Konflikt in Venezuela beherrscht Steinmeiers Südamerika-Reise
Verständnis für die harte Haltung von Kolumbiens Präsident Ivan Duque bei den ausgesetzten Friedensverhandlungen mit der marxistischen ELN-Guerilla, Respekt und Anerkennung für die humanitären Anstrengungen des südamerikanischen Landes bei der Bewältigung der venezolanischen Flüchtlingskrise: Frank-Walter Steinmeier hat bei seinem zweitägigen Besuch die kolumbianische Seele gestreichelt. Der Bundespräsident ließ es sich zugleich nicht nehmen, durch die Hintertür einen Ratschlag für die Friedensgespräche mit der Rebellenorganisation zu geben.
Steinmeier hofft auf neue Optionen für einen Dialog mit der ELN
Der verheerende Terroranschlag auf eine Polizeischule in Bogotá mit 22 Toten und Dutzenden Verletzten im Januar war ein bestimmendes Thema bei den Gesprächen Steinmeiers mit Duque. Der kolumbianische Präsident unterstrich mit scharfen Worten nochmals seinen Kurs gegenüber der ELN-Guerilla: Das Attentat sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sagte Duque. Der Politiker zählte die Bedingungen für eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen auf. Die Gespräche in der kubanischen Hauptstadt Havanna waren ohnehin ins Stocken geraten. Duque nannte die Freilassung aller Geiseln aus der Gewalt der ELN, die Einstellung aller kriminellen Aktivitäten sowie juristische Konsequenzen für die Urheber des Attentats. Zugleich machte er klar: Der kolumbianische Staat werde auf den Anschlag eine geeignete Antwort geben.
Steinmeier zeigte angesichts der aufgewühlten Stimmung in der Bevölkerung Verständnis, dass die "Friedensverhandlungen so, wie sie geführt worden sind, nicht einfach weitergeführt werden können." Der Staat könne nicht an einer solchen Tat vorbeigehen und müsse nun eine Reaktion zeigen. "Ich hoffe für die Zukunft gleichwohl, dass Optionen wieder neu entstehen, um auch in diesem Bereich ein Ende der Gewalt zu finden." Dass Steinmeier gleichzeitig den von Duques Vorgänger und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos ausgehandelten Frieden mit der FARC-Guerilla und dessen positive Auswirkungen auf das Land ausdrückliche lobte, kann durchaus als Dringen darauf verstanden werden, die Friedensverhandlungen irgendwie zu retten. "Ich verstehe, dass die Regierung sichtbare Zeichen von der ELN verlangt", so Steinmeier. Am Abend informierte sich der Bundespräsident in einer Gesprächsrunde, begleitet durch eine Fotoausstellung des deutsch-kolumbianischen Friedensinstituts "CAPAZ", über den Stand des Friedensprozesses mit FARC.
Steinmeier würdigt Engagement Kolumbiens in der Flüchtlingskrise
In der Haltung zum Venezuela-Konflikt befinden sich Steinmeier und Duque offenbar auf einer Wellenlänge. "Autokratie und Misswirtschaft haben Venezuela, ein an sich reiches Land, an den Abgrund und in den Bankrott geführt", sagte Steinmeier. "Die Menschen reagieren in verständlicher Weise; die einen, indem sie protestieren, die anderen, indem sie das Land verlassen." Die Lösung seien Neuwahlen, die dem Interimspräsidenten Juan Guaido die notwendige Legitimität verleihen und somit einen Neuanfang ermöglichen könnten. Steinmeier würdigte die großen humanitären Anstrengungen Kolumbiens. Das Land hat rund eine Millionen Flüchtlinge aus Venezuela aufgenommen. Gerade weil Deutschland die Erfahrung einer Flüchtlingskrise kenne, "nötigt uns ihre Leistung Respekt ab", sagte er.
Am Mittwoch endet der Besuch Steinmeiers in Kolumbien mit einem Besuch der Anlaufstelle für venezolanische Flüchtlinge in der Stadtverwaltung der Hauptstadt Bogotá. Dabei will sich der Bundespräsident auch in direkten Gesprächen mit venezolanischen Flüchtlingen über ihre Situation informieren. Der Südamerika-Besuch endet mit einem zweitägigen Aufenthalt in Ecuador. Dabei wird der Bundespräsident auch die Flüchtlingsherberge San Juan de Dios besuchen, die vom bischöflichen Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat unterstützt wird.
Interview mit Adveniat-Referent Reiner Wilhelm
Reiner Wilhelm, Venezuela-Experte von Adveniat, spricht im Domradio über die Bedeutung, die der Besuch von Bundespräsident Steinmeier für Venezuela hat:
Link zum Interview: "Die Menschen sind unheimlich solidarisch", 12. Februar 2019