Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.
Mexiko |

Konflikt um Mexikos Nachrichtenagentur Notimex

Notimex, Mexikos staatliche Presseagentur, wird bereits seit über einem Jahr bestreikt. Das Unternehmen hatte 245 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter innerhalb eines halben Jahres fristlos entlassen und zunächst mit neuen Angestellten in einem angemieteten Bürogebäude weitergearbeitet. Der von der Gewerkschaft SutNotimex initiierte Streik sei legal, so die Gerichte. Trotzdem scheiterten bisher alle Verhandlungen. Dabei spielt auch Präsident López Obrador und seine Einstellung zur Pressefreiheit eine Rolle.

Seit über einem Jahr bestreiken Journalisten die Zentrale der staatlichen Nachrichtenagentur Notimex in Mexiko-Stadt. Foto: Knut Henkel

Seit über einem Jahr bestreiken Journalisten die Zentrale der staatlichen Nachrichtenagentur Notimex in Mexiko-Stadt. Foto: Knut Henkel

Adriana Urrea bedauert, dass die Direktorin von Notimex, Sanjuana Martínez, sich mit ihr und den streikenden Kollegen von SutNotimex immer noch nicht an einen Tisch setzt. „Sie schickt nur ihre Anwälte, die sind aber nicht entscheidungsbefugt“, sagt Urrea, die das Gesicht des Arbeitskonflikts zwischen der staatlichen Nachrichtenagentur und ihren entlassenen Mitarbeitern ist. 

Der Konflikt zieht sich hin, obwohl er, wenn es nach Mexikos Präsidenten Andrés Manuel López Obrador (AMLO) gegangen wäre, schon lange hätte beigelegt sein sollen. Mehrfach hat López Obrador interveniert, doch der Konflikt ist längst zum Politikum mutiert. Schließlich steht der Staat hinter der 1968 gegründeten Nachrichtenagentur, die seit dem 26. Juni komplett stillsteht. Dass die Gewerkschaft es geschafft hat, den Agenturbetrieb lahmzulegen, ist ein wichtiger Erfolg für Adriana Urrea.

Fristlose Entlassung

„Notimex hat über Monate in einem angemieteten Bürohaus mit neuem Personal nach unserem Rausschmiss weiterproduziert. Dagegen haben wir erfolgreich geklagt“, sagt die Generalsekretärin von SutNotimex, die 17 Jahre lang für die staatliche Nachrichtenagentur gearbeitet hat. Dann lag die Kündigung auf ihrem Schreibtisch wie bei so vielen Kolleginnen und Kollegen auch. „Insgesamt wurden 245 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Notimex im Laufe eines halben Jahres fristlos entlassen. Dabei wurden Arbeitsrechte verletzt, und deshalb sind wir ganz legal im Streik“, sagt die Journalistin mit dem Schwerpunkt Finanz- und Unternehmenspolitik. Das haben auch die Gerichte bestätigt, die den Streik der entlassenen Notimex-Mitarbeiter, überwiegend Frauen, für legal erklärt haben.

Legaler Streik, fragwürdige Praktiken

Doch an dem Vorgehen der von Präsident López Obrador als „gute Journalistin und integre Frau“ gelobten Sanjuana Martínez hat sich seitdem nichts geändert, obwohl es mit jedem Tag für die staatliche Agentur schwerer wird, wieder zurück in den Markt zu finden. Die Notimex–Direktorin hat Stimmung gegen die streikenden Mitarbeiter gemacht, sich über den bestehenden Tarifvertrag zwischen staatlicher Agentur und Gewerkschaft hinweggesetzt und ist laut einem Bericht der US-Regierung auch für die Einschüchterung kritischer Journalisten in Mexiko in den sozialen Netzen verantwortlich, so die kritische Wochenzeitung Proceso Mitte April. Dabei seien, so bestätigen auch Aussagen von Notimex-Mitarbeitern und Recherchen der Medien-Organisation „Articulo 19“, falsche Twitter-Konten eingerichtet worden, von denen Journalisten, die kritisch über den Arbeitskonflikt bei Notimex berichteten, angegriffen wurden.

