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Militär-Veteranen greifen Guatemalas Kongress an

Schwere Ausschreitungen rund um das Parlament in Guatemala-Stadt lenken den Blick auf einen lange schwelenden Konflikt um Wahlkampfversprechen. Die Wurzeln liegen auch im vor 25 Jahren beendeten Bürgerkrieg.

Flagge von Guatemala

Flagge von Guatemala

Militär-Veteranen in Guatemala haben am Dienstag, 19. Oktober 2021 versucht, gewaltsam das Kongressgebäude in der Hauptstadt zu stürmen. Ihr Protest richtet sich gegen nicht eingehaltene Zusagen von Präsident Alejandro Giammattei, der im Wahlkampf Entschädigungszahlungen versprochen hatte. Eine Abgeordnete postete in den Sozialen Netzwerken ein Video mit Versprechen von Giammattei aus dem Wahlkampf, das die Aussagen der Veteranen belegen soll. Die Ex-Soldaten fordern eine Entschädigung in Höhe von je 120.000 Quetzal (rund 13.300 Euro) für ihren im Bürgerkrieg geleisteten Dienst.

Bürgerkriegsveteranen fordern Entschädigung

Wie lokale Medien berichteten, brachen die Protestierenden von verschiedenen Stellen in Guatemala-Stadt auf, um dann gemeinsam mit Baumstämmen die Türen des Gebäudes zu stürmen - vergeblich. Dabei seien auch Steine und Holzlatten in Richtung Parlament geflogen, während Parlamentsmitarbeiter versuchten, das Gebäude mit provisorischen Blockaden zu sichern. Andere suchten die Flucht über das Dach. Gelegte Brände auf einem Parkplatz zerstörten mehrere Fahrzeuge. Nach Angaben von "Prensa Libre" erlitten sechs Journalisten bei den Ausschreitungen Verletzungen, ihre technische Ausrüstung wurde teilweise zerstört.

Die Veteranen hatten in den vergangenen Wochen immer wieder mit Straßenblockaden in Guatemala demonstriert. Ihre Geduld sei nun erschöpft, erklärte ein Sprecher der Demonstranten. Sie seien bereit, in den Krieg zu ziehen. Dagegen sagte Kabinettschef Gendri Reyes nach den Vorfällen in Guatemala-Stadt mit Blick auf die Veteranen-Verbände: Verbände, die sich nur als solche tarnten, um Verbrechen zu begehen, würden aufgelöst.

Bilanz des Bürgerkrieg: 200.000 Tote

Der eigentliche Zwist geht auf den Bürgerkrieg in Guatemala zurück, der zu den brutalsten Konflikten in der Geschichte Lateinamerikas zählt. Er dauerte 36 Jahre und endete am 29. Dezember 1996 mit dem Abschluss eines Friedensvertrags zwischen der rechtsgerichteten Regierung und der Rebellenvereinigung URNG. In dieser Zeit wurden Schätzungen zufolge mindestens 200.000 Menschen getötet, 83 Prozent davon Angehörige der indigenen Maya-Bevölkerung. Geschätzt 1,7 Millionen Menschen flohen vor Gewalt und Unterdrückung.

Hintergrund des Konflikts waren Versuche einer Landreform Anfang der 50er Jahre, die nach 1954 durch einen Putsch und ein US-gestütztes Regime unterdrückt wurden. Damit wurden die Interessen des US-Konzerns United Fruit Company gewahrt, der in Guatemala riesige Ländereien zum Anbau von Chiquita-Bananen besaß. Spätestens ab 1975 richtete sich die Staatsmacht vor allem gegen die ländlichen Maya-Regionen, unter dem Vorwand, die Guerilla finde dort Unterstützung.

Kriegsverbrechen von Armee und Paramilitär

Als die Zeit der "violencia", der besonders ungehemmten Gewalt, gelten die Jahre 1978 bis 1985. Allein wärend der 15-monatigen Herrschaft des Diktators Efrain Rios Montt (1982-1983) begingen Militärs 600 Massaker und zerstörten in einer "Politik der verbrannten Erde" etwa 100 Dörfer. 17.000 Menschen wurden in diesem Zeitraum getötet, Hunderttausende flohen.

Am 24. April 1998 legte die katholische Kirche einen Untersuchungsbericht zur "Wiedererlangung des historischen Gedächtnisses" (REMHI) vor. Zwei Tage später wurde der wichtigste Protagonist der Studie, Weihbischof Juan Gerardi Conedera, von Armeeangehörigen ermordet.

Aus dem Bericht geht hervor, dass mehr als 90 Prozent der Morde auf Armee, Paramilitärs und Zivilpatrouillen (PAC) zurückgehen; für etwa 9 Prozent zeichnete demnach die Guerilla verantwortlich. Allein für die Hochlandprovinz Quiche führt der Bericht für die Zeit des Bürgerkriegs 31.400 Verhaftungen, 13.728 Tote, 2.157 "Verschwundene", 3.207 Fälle von Folter und 4.039 Attentate auf. Auf Entschädigung warten die meisten Opfer bis heute.

Text: Tobias Käufer (kna)

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