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Mexiko, USA, Guatemala, Honduras |

Mittelamerikas Jugend auf der Flucht

Neue Migrantenwelle aus Mittelamerika setzt US-Regierung unter Druck. Dabei hat Bidens Team erstmals einen Plan, der die Wurzeln angeht.

Schuhe und Matratzen in einer zur Migrantenherberge umfunktionierten Kapelle in Salto de Agua im Süden von Mexiko. Foto: Adveniat/Matthias Hoch

Schuhe und Matratzen in einer zur Migrantenherberge umfunktionierten Kapelle in Salto de Agua im Süden von Mexiko. Foto: Adveniat/Matthias Hoch

David Espina verlor sein Haus und seine Felder in Honduras durch einen Wirbelsturm und ist mit Schwester, Frau und zwei Kindern unterwegs gen Norden; die 16jährige Lucía Rodríguez aus El Salvador ist auf der Flucht, weil sie nicht Freundin eines Bandenchefs sein will; Hector, Rosa und Kevin stammen aus Guatemala, sind 14, 15 und 16 Jahre alt und wollen mehr aus ihrem Leben machen als „für einen Hungerlohn zu schuften“. Espina ist gerade erst angekommen in Ciudad Juárez, wo er lokalen Medien seine Geschichte erzählt. „Die Alternative war Verhungern. Da sind wir los Richtung Norden“, sagt er. Die anderen sind schon länger an der Grenze. Dort hausen derzeit Zehntausende Migranten – in überfüllten Herbergen, improvisierten Zeltlagern oder notfalls unter Brücken und in öffentlichen Parks. Hilfsorganisationen warnen vor einer „humanitären Katastrophe“. 171.000 illegale Migranten, darunter viele Familien und Minderjährige, griff der US-Grenzschutz im Februar auf, ein Monatsrekord in 15 Jahren.

Die meisten werden sofort wieder zurückgeschickt unter Verweis auf eine noch von der Vorgängerregierung erlassene Pandemie-Vorschrift, die Migranten als Risiko für die öffentliche Gesundheit bezeichnet. Seit Januar wurden so mehr als 62.000 Asylsuchende abgewiesen, erklärt Enrique Valenzuela vom regionalen Migrantenrat (Coespo) in Ciudad Juárez dem Sender Telemundo. „Sie befinden sich im Schwebezustand. In Mexiko wollen sie nicht bleiben oder ihre Papiere in Ordnung bringen, zurück in die Heimat ist keine Option, und in den USA werden sie nicht angehört.“ Bis zu 100 Menschen werden ihm zufolge täglich zurückgeschickt – und täglich kommend Dutzende neue aus dem Süden nach.

Lücken bei den Grenzkontrollen vor allem an der Südgrenze Mexikos ermuntern die Menschen genauso wie die Hoffnung, dass die neue US-Regierung unter Joe Biden weniger streng sein wird. Hinzu kommen trügerische Versprechungen der Schlepperbanden, die sich vom Geschäftseinbruch im Jahr 2020 erholen wollen. Eine Nachricht bleibt bei den Migranten besonders hängen: Die Biden-Regierung hat die unter Donald Trump eingeführte Trennung von aufgegriffenen Eltern und Kindern gestoppt. Das schürt Erwartungen, dass Kinder die Chancen auf Asyl steigern. Durch die Aussetzung dieses Dekrets bringt Biden die USA zwar wieder in Einklang mit internationalen Menschenrechtskonventionen – befeuert aber zugleich die Kritik rechter US-Republikaner, die ihn als Weichei verspotten. 

So reagiert die US-Regierung

Mit drastischen Botschaften will die US-Regierung nun gegensteuern. Regierungsvertreter betonen auf Spanisch gegenüber mittelamerikanischen Sendern, die Grenze sei weiterhin dicht. In  Spots in Radios und sozialen Netzwerken warnt die US-Regierung die Menschen, das Leben ihrer Kinder nicht aufgrund falscher Hoffnungen aufs Spiel zu setzen. Untermalt wird dies mit drastischen Videos aus dem realen Leben, etwa als zwei Schmuggler eine Drei- und eine Fünfjährige von einem vier Meter hohen Grenzzaun fallen lassen und dann die Flucht ergreifen.

Die Grenzkrise erwischt die Biden-Regierung kalt. Eigentlich hat sein Expertenteam innovative Pläne, mit denen endlich die Fluchtursachen angegangen würden statt Migration nur zur innenpolitischen Stimmungsmache zu nutzen. So machte Bidens Berater Juan González unlängst als wichtigen Fluchtgrund eine „räuberische Elite“ aus, die Migration als soziales Ventil betrachte. In der Tat ist Migration doppelt lukrativ für Mittelamerikas lokale Eliten: Die von den ausgewanderten Armen nach Hause überwiesenen Gelder ersetzen staatliche Sozialleistungen und landen letztlich – über den Umweg von Super- und Baumärkten – doch wieder in den Taschen der Elite.

Diese Elite wurde seit dem Kalten Krieg von der US-Regierung hofiert, so lange sie ein Bollwerk gegen den Kommunismus (heute auch gegen China) bildete und dem US-Geheimdiensten freie Hand für Operationen garantierte. Dann wurden beide Augen zugedrückt, wenn sich Präsidenten internationale Hilfsgelder unter den Nagel rissen, Aktivisten und Oppositionelle ermorden ließen, in Drogengeschäfte verwickelt waren oder sogar wenn sie, wie in Guatemala, die erfolgreiche Anti-Korruptions-Kommission der UNO (Cicig) aus dem Land warfen. Diese Kalte-Kriegs-Strategie soll nun überholt werden. Gemeinsam mit Mexiko soll eine Art Marshall-Plan für Zentralamerika aufgelegt werden; flankiert von einer regionalen Anti-Korruptions-Einheit, in der auch die Zivilgesellschaft und Unternehmer vertreten sind. Damit würde die Elite in die Pflicht genommen.

 

Die Namen der minderjährigen Migranten wurden aus Gründen des Personenschutzes geändert.

Autorin: Sandra Weiss

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