Lula attackiert nach Freilassung Bolsonaro
Kaum war Brasiliens früherer Präsident Lula da Silva wieder auf freiem Fuß, da entflammte das verbale Scharmützel mit seinem Nach-Nachfolger Bolsonaro. Zündstoff für die politische Landschaft.
Der am Freitag aus der Haft entlassene brasilianische Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva (74) hat am Wochenende seine Angriffe auf den rechtspopulistischen Präsidenten Jair Messias Bolsonaro fortgesetzt. Vor Tausenden Anhängern der linken Arbeiterpartei PT warf Lula Bolsonaro am Samstagnachmittag (Ortszeit) in Sao Bernardo do campo Verbindungen zu Milizen vor.
Bolsonaro und die Milizen
Bolsonaro sei "auf demokratischem Wege gewählt, und wir respektieren das Wahlergebnis", so Lula. "Aber er wurde gewählt, um für das brasilianische Volk zu regieren. Und nicht für die Milizen aus Rio de Janeiro." Die Brasilianer dürften nicht zulassen, dass Bolsonaro und seine Milizen das Land zerstörten.
Bolsonaro und seinen Söhnen wird eine enge Beziehung zu paramilitärischen Milizen nachgesagt. Derzeit prüft die Justiz auch eine mögliche Verstrickung der Präsidentenfamilie in die Ermordung der linken Stadträtin Marielle Franco vom März 2018. Lula forderte die Justiz auf, diese Verbindungen detailliert zu überprüfen. Zudem hinterfragte er, ob die von der Familie Bolsonaro als Eigentum angegebenen 17 Immobilien auf legale Weis erworben wurden.
Vor einigen Tagen hatte Bolsonaros Sohn Eduardo gedroht, im Falle sozialer Unruhen könnten Bürgerrechte beschränkt und der Kongress geschlossen werden. Die Regierung befürchtet ein Überspringen der chilenischen Sozialproteste auf Brasilien. "Lasst Euch nicht von seinen Drohungen einschüchtern", sagte Lula jetzt.
Lulas Rückkehr auf das rote Parkett?
Weiter kritisierte er die neoliberale Agenda von Wirtschaftsminister Paulo Guedes. "Minister Guedes zerstört Träume, Arbeitsplätze und die brasilianischen Staatsbetriebe. Ich bezweifle, dass er gut schlafen kann und ein derart gutes Gewissen hat wie ich." An Guedes und Bolsonaro gerichtet verkündete Lula seine Rückkehr auf die Politbühne. "Ich möchte ihnen sagen, dass ich wieder da bin."
Er wolle nun den bereits während seiner Amtszeit (2003-2010) begonnenen Kampf gegen Armut und für wirtschaftliche Verbesserungen fortsetzen. Experten sehen in Lulas Freilassung eine Belebung der bisher unauffälligen Opposition.
"Gebt der Kanaille keine Munition"
Bolsonaro reagierte auf Twitter: "Gute Menschen und Liebhaber der Freiheit, wir sind die Mehrheit. Lasst uns jetzt keine Fehler begehen. Gebt der Kanaille, die vorübergehend in Freiheit ist, keine Munition. Er ist schuldbeladen." Lula hatte seinerseits am Freitag Bolsonaro als Lügner bezeichnet.
Lula profitierte von einer am Donnerstag vom Obersten Gericht getroffenen Entscheidung gegen die Möglichkeit, in zweiter Instanz Verurteilte noch vor Anrufung der obersten beiden Revisionsinstanzen inhaftieren zu können. Damit sollte ursprünglich der Anti-Korruptionskampf der Justiz gestärkt werden. Denn aus Angst vor vorzeitiger Inhaftierung hatten zahlreiche Angeklagte sich als Kronzeugen der Anklage zur Verfügung gestellt.
Am Donnerstag ruderte das Gericht jedoch zurück. Erst wenn alle Instanzen ausgeschöpft sind, dürfe der Haftantritt erfolgen. Laut Experten müssen nun bis zu 5.000 Häftlinge freigelassen werden, darunter vermutlich einige Dutzend wie Lula wegen Korruption verurteilte Politiker und Unternehmer.
Lula vor erneutem Prozess
Auf Kronzeugenaussagen basierte auch die Verurteilung Lulas wegen Geldwäsche und Korruption. Lula soll von einem Bauunternehmer ein Strand-Apartment als Dank für erteilte Staatsaufträge angenommen haben. Der ehemalige Bundesrichter Sergio Moro verurteilte Lula Mitte 2017 zu neun Jahren und sechs Monaten Haft. Die dritte Instanz reduzierte die Strafe auf acht Jahre und zehn Monate, von denen er nun 580 Tage absaß.
Lula wurde von Moro bereits in einem zweiten Prozess verurteilt, dessen Berufung für den 27. November angesetzt ist. Zudem ist er in sieben weiteren Prozessen angeklagt. Dabei geht es um illegale Partei- und Wahlkampffinanzierung, Bevorteilung von Unternehmen bei öffentlichen Aufträgen sowie persönliche Bereicherung. Lula bezeichnet die Anschuldigungen als Komplott der Justiz.
Durch die Verurteilung durfte Lula nicht an den Wahlen im Oktober 2018 teilnehmen. Stattdessen gewann der Ex-Militär Bolsonaro, der Richter Moro daraufhin zum Justizminister ernannte. Nachdem Mitte des Jahres an die Presse durchgesteckte Messenger-Gespräche illegale Absprachen zwischen Moro und den Staatsanwälten offenbarten, ist die Anti-Korruptionseinheit "Lava Jato" (Waschstraße) unter Druck geraten.
Lula gegen Ex-Bundesrichter Mora
Lula erklärte, nun seine Unschuld beweisen zu wollen; deshalb habe er sich auch nicht seiner Verhaftung im April 2018 widersetzt. "Ich hätte in eine ausländische Botschaft fliehen können oder ins Ausland. Aber ich entschloss mich, mich inhaftieren zu lassen. Denn ich muss beweisen, dass Moro kein Richter ist, sondern eine Kanaille."
Lulas Verteidigung hat beim Obersten Gericht bereits beantragt, die beiden von Moro gesprochenen Urteile aufzuheben. Experten rechnen Lula dafür gute Chancen aus. In diesem Fall müssten die Prozesse neu aufgerollt werden, was dem 74-Jährigen wahrscheinlich die Möglichkeit geben würde, bei den Wahlen 2022 anzutreten. Sollten die Urteile jedoch bestätigt werden, müsste Lula wieder zurück in den Strafvollzug und könnte nicht kandidieren.