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Neue Corona-Welle trifft Lateinamerika hart

Mitte Mai erreichte Lateinamerika die traurige Marke von mehr als einer Million Corona-Toten. Die dritte Welle der Infektionen trifft die Region hart. Die Folgen sind allgemein steigende Arbeitslosigkeit und Armut, ein erneuter Lockdown in Argentinien und ein blühender Schwarzmarkt mit Sauerstoff in Peru.

In der brasilianischen Amazonas-Metropole Manaus verteilen kirchliche Mitarbeiter und Ehrenamtliche Lebensmittel und Wasser an Bedürftige, die wegen der Corona-Krise in Not geraten sind. Foto: Adveniat/Florian Kopp

In der brasilianischen Amazonas-Metropole Manaus verteilen kirchliche Mitarbeiter und Ehrenamtliche Lebensmittel und Wasser an Bedürftige, die wegen der Corona-Krise in Not geraten sind. Foto: Adveniat/Florian Kopp

Der Herbst zeigt sich in Argentinien noch mal von der schönsten Seite. Die letzten sonnigen und lauen Tage liegen über Buenos Aires. Noch bis vor kurzem genossen die Argentinier diese Zeit in Cafés, bei Straßenmusik oder dem Asado, dem klassischen Grillfest, unter freiem Himmel. Aber seit dieser Woche und bis mindestens Ende des Monats wurden die Menschen in dem südamerikanischen Land wieder eingeschlossen: Totaler Lockdown.

Lockdown in Argentinien

Das viertbevölkerungsreichste Land Lateinamerikas verliert die Kontrolle über die Corona-Infektionen. Im Mai stecken sich regelmäßig zwischen 25.000 und 35.000 Menschen neu mit dem Covid-19-Erreger an. Experten machen dafür auch die brasilianische Virusvariante P1 verantwortlich. Sie ist ansteckender und hat schwerere Verläufe. Argentiniens Präsident Alberto Fernández trat vergangene Woche vor die TV-Kameras und sagte mit düsterer Stimme: „Wir erleben derzeit den schlimmsten Moment der Pandemie". Tatsächlich platzieren 3,6 Millionen Infizierte und 76.000 Tote das südamerikanische Land unter den 15 Staaten weltweit, die am härtesten von der Viruskrankheit getroffen sind. 
 
Und so ist der Großraum der Hauptstadt Buenos Aires mit seinen 15 Millionen Einwohnern faktisch abgeriegelt, es gilt eine Ausgangssperre ab 18 Uhr. Auch die Schulen sind dicht, nur die Supermärkte bleiben offen. Die Einwohner der Stadt dürfen sich nur noch im engen Umkreis ihres Wohnortes bewegen. Mitte Juni soll in Argentinien die Copa América ausgespielt werden, das südamerikanische Pendant zur Fußball-Europameisterschaft. Nach der Absage Kolumbiens als Co-Ausrichter wegen der sozialen Proteste soll Argentinien noch 15 Spiele mehr ausrichten und fünf Nationalteams mehr beherbergen. Das sei Wahnsinn, wettert der Bürgermeister von Buenos Aires, Horacio Rodríguez Larreta. Er fordert, die Copa komplett abzusagen. 

Eine Million Corona-Tote in Lateinamerika

In den Nachbarländern Argentiniens sieht es nicht besser aus. Neben Indien ist Lateinamerika der zweite große Brennpunkt der Pandemie. Mitte Mai sprengte die Region die Grenze der Eine-Million-Corona-Toten (Lateinamerika überschreitet traurige Marke von mehr als einer Million Corona-Toten - Adveniat fordert Impfgerechtigkeit). Das sind fast 30 Prozent der globalen Opfer. Dabei repräsentiert die Region nur 8,4 Prozent der Weltbevölkerung. In Lateinamerika selbst konzentrieren sich die Todesopfer in wenigen Staaten. Fast 90 Prozent sind in fünf Ländern zu beklagen: Brasilien, Mexiko, Kolumbien, Argentinien und Peru. Insgesamt hat man den Eindruck, die Länder Lateinamerikas verlieren den Kampf gegen die Pandemie. Denn sie kostet nicht nur eine Unzahl an Menschenleben, sondern auch unfassbar viele Arbeitsplätze. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sind in mehr als einem Jahr Pandemie in der Region 26 Millionen Jobs vernichtet worden.
 
