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Mexiko: López Obrador bittet die Yaqui um Entschuldigung

Ganz im Norden Mexikos, im Bundesstaat Sonora befindet sich das Siedlungsgebiet der Yaqui. Das indigene Volk hat nicht nur die spanische Conquista überlebt, sondern auch die Vernichtungsfeldzüge unter Präsident Porfirio Díaz (1884 bis 1911). Für den Völkermord hat sich Mexikos Präsident nun im Namen seines Landes entschuldigt. 

Eine Gruppe von circa 30 gefangenen Yaqui - hauptsächlich Frauen und Kinder - werden von mexikanischen Soldaten abgeführt. Foto (1910): wikimedia commons, CCO1.0

Eine Gruppe von circa 30 gefangenen Yaqui - hauptsächlich Frauen und Kinder - werden von mexikanischen Soldaten abgeführt. Foto (1910): wikimedia commons, CCO1.0

Versöhnung und Wiedergutmachung - deshalb war Präsident Andrés Manuel López Obrador am Dienstag, 28. September 2021 nach Vicam gekommen. Die kleine Stadt ganz im Norden Mexikos, im Bundesstaat Sonora gelegen, ist die "Hauptstadt" der Yaqui. Hier bat Mexikos Präsident ganz offiziell für die Verbrechen des mexikanischen Staates um Entschuldigung, der Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts das damals rund 30.000 Menschen zählende indigene Volk mit Terror überzog und es auszulöschen drohte. Unter dem autoritären General Porfirio Díaz (1884 bis 1911) wurden die Yaqui verfolgt, ihres Landes beraubt und versklavt. Viele flohen ins nahegelegene Arizona, um dort um Unterstützung und vor allem um Waffen zu bitten. Oft erfolglos.

Es geht um Wasserrrechte und fruchtbares Land

Laut López Obrador starben in den zwanzig bis dreißig Jahren der massiven Verfolgung der Yaqui bis zu 15.000 Menschen. Damals wie heute geht es um ihr fruchtbares Land und das Wasser des Flusses Yaqui, der durch die Siedlungsgebiete des indigenen Volkes fließt. Jahr für Jahr tritt der Fluss über die Ufer und sorgt dafür, dass das Schwemmland gedüngt wird - wie es auch beim Nil in Ägypten der Fall ist. So seien die Böden rund um den Fluss besonders fruchtbar, heißt es. „Das ist ein Segen für das Land, aber zugleich auch sein Fluch“, schreibt Paco Ignacio Taibo II. gleich am Anfang seines Buches über „Die Yaqui“. „Indigener Widerstand und ein Völkermord“ lautet der Untertitel.

Das Buch ist in Mexiko ein Bestseller und hat eines der dunkelsten Kapitel der mexikanischen Geschichte sichtbar gemacht – den Genozid an den Yaqui. „Gerade weil die Geschichte im Zuge der Revolution von 1910 komplett vergessen wurde, freue ich mich, sie wieder sichtbar gemacht zu haben", so der Buchautor und linke Intellektuelle, der ständig auf der Suche nach den kleinen und großen Geschichten ist, aus denen sich lernen lässt. Aus der der Yaqui lässt sich einiges lernen und genau deshalb ist Paco Ignacio Taibo II gleich mehrfach ins Yaqui-Gebiet gefahren – sowohl auf Spurensuche aber auch, um die Gobernadores, die Anführer der Ethnie, um Erlaubnis zu fragen, ihre Geschichte niederzuschreiben. 

Völkermord im Schatten der mexikanischen Revolution

Die Yaqui waren einverstanden und haben dem Historiker die Ältesten zur Seite gestellt, sodass es Taibo II gelungen ist, den Genozid im Schatten der mexikanischen Revolution nachzuzeichnen. Kaum mehr als 7.000 der mehr als 30.000 Yaqui überlebten laut den Recherchen. Zwischenzeitlich lebten sie weit verstreut über mehrere Bundesstaaten wie Yucatán und Oaxaca, wohin sie aus ihrem Siedlungsgebiet im Süden des Bundessstaates Sonora deportiert wurden, aber es gibt auch eine Gruppe Yaqui im US-amerikanischen Arizona.

