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Mexikos Frauen proben den Aufstand gegen Machos

Was wäre Mexiko ohne Frauen? Nach einer Serie brutaler Frauenmorde haben Aktivistinnen für den 9. März zu einem Streik aufgerufen. Der Präsident sieht darin eine Verschwörung.

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Diese Kreuze vor dem Gebäude der Staatsanwaltschaft in Ciudad Juárez erinnern an ermordete Frauen. Foto: Adveniat/Jürgen Escher

Ingrid, 25 Jahre alt, wurde erstochen, gehäutet und ausgeweidet. Fátima (7) wurde vom Schuleingang weg entführt und später mit Zeichen von Folter und sexuellem Missbrauch in einer Plastiktüte gefunden. Abril (48) zeigte nach Jahren der Schläge und Drohungen ihren Exmann an und brachte ihn vor Gericht. Dort wurde der einflussreiche Manager gegen Kaution freigelassen – einige Wochen später ließ er Abril von einem Auftragskiller erschießen. Die Liste der ermordeten Frauen in Mexiko ist lang, zieht sich quer durch die Gesellschaftsschichten, und die Empörung über die Untätigkeit der Behörden wächst. "Keine einzige mehr" und "Wir wollen uns lebend“ sind  Slogans, unter denen Frauen aller Schichten und Altersklassen seither demonstrieren. 2.833 Frauen wurden 2019 ermordet, doch obwohl das Land Frauenmord als Straftatbestand kennt, wurden nur 726 Fälle als solche katalogisiert. Feministinnen machen dafür Machismus in Justiz und Behörden verantwortlich.

95 Prozent der Morde bleiben straffrei

Dass die Justiz und der Sicherheitsapparat versagen, hat Tradition in Mexiko. Die Straffreiheit liegt bei 95 Prozent - die Chance, für eine Straftat verurteilt zu werden, ist also verschwindend gering – egal bei welchem Delikt. Lange schienen sich die Mexikaner mit dem Rechtsstaatsversagen abgefunden zu haben; bei vielen herrscht außerdem noch Hoffnung, der seit über einem Jahr regierende linkspopulistische Präsident Andrés Manuel López Obrador werde das Problem lösen – obwohl die Gewaltspirale sich seither immer schneller dreht.

Die jüngsten, besonders brutalen Fälle waren aber offenbar der Funken, der das Dynamitfass entzündete. Alle paar Tage kommt es seither an verschiedenen Orten zu Protesten; in Mexiko-Stadt ziehen aufgebrachte Frauen immer wieder vor den Präsidentenpalast und besprühen ihn mit Graffiti. Der Aufschrei hat López Obrador auf dem falschen Fuß erwischt. Sie sollten doch bitte Denkmäler verschonen und ihn in Ruhe arbeiten lassen, entgegnete er bei seiner morgendlichen Pressekonferenz. Er zweifelte erst die Statistiken an und machte dann für die Gewalttaten den „Neoliberalismus der Vorgängerregierungen“ verantwortlich. Zur Beruhigung der Gemüter trug das wenig bei. Für den 8. März haben Frauenkollektive zu landesweiten Protestmärschen aufgerufen, am 9. März sollten alle Frauen zuhause bleiben und in Streik treten. Unter dem Hashtag #UnDiaSinMujeres/Nosotras (Ein Tag ohne Frauen/uns) solidarisierten sich Universitäten, Oppositionsparteien, Richter, Gouverneure, Medien,  Bischöfe und sogar die Streitkräfte mit der Bewegung.

Streikaufruf "Ein Tag ohne Frauen"

Als der Präsident dahinter eine konservative Manipulation vermutete, reagierte die Propagandamaschine der Regierung umgehend. Die Präsidentengattin, die den Streik zuerst unterstützt hatte, rief stattdessen unter dem Hashtag #NeinZumStreik zu einem „Tag der Solidarität mit den Frauen und der Regierung“ auf. Diese Irritation erklärt die Journalistin Ivonne Melgar so: „Die Frauenbewegung stellt den Präsidenten unerwartet auf die Probe und drängt ihm eine neue Agenda auf. Jenseits von Parteigrenzen haben die Frauen die Blindheit des Staates gegenüber Ungerechtigkeit und Straffreiheit sichtbar gemacht.“

Mexikos Senat reagierte reflexartig mit einem Vorstoß, das Strafmaß auf Frauenmord um fünf auf bis zu 65 Jahre zu erhöhen. Erst wenige Tage zuvor hatte Generalstaatsanwalt Alejandro Gertz Manero laut darüber nachgedacht, den Straftatbestand ganz zu streichen, weil Mord ja ausreiche. „Das wird das Problem nicht lösen“, gab Monica Meltis zu bedenken, deren Organisation Data Civica die Frauenmorde katalogisiert und analysiert. Das Problem beginne bei trägen Polizisten, unwilligen Staatsanwaltschaften, gehe über eine Gesellschaft, die Gewalt gegen Frauen als Privatangelegenheit sehe und ende bei nicht vorhandenen Statistiken. „Wenn wir überhaupt keine vernünftigen Daten haben, können wir auf der Suche nach Strategien nur blind im Nebel herumstochern“, kritisierte sie.

Autorin: Sandra Weiss

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