Einschüchterung und Korruptionsvorwürfe

„Sanjuana Martínez hat von uns verlangt, einen neuen Tarifvertrag zu Mindestkonditionen und ohne alle bis dahin erkämpften Zuschläge zu akzeptieren“, wirft Urrea der vom mexikanischen Präsidenten im Juli 2019 berufenen Direktorin vor. Die agiert laut SutNotimex mit harten Bandagen: Alle Register seien gezogen worden, um SutNotimex zu zerschlagen. Dafür wurde sogar mit SiNotimex eine neue Gewerkschaft, die der Geschäftsführung nahe steht, gegründet und die unbequeme Gewerkschaft und deren Vorsitzende Adriana Urrea als korrupt diffamiert. „Richtig ist, dass gegen meinen Vorgänger, den ehemaligen Generalsekretär Conrado García, wegen Korruption ermittelt wird. Ich persönlich muss mich wegen eines strittigen Betrages von 100 Euro in einer Reiseabrechnung verantworten – das ist alles, was vorliegt“, erklärt Urrea. 

Sie wirft Direktorin Martínez auch vor, die Löhne weiter senken zu wollen. Die liegen laut Urrea im Schnitt bei umgerechnet 600.- Euro. Für den Medienwissenschaftler Jorge Bravo von Mexikos größter Universität UNAM habe Notimex an Glaubwürdigkeit verloren. Der Konflikt sei eskaliert, längst stelle sich die Frage, warum die verantwortlichen staatlichen Stellen nicht schneller und entschiedener agieren und nationales Arbeitsrecht verteidigen?

Keine Lösung in Sicht

Das sei überfällig, mahnt der Arbeitsrechtler Héctor Barba gegenüber „Proceso“: „Hier wurde das Recht auf Streik von einer staatlichen Einrichtung autoritär und engstirnig angegriffen.“ Für die rund 80 Streikenden, die seit nunmehr gut vierzehn Monaten die Notimex-Zentrale mit Streik-Wachen lahmlegen, ist die Solidarität von Gewerkschaften und der eigenen Familie wichtig. Allerdings haben viele Mitarbeiter längst das Handtuch geworfen und aufgegeben. 

Für Adriana Urrea keine Option. Sie lebt bei ihrer Mutter, wenn sie nicht in einem der Zelte vor der Notimex-Zentrale in der Avenida Baja California Streikwache hält. Das, so hofft die Journalistin, die regelmäßig Streik-Podcasts ins Netz stellt, wird bald vorbei sein. Die Kritik an Sanjuana Martínez sei immens und eigentlich sei sie schon lange nicht mehr haltbar. Doch eine Lösung ist derzeit trotzdem nicht in Sicht. 

Autor: Knut Henkel

Weitere Nachrichten zu: Panorama

Cookie Einstellungen

Erforderliche Cookies sind für den reibungslosen Betrieb der Website zuständig, indem sie Kernfunktionalitäten ermöglichen, ohne die unsere Website nicht richtig funktioniert. Diese Cookies können nur über Ihre Browser-Einstellungen deaktiviert werden.

Anbieter:

Bischöfliche Aktion Adveniat e.V.

Datenschutz

Marketing-Cookies werden verwendet, um Besuchern auf Webseiten zu folgen. Die Absicht ist, Anzeigen zu zeigen, die relevant und ansprechend für den einzelnen Benutzer sind und daher wertvoller für Publisher und werbetreibende Drittparteien sind.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz

Statistik-Cookies dienen der Analyse und helfen uns dabei zu verstehen, wie Besucher mit unserer Website interagieren, indem Informationen anonymisiert gesammelt werden. Auf Basis dieser Informationen können wir unsere Website für Sie weiter verbessern und optimieren.

Anbieter:

Google Ireland Limited

Datenschutz