Kolumbien und Venezuela beleben ihre Beziehungen
Mit seiner Reise nach Venezuela sendet Kolumbiens neuer Präsident Gustavo Petro ein bemerkenswertes politisches Signal. Sehr zur Freude des international isolierten venezolanischen Machthabers Nicolas Maduro.
Die Medien beider Länder sprechen von einem "historischen" Treffen: Kolumbiens neuer linker Präsident Gustavo Petro, der seit knapp drei Monaten im Amt ist, hat sich zu einem Staatsbesuch mit seinem sozialistischen Amtskollegen Nicolas Maduro in der venezolanischen Hauptstadt Caracas getroffen. Was eigentlich diplomatische Routine ist, kommt diesmal einer politischen Grundsatzentscheidung gleich. Maduro empfing seinen Amtskollegen mit allen politischen Ehren.
Der Machthaber Venezuelas wird wegen der umstrittenen Wahl 2018 von zahlreichen westlichen Staaten nicht als rechtmäßiger Präsident anerkannt. Zudem hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Ermittlungen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingeleitet. Organisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty International, auch die Vereinten Nationen beklagen außergerichtliche Hinrichtungen und massive Repression. Mehr als sieben Millionen Menschen sind wegen der Lage in Venezuela aus dem Land geflohen, mindestens zwei Millionen ins Nachbarland Kolumbien.
Politische Eiszeit beendet
Die diplomatischen Beziehungen zwischen dem lange rechts regierten Kolumbien und Venezuela lagen deshalb auf Eis. Als eine seiner ersten Amtshandlungen strebte Petro an, die Beziehungen zum Nachbarland wieder zu normalisieren. Die Öffnung der geschlossenen Grenzen war ein erster Schritt.
Verbunden mit der Reise nach Caracas gab es eine Aufforderung des US-Außenministeriums an Petro, er müsse sich für die demokratischen Grundrechte einsetzen: "Venezolaner verdienen die gleichen Möglichkeiten wie Kolumbianer und andere Völker der Region, ihre Anführer demokratisch zu wählen", zitierte das regierungskritische Portal "El Nacional" aus Caracas einen US-Diplomaten. Ähnlich äußerte sich die Amerika-Direktorin von Human Rights Watch, Juanita Goebertus. Petro dürfe nicht nur ein Foto machen, sondern müsse auch klare Forderungen an Maduro stellen.
Kritik der Opposition
Petro verteidigte seinen auch von der kolumbianischen Opposition kritisch betrachteten Kurs: Es sei ein selbstmörderisches Abenteuer, Nationen zu trennen. In Venezuela kritisierte Oppositionsführer Juan Guaido, Petro normalisiere mit seiner Entscheidung Menschenrechtsverletzungen in Venezuela. Oppositionspolitikerin Maria Corina Machado erklärte, es werde versucht, das Gesicht eines Kriminellen reinzuwaschen. Da nach den Wahlen in Brasilien ebenfalls ein Linksruck ansteht, dürften sich auch Maduros Beziehungen nach Brasilia zum künftigen Präsidenten Lula verbessern, der im Januar die Amtsgeschäfte übernimmt. Ihm hat er bereits eine Kooperation angeboten.
Petro hat sich bewusst entschieden, auf Maduro zuzugehen. Dessen Rolle wird trotz aller Kritik und internationaler Isolation mehr und mehr aufgewertet, zumal in Südamerika fast nur noch Linksregierungen an der Macht sind. Vor allem aber braucht Petro Maduro für seinen ambitionierten Plan "Paz total" (totaler Frieden).
Venezuela als Garant der Friedensgespräche
Er will in seiner Amtszeit das Land befrieden und hat alle bewaffneten Gruppen zu Dialog und Gewaltverzicht aufgefordert. Dazu zählt auch die marxistische ELN-Guerilla, die längst zu einer binationalen Gruppe geworden ist und ihre Aktivitäten von Venezuela aus koordiniert. In Kürze sollen die international begleiteten Friedensgespräche zwischen dem kolumbianischen Staat und der ELN-Guerilla beginnen. Venezuela wird dabei Garant für die Gespräche sein. Bis heute verübt die Guerilla Mordanschläge in Kolumbien, auch auf Sozialaktivisten und Umweltschützer.
Für Maduro wiederum ist es eine große politische Chance, nach jahrelanger politischer Isolation wieder eine Rolle auf dem internationalen Parkett zu spielen. Ende 2024 sollen Präsidentschaftswahlen in Venezuela stattfinden. Spannend wird sein, ob Maduro dann erneut antritt oder ob ihn seine linksdemokratischen Partner in Lateinamerika drängen, den Platz gesichtswahrend für einen Neuanfang zu räumen. Chiles Präsident Gabriel Boric hatte zuletzt immer wieder die Lage in Venezuela angesprochen und erklärt, die Linke müsse Menschenrechtsverletzungen überall kritisieren - egal wo sie geschehen.