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Kolumbiens Kirche streitet über den "Genozid"-Begriff - Wenn ein Wort den Unterschied macht

In Kolumbien hat der Erzbischof von Cali der rechten Regierung von Präsident Duque Rachsucht im Ausmaß eines Völkermordes vorgeworfen. Der Bischofskonferenz geht das zu weit. Derweil stocken die Friedensgespräche.

Erzbischof Monsalve hat mit seinem "Genozid"-Vorwürfen eine Debatte in Kolumbien aus gelöst. Foto: Dario de Jesus Monsalve,  José Santamaria CruzCC BY-SA 4.0

Manchmal kann nur ein einziges Wort eine ganze politische Diskussion verändern. Als vor zehn Jahren der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) erstmals das Wort "Krieg" in den Mund nahm, als er über die Lage in Afghanistan und den dortigen Bundeswehreinsatz sprach, löste er damit eine breite gesellschaftliche Debatte aus. Ein Tabubruch sei das gewesen, urteilten einige deutsche Medien.

In Kolumbien ist es nun zu einem ähnlichen Fall gekommen. Nicht so medial präsent wie damals in Deutschland, aber doch bemerkenswert emotional.

Auch dabei geht es um eine Bewertung der politischen Lage im Land. Abgegeben hat sie vor einigen Tagen der Erzbischof von Cali, Dario de Jesus Monsalve Mejia. Er warf der rechten Regierung von Präsident Ivan Duque vor, sie sei seit den Wahlen von einer Art "genozider Rache" gegenüber dem Friedensprozess in Kolumbien geleitet. Diese richte sich gegen die ehemaligen Mitglieder der inzwischen entwaffneten und befriedeten FARC-Guerilla, gegen soziale Organisationen und die Demokratie auf dem Land. Auch das Festhalten der Regierung an den Bedingungen für die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit der "Nationalen Befreiungsarmee" (ELN) kritisiert der Erzbischof.

Duque bekräftigte jüngst nach einem Gesprächsangebot der ELN, dass zunächst alle Geiseln in der Gewalt der marxistischen Guerilla freigelassen und die kriminellen Aktivitäten eingestellt werden müssten. Tatsächlich übergab die ELN in den vergangenen Wochen einige ihrer Geiseln an Vertreter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz und der katholischen Kirche.

Vermittler der Guerilla 

Innerhalb der kolumbianischen Bischofskonferenz gilt Erzbischof Monsalve als der Vertreter mit dem besten Kontakt zur ELN, die ihn als Vermittler anerkennt. "Die Rückkehr des Krieges ist offensichtlich, die Vervielfältigung der bewaffneten Akteure in den Regionen hat die Situation komplizierter und schmerzhafter gemacht", sagte er. "Der Verlust der Kommunikation mit dem Zentralkommando der ELN machte die Identifikation mit den Gesprächspartnern jedes Mal schwieriger."

Die scharfe Kritik des Erzbischofs von Cali rief in den kolumbianischen Medien ein breites Echo hervor. Die Resonanz war so groß, dass sich die Kolumbianische Bischofskonferenz und die päpstliche Nuntiatur dazu gezwungen sahen, die Wogen zu glätten.

Der Begriff "genozid", also völkermörderisch, habe im internationalen Recht eine bestimmte Bedeutung, die es nicht erlaube, in legitimen öffentlichen Debatten über die konkrete - mitgemeint ist wohl zivile - Politik einer Regierung verwendet zu werden, erklärte die Nuntiatur in Bogota. Die kolumbianische Bischofskonferenz betonte, bei der Erklärung handele es sich um eine persönliche Sichtweise des Erzbischofs und nicht um die Position des Gremiums. Die Tageszeitung "El Tiempo" kommentierte daraufhin, die Kirche in Kolumbien sei gespalten.

Friedensprozess hinkt Erwartungen hinterher 

Tatsächlich ist der Friedensprozess in Kolumbien unter Präsident Ivan Duque nur schleppend vorangekommen. Vor allem die hohe Zahl an Morden an Sozialaktivisten und Menschenrechtsverteidigern ist besorgniserregend. Seit Jahresbeginn fielen 164 Aktivisten Mordanschlägen zum Opfer. Mehr als 200 ehemalige Guerilleros wurden getötet. Weil die Mehrheit der Morde nicht aufgeklärt ist und die Täter Straffreiheit genießen, geht das Ausschalten unbequemer Menschenrechtsverteidiger weiter.

Indes steckt auch Duque in einer Klemme: Nach einem verheerenden Bombenattentat auf eine Polizeischule in Bogota Anfang 2019, bei dem mehr als 20 Menschen getötet wurden und zu dem die ELN sich bekannt hatte, legte der Präsident die Gespräche mit der Guerillagruppe auf Eis. Er verlangt von Kuba, wo die Gespräche eigentlich fortgesetzt werden sollten, die Auslieferung der für den Anschlag verantwortlichen Kommandanten; eine Forderung, der Kuba nicht nachkommen will. So bleibt auch diese Tat wohl ungesühnt. Die Gespräche stecken in einer Sackgasse. Mit seiner heftigen Kritik hat der Erzbischof immerhin erreicht, dass über die brachliegenden Friedensverhandlungen nun wieder diskutiert wird.

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