Auch bei den Impfungen hängt Süd- und Zentralamerika hinterher. Knapp drei Prozent der Bevölkerung Südamerikas ist bisher geimpft. Es brauche mehr globale Solidarität und eine gerechtere Verteilung, forderten jüngst die Teilnehmer des Iberoamerika-Gipfels sowie die Staats- und Regierungschefs von Argentinien, Mexiko, Bolivien, Ecuador, Uruguay und Jamaika in einer parteiübergreifenden Allianz. 
 
In Brasilien und Mexiko, zwei der Länder mit den meisten Todesopfern überhaupt, ist der exponentielle Anstieg der Pandemie gestoppt. Lange war in Lateinamerika vor allem in Brasilien, dem bevölkerungsreichsten Land, die Lage nahezu apokalyptisch. Nachdem im April bis zu 4.000 Tote täglich zu beklagen waren, sind es derzeit rund halb so viele. Zudem kommt die Impfkampagne langsam, aber sicher voran. 21,2 Millionen Brasilianer, also zehn Prozent der Bevölkerung, haben bereits beide Impfdosen erhalten. Der radikal rechte Präsident Jair Bolsonaro hat seine Boykott-Kampagne gegen die Immunisierungen längst aufgegeben. 

Schwarzmarkt für Sauerstoff in Peru

Mittlerweile aber ist das Virus selbst im kleinen Nachbarland Uruguay außer Kontrolle, das lange vorbildlich war in der Virusbekämpfung. Aber mit seinen 3,5 Millionen Einwohnern hat es laut „Our World in Data project“ der Oxford-Universität die höchste Todesrate pro Kopf weltweit zu beklagen. Auch In Chile, wo bald die Hälfte der Bevölkerung geimpft ist, steigen die Infektionen. In Peru ist wieder ein Schwarzmarkt für Sauerstoff entstanden (Feature: Die Lebensretter von Lima - Gemeinde installiert Sauerstoffabfüllanlage). Selbst das kleine Costa Rica in Zentralamerika wird gerade von der Corona-Pandemie überrollt. Stündlich stirbt ein Mensch in dem Land, das bisher weitgehend verschont blieb. 
 
Und im Norden Lateinamerikas tut Mexiko so, als sei die Pandemie bereits vorbei und kehrt zu annähernder Normalität zurück. Es ist das einzige große Land auf dem Globus, das keinerlei Reisebeschränkungen verhängt hat, wo man weder PCR-Tests machen noch Quarantäne einhalten muss. Dabei beklagt Mexiko mehr als 222.000 Covid-19-Tote und rund 2.500 Neuinfektionen täglich. Experten halten das zweitgrößte Land Lateinamerikas für eines der Länder mit der größten Dunkelziffer, weil sehr wenig getestet wird. Immerhin kommen die Impfungen in den Metropolen voran.

Arbeitslosigkeit und Armut wachsen wieder

Die Gründe für die extrem hohen Infektions- und Todeszahlen in der Region sind typisch lateinamerikanisch. Mehr als die Hälfte der Menschen arbeitet hier im informellen Sektor als Schuhputzer, Parkplatzeinweiser, Obstverkäufer oder Taco-Bruzzler - faktisch also als Tagelöhner. Dieser informelle Wirtschaftssektor bietet keinerlei sozialen Schutz. Und zudem zeigt sich gerade in diesen Zeiten, wie unterfinanziert und schlecht ausgestattet die öffentlichen Gesundheitssysteme sind, die angesichts der großen Anzahl schwerer Infektionsfälle vielerorts vor dem Kollaps stehen. 
 
Auch Errungenschaften in der Armutsbekämpfung sind durch die Pandemie verloren. Die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) hat ausgerechnet, dass die Armut in der Region im vergangenen Jahr auf 33,7 Prozent anstieg. Es ist das höchste Niveau seit zwölf Jahren. 209 der 654 Millionen Latinos haben nicht genügend zu essen oder kein würdiges Dach über dem Kopf. Die Wirtschaftskraft der Region fiel im ersten Pandemiejahr im Schnitt um 7,7 Prozent.

Autor: Klaus Ehringfeld

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