Die Yaqui sind entfernte Verwandte der Nahuátl, der größten indigenen Volksgruppe Mexikos, und leben traditionell von der Landwirtschaft, der Jagd und dem Fischfang. Eine Besonderheit ist, dass die kleine, heute wieder rund 30.000 Menschen zählende Ethnie nicht auf den individuellen, sondern auf den kollektiven Landbesitz setzt. Gemeinschaftsküchen, der gemeinsame Anbau und die gemeinsame Verteidigung ihrer Kultur und ihres Territoriums ziehen sich als Konstante durch die Geschichte der Yaqui, die Taibo II von 1533 bis 2016 rekonstruiert hat.

Buch dokumentiert die Geschichte der Yaqui

Die Yaqui lebten im fruchtbaren Tal des Río Yaqui und dieses Land geriet immer wieder ins Visier der lokalen Eliten. So auch heute: „Die Geschichte der Yaqui könnte sich wiederholen, nur ist es diesmal ein Krieg mit anderen Mitteln“, erzählt Taibo II. Wasserkraftwerke könnten den Yaqui buchstäblich das Wasser abdrehen. Doch die Yaqui leisten Widerstand, bei dem der wortgewaltige Historiker und Romancier eine wichtige Rolle spielt. Sein Buch hat nicht nur dafür gesorgt, dass die Yaqui heute mehr über ihre eigene Geschichte wissen als früher, sondern auch die mexikanische Öffentlichkeit. 

Dazu hat auch die Dokumentation beigetragen, die im Anschluss an das Buch mit Hilfe von Taibo II entstand, sowie die Lesungen, die Mexikos produktivster Autor sowohl bei den Yaqui als auch in Mexiko-Stadt immer wieder organisiert hat. Derzeit allerdings weniger, denn schließlich ist der 72-jährige Taibo II seit März 2019 für den staatlichen Fondo de Cultura Económica (FCE) aktiv und kümmert sich um dessen Verlagsprogramm. Da bleibt wenig Zeit für die Visite in Vicam.

Entschuldigung für "schändlichstes Kapitel mexikanischer Geschichte"

Für Paco Ignaico Taibo II sind die Yaqui in jedem Fall eine „Referenz des indigenen Widerstands“. Das illustrieren Anekdoten wie jene über den jungen Yaqui, der mehrere hundert Kilometer durch die Wüste marschierte, um von seinem kargen Lohn als Tagelöhner genau neun Patronen zu kaufen. Die lieferte er dann bei der Yaqui-Guerilla ab. Geschichten wie diese haben den Yaqui in Mexiko Respekt eingebracht und letztlich auch dazu geführt, dass der Präsident persönlich sich für eines „der schändlichsten Kapitel mexikanischer Geschichte“ entschuldigt hat und dem Volk nicht nur 300 Hektar seines einst beschlagnahmten Landes zurückgibt, sondern auch Wasserrechte am Río Yaqui. Die sind entscheidend für die Zukunft des Getreide und Baumwolle anbauenden Volkes, das in den letzten Monaten mehrere seiner Anführer durch Covid-19, aber auch durch Terror verlor. 

Gewalt und Terror durch Drogenkartelle

Die organisierte Kriminalität könnte auch für das Verschwinden von zehn Yaqui im Juli diesen Jahres verantwortlich sein, von denen fünf einen Tag vor der Präsidentenvisite tot aufgefunden wurden. Es besteht wenig Hoffnung, die anderen fünf lebendig wiederzufinden. An der zunehmenden Gewalt durch rivalisierende Drogenkartelle in dieser Region wird auch der Plan des Präsidenten kaum etwas ändern. Der „Plan für Gerechtigkeit für das Volk der Yaqui“ sieht Investionen, unter anderem im Bildungssystem, und eine bessere Gesundheitsversorgung vor. Dadurch soll die Marginalisierung der Yaqui beendet werden, so López Obrador. Doch wie die Regierung dem zunehmenden Terror in der Region und um Städte wie Ciudad Obregón beikommen will, blieb offen. Für die neue Gewaltwelle werden die Drogenkartelle verantwortlich gemacht, die Waffen und Drogen über die nicht weit entfernte Grenze in die USA schmuggeln. 

Text: Knut Henkel

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