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Guatemala |

?–l kauft Staat

Die unbekannten Männer machten kurzen Prozess. Am 12. September 2010 kamen sie in die Dorfgemeinschaft von Santa Amelia, machen Ricardo Estrada ausfindig und feuerten ihre Waffen auf den Lokalpolitiker vom Volk der Maya ab. Er starb an Ort und Stelle. Das Vorstandsmitglied der »Nationalen Koordinationsstelle für Indigene und Bauern« (CONIC) hatte immer wieder lautstark gegen die Politik von Guatamalas Präsidenten Álvaro Colom mobil gemacht. Sein Protest gegen die Zwangsumsiedlung von 37 Gemeinden, die Zerstörung der Umwelt durch ölbohrungen und den jüngst angekündigten Bau von Militärstützpunkten bezahlte er mit dem Leben.

»Was für ein Widerspruch! Während unser Territorium und Bodenschätze einer ausländischen Firma ausgehändigt werden, sorgt die Regierung für die Vertreibung einfacher Familien, dessen historisches Siedlungsgebiet der Nationalpark »Laguna del Tigre« ist«, klagt ein Brandbrief von CONIC die »Kriminalisierung der Indigenen und Bauern Guatemalas« an. Dabei hatte sich Colom im Wahlkampf noch damit gerühmt, er »sei ein Maya-Priester«.

Das zweitgrößte Trinkwasserreservoir in Lateinamerika

»Laguna del Tigre« liegt im Norden Guatemalas, eines von vier Nationalparks im weitläufigen Biosphärenreservat »Reserva de la Biósfera Maya« (RBM). Das Panorama ist atemberaubend schön. Mehr als 300 tropische Seen, 14 ökosysteme, Brüllaffen, Jaguare und Pumas leben neben Tabascoschildkröten und Tapiren. Das Süßwasser-Moorgebiet ist das zweitgrößte Trinkwasserreservoir Lateinamerikas, eines der bedeutendsten Feuchtbiotope auf dem ganzen Kontinent sichert die Existenz von Mensch und Natur. Von 60 bis 182 Meter über dem Meeresspiegel erstreckt sich die »Laguna del Tigre« über 289.912 Hektar. Ein Garten Eden auf Erden.

ölgeld im Ausland, Schaden in Guatemala

Doch ist es mit der paradiesischen Idylle längst vorbei. Seit 1985 fördert das britisch-französische Erdölunternehmen Perenco (bis 2001 Basic Resources) öl, das Gebiet ist reich am »Schwarzen Gold«. Der Einspruch renommierter Umweltinstitute gegen eine Freigabe der Schutzgebiete half wenig, das Landwirtschaftsministerium gab trotz der zu erwartenden Umweltschäden durch Abholzung und Verschmutzung des zusammenhängenden Netzes von Wasserläufen den Zuschlag. Mehr als 20 Fördertürme bohren sich seitdem in die weiche Erde. Dieses Jahr lief die Förderlizenz für den französischen Multi aus, der Vertrag war auf 25 Jahre begrenzt. Hoffnung machte sich bei den Anwohnern breit, mit Unterstützung von Umweltgruppen machten sie sich für sanften ökotourismus stark, zogen vor Gericht und auf die Straße. Die communeros hatten längst gemerkt, wer das große Geschäft macht. Der öl-Reichtum blieb nicht im Land, die Weltbank hatte eine Pipeline zur Atlantikküste mitfinanziert, das öl wurde gen USA verschifft.

Militärstützpunkte gegen Proteste

Im Juli 2010 aber verlängerte die Regierung von Präsident Álvaro Colom die Lizenz auf weitere 15 Jahre. Auf den sozialen Protest reagiert sie mit Repression, schickte Truppen und Polizei. Die Militarisierung der Zone sei notwendig, man stünde mitten im »Kampf gegen die Drogen«. Das Naturschutzgebiet an der Grenze zu Mexiko sei »voller Zetas«, so Guatemala City. Das von Elite-Soldaten gegründete Drogenkartell »Los Zetas« kämpfe mit dem mexikanischen Kartel »Golfo« um die Macht, »schon vier Zonen in Guatemala kontrollieren sie«, beschwört Colom. »In der Laguna del Tigre gibt es einen beeindruckenden Friedhof alter Flugzeuge, die von den Narcos benutzt wurden«, rechtfertigt der Präsident den jüngst beschlossenen Bau von vier Militärstützpunkten.

Abhängiger Staat sichert Gewinne

Ins Auge fällt das Engagement von Perenco für die Stationierung eines ganzen Batallions nahe des umstrittenen ölfeldes Xan. Pro gefördertes Barrel wolle das Unternehmen 0,30 US-Dollar für die Kosten von Soldaten und Kasernenbau zahlen, kauft sich so den Schutz seiner Investitionen direkt beim guatemaltekischen Staat ein. Umweltschäden scheinen derweil nicht ganz so kostspielig. 0,10 US-Dollar gibt man der Nationalparkverwaltung für Wiederaufforstung, 0,15 US-Dollar bekommen die regionalen Präfekturen für »Umweltprojekte«. Die Firma mit Sitz in London gibt sich spendabel. 13 Millionen US-Dollar »spendete« das Unternehmen mit Bohrlizenzen von Irak, Kurdistan bis Peru für Schäden, die Wirbelsturm Agatha und der Vulkanausbruch von Pacaya angerichtet hatte. Ein guter Preis für das öl-Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 3 Milliarden US-Dollar, das beim aktuellen öl-Preis von 78 US-Dollar pro Barrel weiter auf satte Gewinne zählen kann.

Mehrheit der Bevölkerung gegen Raubbau an grüner Lunge

Guatemala hängt längst am Tropf der Erdölindustrie. Der Vertrag mit Perenco sichert 98% der guatemaltekischen Staatseinnahmen aus der Erdölförderung, von 2002 bis 2009 spülten sie sieben Milliarden Quetzales (etwa 700 Mio. Euro) in die Staatskasse, gestand Bergbau- und Energieminister Carlos Meany in einem Zeitungsinterview ein. Dass Colóm nun mit dem »Krieg gegen die Drogen« Ängste schürt, scheint angesichts der öffentlichen Stimmung gegen die ölförderung nicht zu verwundern. In einer am 12. April veröffentlichten Umfrage von »Vox Latina« sprachen sich über 80 Prozent der Guatemalteken in Stadt und Land, Mayas und Mestizen, gegen den Raubbau in der zweitgrößten grünen Lunge Lateinamerikas aus.

Autor: Benjamin Beutler

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