Nicaragua-Kanal - das Ende eines Phantom-Projekts
So richtig daran geglaubt hatte ohnehin kaum jemand. Nun ist die Realisierung des Nicaragua-Kanals endgültig gescheitert, Finanzierung und Machbarkeit sind nicht darstellbar.
Er sollte eine Art Denkmal für den umstrittenen sandinistischen Präsidenten Daniel Ortega werden: der Nicaragua-Kanal. Eine Alternativroute zum Panama-Kanal, der, wirtschaftlich höchst erfolgreich, Pazifik und Atlantik miteinander verbindet, Milliardeneinnahmen einspielt und eine Verkürzung der Handelsrouten um mehrere tausend Seemeilen ermöglicht. Mit viel Propaganda und noch mehr Versprechen hatten Ortega und seine Ehefrau, die langjährige Regierungssprecherin und inzwischen Vizepräsidentin Rosario Murillo, eine goldene Zukunft versprochen.
Chinesischer Investor von Börse ausgeschlossen
Inzwischen glaubt niemand mehr an die Realisierung des Prestigeprojekts. Nicaraguanische Medien berichten, dass Ortegas strategischer Partner, der chinesische Unternehmer Wang Jing, im Rahmen der Turbulenzen auf dem chinesischen Markt von der Börse in Shanghai ausgeschlossen worden sei. Gemeinsam hatten der Staat Nicaragua und der Investor zur Finanzierung des Milliardengeschäfts die HK Nicaragua Canal Development Investment gegründet. Doch seit vier Jahren sind die Büros geschlossen; eine Nachfolgeadresse gibt es nicht. Die aktuellen Nachrichten bedeuten den letzten Sargnagel für das Phantom-Projekt.
Der Nicaragua-Kanal sollte weiter nördlich als der Panama-Kanal den Atlantik mit dem Pazifik verbinden und von der Mündung des Rio Punta Gorda an der Karibikküste zur Mündung des Rio Brito im Osten verlaufen. Die geplanten Baukosten sollten nach offiziellen Angaben rund 50 Milliarden US-Dollar (42 Milliarden Euro) betragen. Die Arbeiten sollten rund fünf bis sechs Jahre dauern; eigentlich hätten sie längst abgeschlossen sein sollen.
Widerstand von Umweltschützern und Kleinbauern
Das Projekt war stets hoch umstritten. Verbände von Kleinbauern wehrten sich gegen die Enteignung ihrer Grundstücke, die entlang des Streckenverlaufs lagen. Sie warfen der Ortega-Regierung vor, ausschließlich an den Grundstücken interessiert zu sein; das Projekt dagegen werde niemals realisiert. Umweltschützer kritisierten, dass der Streckenverlauf unter anderem durch zwei ökologisch wertvolle Süßwasserseen einen gravierenden Eingriff in die Natur bedeute und unvorhersehbare Folgen hätte.
Proteste gegen die Kanalpläne wurden von den Sicherheitskräften des linksgerichteten Regimes brutal, bisweilen sogar mit tödlicher Gewalt niedergeschlagen. Auf dem Höhepunkt der Proteste stellte sich auch eine prominente Unterstützerin hinter die Campesinos: Bianca Jagger, Umweltaktivistin und Ex-Frau von Rolling-Stones-Sänger Mick Jagger: "Ortega möchte den See und unsere Wälder für einen Kanal zerstören, der keinen Fortschritt bringt", erklärte die 76-Jährige damals in Managua. Das dort geborene Ex-Model besitzt die britische und auch die nicaraguanische Staatsbürgerschaft.
Kirche: Bedingungen für demokratische Wahl nicht erfüllt
Mit den neuen Turbulenzen um Wang Jing dürfte auch der letzte Optimist jeden Glauben an eine Realisierung des Projekts verloren haben. Die Nachrichten kommen für Ortega zur Unzeit, denn in wenigen Wochen stehen wieder Präsidentenwahlen an. Allerdings hat der 75-Jährige, der seine Regierung als christlich, sozialistisch und solidarisch bezeichnet, nichts dem Zufall überlassen. Alle für ihn potentiell gefährlichen Rivalen wurden rechtzeitig vor dem Urnengang verhaftet.
Die Kommission für Gerechtigkeit und Frieden der Erzdiözese Managua hat das Vertrauen in die Wahlen bereits verloren: Ein Wahltag müsste ein ziviles Fest sein, erklärte sie jüngst. Stattdessen herrschten Angst und Ungewissheit, weil die Bedingungen für demokratische Wahlen fehlten. Das nicaraguanische Volk habe ein Recht, zwischen verschiedenen politischen Meinungen wählen zu dürfen. Aber das sei nicht möglich, wenn die Kandidaten der Opposition vom Wahlprozess ausgeschlossen, verhaftet und ihnen die Bürgerrechte genommen seien.