichgeschaltet. Gemeinsam mit den neun Kindern dominieren die Ortega-Murillos wichtige Zweige der nicaraguanischen Wirtschaft wie den Bausektor, Im- und Exporte, Werbefirmen und vor allem Medien. 
 
Nach Angaben der Vorsitzenden des Wahlrates CSE, Brenda Rocha, in der Nacht zu Montag siegte der amtierende Staatschef bei der Abstimmung ohne wirkliche Gegenkandidaten mit rund 75 Prozent der Stimmen. Demnach lag die Wahlbeteiligung bei 65 Prozent. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell kritisierte, dass die Wahl ohne jegliche „demokratischen Garantien“ stattgefunden hätte und ihr die Rechtmäßigkeit fehle. Die Abstimmung vom 7. November belege die „Wandlung Nicaraguas zu einem autoritären Regime.“

Beobachter: 20 Prozent Wahlbeteiligung

Nach Angaben der zivilgesellschaftlichen Wahlbeobachter der „Urnas abiertas“ lag die Wahlenthaltung jedoch bei nahezu 80 Prozent. Bei den Wahlen 2016 hatte die Enthaltung nach Oppositionsangaben bereits rund 60 Prozent betragen. Laut einer Umfrage von CID-Gallup vor dieser Wahl wollten 67 Prozent der Bevölkerung für einen der Kandidaten stimmen, die im Gefängnis sitzen. 78 Prozent hielten die Abstimmung ohnehin für undemokratisch. Die Opposition und die Zivilgesellschaft hatten unter dem Slogan „Quedemenos en casa“, Bleiben wir zuhause dazu aufgerufen, die Wahl zu boykottieren. 
 
Dass die Nicaraguaner der Abstimmung weitgehend aus Protest fern blieben, stört den Autokraten Ortega nicht. Die offiziellen Fernsehkanäle zeigten Bilder von gut besuchten Wahllokalen, oppositionelle Medien und die sozialen Netzwerke belegten das Gegenteil. Völlig leere Wahllokale. Selbst sandinistische Hochburgen wie das Armenviertel Acahualinca in Managua verzeichneten nur wenige Wähler an den Urnen. Staatsdiener wurden laut verschiedenen Quellen dazu verpflichtet, wählen zu gehen und das auch per Foto zu beweisen, um ihren Job zu behalten. Ortega hat nach unabhängigen Umfragen noch rund 19 Prozent Zustimmung in der Bevölkerung.

Vom Hoffnungsträger zum Autokraten

Es ist ein beachtlich langer Weg, den Daniel Ortega in den ewigen Jahren an der Macht zurückgelegt hat. Vom Hoffnungsträger einer neuen, undogmatischen und demokratischen Linken zu Beginn der 1980-er bis hin zu einem autokratischen Herrscher, der auf sein eigenes Volk schießen lässt. Alle Amtszeiten zusammengenommen ist er schon bedeutend länger im Amt als es Diktator Anastasio Somoza war, den er 1979 zu stürzen half.
 
Aus einem Freiheitshelden und Rebellen ist in den vergangenen 40 Jahren ein Tropen-Tyrann geworden, der längst genauso schlimm ist, wie derjenige, den er damals vertrieb. Es ist eine triste, aber sehr typische lateinamerikanische Geschichte. Seit seiner Rückkehr an die Macht hat Ortega alles getan, um diese nie wieder abzugeben. Er hat mit rechten und korrupten Politikern paktiert und die katholische Kirche erst umgarnt und dann verdammt. Er hat die Unternehmer für sich gewonnen und so wirtschaftliche Stabilität geschaffen. Ortega hat die Verfassung gebeugt, um sich wieder wählen zu lassen, und seine Gegner nach und nach politisch kaltgestellt. Heute ist der frühere Revolutionär einer dieser lateinamerikanischen Herrscher, die weder links noch rechts sind, sondern deren einzige Ideologie die Macht und ihr Erhalt ist. 

Bankräuber und Rebell

Ortega wurde am 11. November 1945 in La Libertad im nahe der Hauptstadt Managua gelegenen Departement Chontales in eine politisierte mittelständische Familie geboren. Sein Vater war Buchhalter und kämpfte in den 1930-er Jahren in der Bauernarmee von Augusto Sandino gegen die US-Besetzung. Mit 17 trat Ortega in die FSLN ein, zwei Jahre später gehörte er zum engen Führungszirkel der Partei. Von 1967 bis 1972 saß er nach einem Banküberfall im Gefängnis, bis er nach Kuba ausgeflogen wurde, von wo er erst kurz vor dem Sturz Somozas zurückkehrte.

Text: Klaus Ehringfeld, Mexiko

Weitere Nachrichten zu: Politik

Cookie Einstellungen

Erforderliche Cookies sind für den reibungslosen Betrieb der Website zuständig, indem sie Kernfunktionalitäten ermöglichen, ohne die unsere Website nicht richtig funktioniert. Diese Cookies können nur über Ihre Browser-Einstellungen deaktiviert werden.

Anbieter:

Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.

Datenschutz

Marketing-Cookies werden verwendet, um Besuchern auf Webseiten zu folgen. Die Absicht ist, Anzeigen zu zeigen, die relevant und ansprechend für den einzelnen Benutzer sind und daher wertvoller für Publisher und werbetreibende Drittparteien sind.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz

Statistik-Cookies dienen der Analyse und helfen uns dabei zu verstehen, wie Besucher mit unserer Website interagieren, indem Informationen anonymisiert gesammelt werden. Auf Basis dieser Informationen können wir unsere Website für Sie weiter verbessern und optimieren.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz